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News: Wenn die Müllabfuhr stecken bleibt

Müll hat in einer Zelle nichts verloren: Er wird entsorgt. Bei vielen Krankheiten jedoch funktioniert der Prozess offenbar nicht, denn dort reichern sich fehlerhafte Proteine richtiggehend an. Doch was war zuerst da - entstehen die Proteinklumpen, weil die Müllabfuhr nicht arbeitet, oder funktioniert die Entsorgung nicht, weil die Proteinklumpen sie verhindern? Fluoreszierende Zellen brachten es nun ans Licht: Die Proteine selbst setzen den Abbau außer Kraft.
Auf dem Weg vom Gen zum Protein kann einiges schiefgehen. Doch fehlerhafte Proteine sind für die Zelle gefährlich, also müssen sie entsorgt werden. Vorher bekommen sie ein eindeutiges Kennzeichen: Ein angehängtes Ubiquitin-Molekül signalisiert der zellinternen Müllabfuhr, dass der Träger zerschnitten und abgebaut werden soll. Zuständig dafür ist das Proteasom, ein Enzym, das auch noch andere Kontrollaufgaben in der Zelle übernimmt.

Fatal ist es, wenn dieses System zusammenbricht. So zeichnen sich viele neurodegenerativen Krankheiten wie Chorea Huntington oder Mukoviszidose dadurch aus, dass sich in den Zellen Klumpen fehlerhafter Proteine anreichern. Obwohl sie mit Ubiquitin markiert sind, kann die Zelle sie offenbar nicht abbauen. Wissenschaftler fragen sich seit langem, ob die Proteinklumpen entstehen, weil das Proteasom nicht ordnungsgemäß arbeitet, oder die missgestalteten Eiweißstoffe selbst das Proteasom an seiner Aufgabe hindern.

Forscher um Ron Kopito von der Stanford University sind den Prozessen jetzt mithilfe eines Marker-Proteins auf die Spur gekommen. Sie konstruierten ein mutiertes Gen für Grün-fluoreszierendes Protein (GFP), das eine zwar leuchtende, aber trotzdem fehlerhafte Variante des Proteins bewirkt. Dieses Gen schleusten sie in embryonale menschliche Nierenzellen ein und beobachteten, was geschah. Zunächst lief alles nach Plan: Nach kurzer Zeit wurde das Protein instabil, erhielt daraufhin das Abbausignal Ubiquitin und wurde von dem Proteasom zerstört – deutlich sichtbar für die Forscher, denn mit der Zeit – je weniger instabiles GFP noch vorhanden war – leuchteten die Zellen immer schwächer.

Dann jedoch schleusten die Forscher ein weiteres mutiertes Gen in die Versuchszellen ein. Diesmal handelte es sich um die Erbinformation für die defekte Version des Proteins Huntingtin, das sich in den Nervenzellen von Huntington-Patienten anreichert. Nun leuchteten die Zellen weiter, als sei nichts geschehen: Die Müllabfuhr der Zelle reagierte offenbar nicht. Dann zogen die Wissenschaftler noch ein weiteres fehlerhaftes Protein heran – eine Variante des CFTR, das mit der Krankheit Mukoviszidose in Verbindung gebracht wird. Und auch hier ließ die Leuchtkraft der Zellen nicht nach.

Die Ergebnisse zeigen, dass die fehlerhaften Proteine selbst das Proteasom hemmen und so ihre eigene Entsorgung verhindern. Und je mehr sich davon anreichern, desto stärker wird der zellinterne Abbau beeinträchtigt – ein wahrer Teufelskreis.

Wie allerdings die Proteine das Proteasom an seiner Arbeit hindern, konnten die Forscher noch nicht klären. Kopito vermutet dahinter mehrere komplexe Vorgänge und versucht, das Ganze zu veranschaulichen: "Wahrscheinlich verhindert ein Problem im Innern des Proteasoms, dass die Proteine durchgeschleust werden. Stellen Sie sich ein Seil mit einem Knoten darin vor. Die Ansammlung kann wie ein Knoten wirken. Andere Studien bereits gezeigt, dass Proteine, die sich nicht richtig entfalten können, im Proteasom stecken bleiben." Daher wollen die Wissenschaftler nun in weiteren Experimenten prüfen, ob auch die Proteinklumpen so den normalen Abbauprozess hemmen.

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  • Quellen
Science 292: 1552–1555 (2001)

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