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News: Wenig klüger als zuvor

Seit langem fahnden Astronomen in der Ebene der Milchstraße nach den Quellen harter Röntgenstrahlung. Aufnahmen des Chandra X-ray Observatory zeigten nun immerhin, dass ein kleiner Teil gar nicht aus der Milchstraße stammt, sondern von fernen Galaxien. Der große Rest aber entsteht in unserer Galaxis - bloß wie, das wissen die Forscher immer noch nicht.
Wir befinden uns mit unserem Sonnensystem gleichsam am Rande eines Spiegeleis. Der freie Blick ins All ist also nur nach "oben" und nach "unten" möglich. In der Ebene der Milchstraße wird jedwedes Licht indes von den Gas- und Staubmassen in den Spiralarmen der Milchstraße absorbiert. Hier auf der Erde kommen nur Infrarot-, Radio- und Röntgenstrahlung an, weshalb dieser Bereich auch zone of avoidance heißt.

Und diese Röntgenstrahlung ist es, welche die Astronomen seit 20 Jahren verwirrt. Seitdem maßen sie in der Ebene der Milchstraße so genannte harte Röntgenstrahlung, die im Vergleich zur weichen Röntgenstrahlung eine höhere Energie besitzt. Jetzt gibt es zwar neue Erkenntnisse zur Herkunft dieser Strahlung, an der Verwirrung ändert dies jedoch nichts. Die Dinge scheinen nur noch komplizierter.

Ken Ebisawa vom Goddard Space Flight Center der NASA und seine Kollegen wollten dieser rätselhaften Röntgenstrahlung in unserer Galaxis endlich auf den Grund gehen, und mit dem Chandra X-ray Observatory stand ihnen dafür auch ein leistungsfähiges Röntgenteleskop zur Verfügung. Die Vorgänger-Instrumente reichten für die Lokalisierung der energiereichsten Röntgenstrahlung nicht aus, weshalb die Forscher lange darüber stritten, ob deren Quelle eine diffuse sei, oder ob sie von einzelnen Sternen stamme.

Im Februar 2000 richtete Ebisawa mit seinen Mitarbeitern das Röntgenteleskop auf eine kleine Region im Sternbild Scutum (Schild, Schwanz der Schlange) - genau in der Ebene der Milchstraße und so groß wie ein halber Mond. Und tatsächlich entdeckten sie dabei punktförmige Quellen kräftiger Röntgenstrahlung, nur lagen diese nicht in der Milchstraße, sondern in Millionen von Lichtjahren Entfernung, weit jenseits der Milchstraße. In Wahrheit waren dies die aktiven Kerne ferner Galaxien - und zwar insgesamt 36 Stück, was ziemlich genau der Anzahl entspricht, die man in diesem Ausschnitt des Himmels erwarten würde.

Rätsel gelöst? Mitnichten! Nur zehn Prozent der von Chandra gemessenen, harten Röntgenstrahlung lassen sich jenen Galaxien zuordnen, der große Rest stammt also allem Anschein nach doch aus dem Inneren der Milchstraße selbst. Und so sind die Forscher am Ende des Experiments nur wenig klüger. Zwar sind sie nun sicher, dass die harte Röntgenstrahlung nicht von einzelnen Sternen abgestrahlt wird, sondern von einem diffusen Plasma. Andererseits sind Gase, die dieses Energiespektrum abstrahlen, aber zig Millionen Grad heiß und müssten deshalb eigentlich gegen die Gravitationskräfte der Milchstraße in die Weiten des Weltraums entweichen.

Ebisawa kann sich deshalb nur vorstellen, dass das diffuse Plasma durch irgendwelche magnetischen Felder im Inneren unserer Galaxis gehalten wird - ähnlich wie es sich auch mit den flares auf der Sonne verhält. Andere vermuten, dass Supernova-Explosionen in der Milchstraße das Plasma nähren.

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  • Quellen
Sciencexpress 10.1126/science.1063529 (9. August 2001)
NASA

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