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Antarktis: Weniger als ein Drittel ist absolut unberührt

Die ganze Antarktis wirkt wie eine unberührte Wildnis. Doch in Wahrheit sind das nur wenige Regionen, insbesondere wenn man auf die Biodiversitäts-Hotspots blickt.
Die argentinische Forschungsstation in der Antarktis

Was eine Wildnis ausmacht, ist in Fachkreisen umstritten: Reicht es schon, wenn ein Gebiet nicht für Menschen und ihre Wirtschaft erschlossen ist? Oder ist nur das eine Wildnis, was noch nie von einem Menschen betreten wurde? Gemäß der zweiten – freilich sehr strengen – Auslegung kann selbst in der Antarktis nur noch gut ein Drittel der Landfläche als unberührt gelten. Das ergab jetzt die Auswertung von rund 2,7 Millionen historischen Aufzeichnungen, in denen die menschlichen Aktivitäten rund um den Südpol seit 1818 verzeichnet sind.

Im Fachmagazin »Nature« schildern Steven Chown von der Monash University in Melbourne und Kollegen die Ergebnisse ihrer Auswertung. Demnach können 99,6 Prozent des Kontinents als Wildnis im Sinn einer Landschaft gelten, in der der menschliche Einfluss vernachlässigbar ist. Gänzlich unberührt (»inviolate«) vom Menschen sind dagegen nur 31,7 Prozent der Fläche.

Solche komplett unangetasteten Regionen liegen vor allem abseits der transkontinentalen Routen, die seit den frühesten Entdeckungsreisen begangen werden. Sie sind in aller Regel von massiven Eispanzern bedeckt – und entsprechend wenig interessant auch für Forscher.

Von entscheidender Bedeutung für die Flora und Fauna des Südkontinents sind hingegen andere Bereiche. Die größte Biodiversität in der Antarktis findet sich primär in den eisfreien Bereichen, wie zum Beispiel den McMurdo-Trockentälern. Auch für diese Gebiete haben Chown und Kollegen quantifiziert, wie hoch der Anteil von Wildnis mit vernachlässigbarem menschlichem Einfluss ist, und kamen zu Ergebnissen, die von Region zu Region stark schwanken. Von den gut 70 000 Quadratkilometern, die offiziell als besonders schutzwürdige »Antarctic Conservation Biogeographic Regions« eingestuft werden, können 70 Prozent oder rund 55 000 Quadratkilometer als Wildnis gelten. Insgesamt machen sie damit jedoch nur 0,4 Prozent der kontinentalen Fläche aus.

Das Ökosystem in diesen Gebieten ist im Allgemeinen sehr empfindlich gegenüber Störungen. »Wenn man durch ein Moosfeld stapft, kann es manchmal Jahre dauern, bis sich die Moose erholen«, sagt Chow gegenüber dem »New Scientist«. Wenn man die Antarktis wirklich in einem unberührten Zustand belassen wolle, wozu sich alle Unterzeichner des Antarktisvertrags verpflichtet hätten, müsse man fragen, ob überhaupt noch solche Gebiete übrig seien. »Und es zeigt sich, es sind nicht viele.«

Mit seinen 13,6 Millionen Quadratkilometern ist die antarktische Wildnis übrigens nicht die größte der Welt. Das größte Gebiet der Erde, in dem der menschliche Einfluss zumindest auf lokaler Ebene vernachlässigbar ist, befindet sich laut Chow in den borealen Nadelwäldern der Nordhalbkugel – und damit in einem Gebiet, das derzeit besonders stark unter den Auswirkungen des Klimawandels leidet. Damit ist es dann wiederum doch ganz erheblich von menschlichem Einfluss betroffen.

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