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Empathie: Dein Schmerz, mein Schmerz

Emotionen mitfühlen zu können, ist mitunter hilfreich. Doch die Schmerzen anderer zu spüren, kann auf Dauer die eigene Psyche belasten.
Eine Frau mit lockigem Haar sitzt auf einem Sofa und hält sich den Bauch, als ob sie Schmerzen hätte. Sie trägt ein gelbes T-Shirt und blaue Jeans. Im Hintergrund sind bunte Kissen und eine Zimmerpflanze zu sehen.
Manche Menschen fühlen fremden Schmerz nicht nur im übertragenen Sinn.

Gute Antennen für die Gefühle anderer zu haben, gilt als wünschenswert: Empathische Menschen werden meist als sozial kompetenter und hilfsbereiter angesehen. Doch wenn man auch die körperlichen Schmerzen anderer gut nachempfinden kann, ist das womöglich nachteilig für die eigene Gesundheit. Wer auf diese Art mitfühlt, leidet einem britisch-chinesischen Forschungsteam zufolge unter schlechterer psychischer Gesundheit.

Die Fachleute um Mengze Li von der University of Sussex baten mehr als 800 Studierende, eine Reihe von Fragebogen auszufüllen. Darin ging es unter anderem um Ängste, Anzeichen für Depression und körperliche Symptome, die häufig von der Psyche mitverursacht werden – darunter Kopfschmerzen, Magenprobleme und Schlafstörungen.

Die Teilnehmenden sahen dann online 16 kurze Videos, in denen Menschen Schmerzen erlitten, etwa durch eine Spritze beim Arzt oder eine Sportverletzung. Nach jedem Clip sollten die Probandinnen und Probanden angeben, ob und wie stark sie beim Zuschauen selbst Schmerzen verspürt hatten und ob diese an einer bestimmten Körperstelle lokalisiert waren. Daraufhin wurden sie in drei Gruppen eingeteilt: Die erste fühlte Schmerzen kaum bis gar nicht mit. Die zweite empfand beim Anblick fremder Pein zwar Stress, spürte diese aber nicht konkret körperlich. Die dritte Gruppe fühlte am intensivsten bei den Videos mit und gab auch tatsächlich eigene Schmerzen an.

Die nachgelagerte Analyse ergab: Teilnehmende aus der zweiten und dritten Gruppe litten im Alltag stärker unter Ängsten, depressiven Symptomen und psychosomatischen Beschwerden als die am wenigsten empathischen Versuchspersonen. Besonders schlecht erging es jenen, denen das Mitansehen von Leid selbst Schmerzen bereitete: Sie berichteten nicht nur über die meisten körperlichen Beschwerden, sondern machten sich auch starke Sorgen um ihre Gesundheit. Auffällig war zudem ihr Umgang mit belastenden Gefühlen: Diesen begegneten sie eher mit negativen Strategien wie Selbstvorwürfen, Grübeln und dem Ausmalen von Horrorszenarien – all das hing wiederum direkt mit ihrer psychischen Belastung zusammen. Hilfreiche Strategien, etwa Situationen neu zu interpretieren, setzten die empathischen Probanden nicht häufiger ein als die anderen.

Die Forschenden betonen, dass es sich um eine Querschnittsstudie handelt, weshalb sich Langzeitfolgen oder Kausalzusammenhänge daraus nicht zweifelsfrei ableiten lassen. Menschen, die beruflich häufig dem Leid anderer ausgesetzt sind – etwa Pflegekräfte, Psychotherapeuten oder Ärztinnen –, sollten jedoch besonders auf die eigene psychische Gesundheit achten. Spezielle Trainings könnten helfen, förderliche Coping-Strategien zu entwickeln und klarere persönliche Grenzen zu ziehen.

  • Quellen
BMC Psychology 10.1186/s40359–025–02585–4, 2025

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