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Venus: Neue Wendung in Debatte um außerirdisches Leben

Die mutmaßliche Entdeckung von Phosphan in der Atmosphäre der Venus zog heftige Kritik nach sich. Eine Neuanalyse der Daten könnte die Forscher nun ein Stück weit rehabilitieren.
Die künstlerische Darstellung zeigt den Planet Venus in unserem Sonnensystem.

Die Debatte um die mögliche Entdeckung von Phosphan in der Atmosphäre der Venus geht weiter: Das internationale Astronomenteam um Jane Greaves von der Cardiff University, das mit der Entdeckung des potenziellen Biomarkers im September 2020 für Schlagzeilen gesorgt hatte, hat seine Messdaten nun erneut ausgewertet. Demnach ist das Phosphansignal deutlich schwächer als gedacht, aber immer noch vorhanden.

Nach der ursprünglichen Veröffentlichung vor zwei Monaten hatten andere Forschergruppen die Beobachtungen und Schlussfolgerungen von Greaves' Gruppe in Frage gestellt. Bei der jetzt erfolgten Neuanalyse sind die Britin und ihre Kollegen tatsächlich auf einen Verarbeitungsfehler im ursprünglichen Datensatz gestoßen.

»Auf so etwas habe ich mein ganzes Leben lang gewartet«Planetenforscher Sanjay Limaye

Für unbeteiligte Experten ist das ein wichtiger Schritt, um in der Debatte voranzukommen, die der Erforschung der Venus neues Leben einhaucht. »Auf so etwas habe ich mein ganzes Leben lang gewartet«, sagt Sanjay Limaye, ein Planetenforscher an der University of Wisconsin-Madison.

Die Diskussion basiert auf Daten des Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array (ALMA) in Chile, das kurzwellige Radiostrahlung aus dem Weltall auffängt. Auf die Venus gerichtet, fehlte in diesem Spektralbereich Strahlung mit einer Wellenlänge von 1,12 Millimetern. Sie müsste von Phosphanmolekülen in der Wolkenhülle unseres Nachbarplaneten zurückgehalten worden sein, lautete die Interpretation von Greaves' Team im September.

Nun kommt die Gruppe zu dem Schluss, dass man in dieser ersten Analyse den durchschnittlichen Phosphangehalt deutlich überschätzt habe: In der Lufthülle der Venus komme auf eine Milliarde Moleküle im Durchschnitt gerade mal ein Molekül Monophosphan (PH3). In ihrem ersten Aufsatz waren die Forscher noch von rund 20 Molekülen ausgegangen. Folgerichtig sprechen die Wissenschaftler nun nur noch von einer »vorläufigen« Entdeckung.

ALMA | Die 66 Parabolantennen stehen auf einer Hochebene in der chilenischen Atacama-Wüste. 2013 fertig gestellt, ist ALMA das leistungsfähigste Observatorium für Submillimeter-Strahlung.

Der noch nicht von Gutachtern geprüfte Fachaufsatz ist die erste öffentliche Reaktion von Greaves und ihrem Team auf die Kritik ihrer Kollegen. »Der wissenschaftliche Prozess funktioniert«, kommentiert Bob Grimm, ein Planetenforscher am Southwest Research Institute in Boulder, Colorado, der an keiner der Phosphanstudien beteiligt ist. Es sei normal, dass Wissenschaftler nach einer mutmaßlichen Sensation weitere Untersuchungen einfordern, die das Ergebnis dann entweder bestätigen oder widerlegen.

Ein Gas, viele denkbare Ursprünge

In seiner Veröffentlichung vom September hatte das Team Daten von ALMA und dem James Clerk Maxwell Telescope (JCMT) in Hawaii verwendet. Jane Greaves sagt, sie und ihre Kollegen hätten die Analyse nun wegen eines Signalfehlers in den Rohdaten von ALMA wiederholt. Das Observatorium hat die korrigierten Daten laut Greaves am 16. November veröffentlicht. Die Astronomin und ihr Team machten sich gleich am Abend an die Neuauswertung, deren Ergebnisse mittlerweile auf dem Preprint-Server Arxiv zu finden sind. »Wir haben wie verrückt gearbeitet«, erzählte Greaves am 17. November bei einem Treffen der Venus Exploration Analysis Group, einem Gemeinschaftsforum der NASA.

Laut Greaves und ihren Kollegen zeigen die neu analysierten ALMA-Daten weiterhin die spektrale Signatur von Monophosphan. Keine andere chemische Verbindung könne die Daten erklären. Aus Sicht der Forscher ist das nach wie vor eine aufregende Entdeckung, weil PH3 auf der Erde auch von Mikroben produziert wird, etwa in Mooren und Sümpfen. Folglich steht immer noch die Möglichkeit im Raum, dass es auf der Venus von Mikroben produziert wird, die in der Wolkendecke des Planeten leben. Allerdings sind auch Quellen denkbar, die nichts mit außerirdischem Leben zu tun haben, etwa Vulkanausbrüche, Blitzentladungen oder Meteoriteneinschläge.

Bevor sich Planetenforscher an die Ursachenforschung machen, müssen Astronomen das Phosphansignal jedoch zweifelsfrei bestätigen. Kritiker argumentieren, dass die verdächtige Strahlungssignatur tatsächlich von Schwefeldioxid stammen könnte – einem Gas, das in den Wolken der Venus häufig vorkommt, aber nichts mit Leben zu tun hat. Greaves und ihr Team widersprechen dieser Möglichkeit in ihrem jüngsten Aufsatz: Der Phosphan-Fingerabdruck tauche schließlich nicht nur in den Daten von ALMA, sondern auch in denen des JCMT auf. Allerdings gilt es als sehr schwierig, ein sauberes Phosphansignal aus den komplizierten Daten zu extrahieren, argumentieren andere Forscher.

Die Neuanalyse zeigt derweil, dass die Phosphankonzentration in der Venusatmosphäre gelegentlich Spitzenwerte von fünf Milliardstel erreicht. Die Konzentrationen des Gases an verschiedenen Orten auf dem Planeten nehme also zu und ab, sagte Greaves. Etwas Ähnliches beobachtet man auf dem Mars, wo das als Biomarker gehandelte Methan ebenfalls mal in höherer und mal niedrigerer Konzentration vorkommt.

Daten eines Venus-Urgesteins

Insgesamt gibt es nicht nur Kritik an dem Phosphansignal: Inspiriert von Greaves' ursprünglichem Bericht durchsuchte ein Team unter der Leitung von Rakesh Mogul, einem Biochemiker an der California State Polytechnic University in Pomona, jahrzehntealte Daten der NASA-Mission Pioneer Venus von 1978. Die Raumsonde warf eine Sonde ab, die die Chemie der Wolken in der Atmosphäre des Planeten während ihres Falls zur Oberfläche maß. Dabei entdeckten die Messinstrumente ein Phosphorsignal, das auf Phosphan oder eine andere Phosphorverbindung zurückgeführt werden konnte. »Wir glauben, dass Phosphan das Gas ist, das am besten zu den Daten passt«, sagte Mogul bei dem Treffen am 17. November.

Woher das Phosphan kommt, bleibt dabei ein Rätsel. Selbst wenn es nur ein Milliardstel aller Teilchen sind, ist es zu viel, als dass es durch Vulkanausbrüche oder Blitzeinschläge erklärt werden könnte, argumentierten mehrere Wissenschaftler auf dem Treffen. Aber Verbindungen auf Phosphorbasis könnten durch geologische Prozesse entstehen und sich dann in andere Chemikalien wie Phosphan umwandeln, wenn sie in die Wolken aufsteigen, sagte Mogul.

Gefragt sind daher neue Daten. Die einzige Raumsonde, die derzeit die Venus umkreist, ist die japanische Mission Akatsuki. Sie verfügt jedoch nicht über Instrumente, die zur Beilegung der Debatte beitragen könnten. Die indische Weltraumforschungsorganisation plant eine Venus-Mission, die 2025 starten soll und möglicherweise Instrumente zur Suche nach Phosphan mitführen könnte. Derweil bewerben sich Greaves und andere Forscher um mehr Zeit an erdgebundenen Teleskopen, darunter ALMA.

Insgesamt gingen Astronomen zurzeit vielen Fragen rund um die Venus nach, sagt David Grinspoon, Astrobiologe am Planetary Science Institute mit Sitz in Washington, D. C. »Es gibt 1001 Gründe, zur Venus zurückzukehren, und wenn das Phosphan durch weitere Beobachtungen und Analysen ›verschwindet‹, wird es immer noch 1000 Gründe für solch eine Mission geben.«

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