Sternexplosion: Supernova mit Doppelknall

Supernovae vom Typ Ia sind gewaltige Sternexplosionen, denen wir eine Menge zu verdanken haben – die Hälfte allen Eisens in unserer Heimatgalaxie zum Beispiel. Es handelt sich dabei um die thermonukleare Explosion eines Weißen Zwergs, der normalerweise letzten Station in der Entwicklung massearmer Sterne. Doch was genau diese eigentlich erloschenen Himmelskörper dazu bringt, sich auf so spektakuläre Art und Weise zu zerstören, ist auch nach Jahrzehnten der Forschung ein Rätsel. Nun sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Lösung dank des Supernova-Überrests SN 0509, der sich in rund 160 000 Lichtjahren Entfernung in der Großen Magellanschen Wolke befindet, ein Stück näher gekommen. Wie ihre Beobachtungen mit dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte ESO zeigen, ist diese Supernova vom Typ Ia nicht nur einmal explodiert, sondern wurde durch eine Doppeldetonation zerstört. Die Studie ist im Fachmagazin »Nature Astronomy« erschienen.
Die Vorgängersysteme von Supernovae vom Typ Ia sind Doppelsternsysteme, in denen einer der Partner ein Weißer Zwerg ist, der fast nur noch aus Kohlenstoff und Sauerstoff besteht. Ursprünglich stellten sich Forschende das Szenario ihrer spektakulären Selbstzerstörung recht einfach vor. Zur Explosion würde es demnach kommen, wenn ein Weißer Zwerg gemächlich Materie von seinem Begleiter absaugt, bis er eine als Chandrasekhar-Grenze bezeichnete Masse von rund 1,4 Sonnenmassen erreicht. Dann wird sein Druck im Inneren so groß und die Schwerkraft so stark, dass er als Supernova vom Typ Ia explodiert.
Doch bereits seit einiger Zeit häufen sich die Hinweise darauf, dass dieses Szenario zu vereinfacht ist. Unter anderem gibt es im Weltraum nicht genügend passende Doppelsternsysteme, um die Anzahl der tatsächlich beobachteten Supernovae vom Typ Ia zu erklären. In Modellen und Simulationen wurden deshalb Möglichkeiten ausgelotet, einen Weißen Zwerg auch unterhalb der Chandrasekhar-Grenze zur Explosion zu bringen. Ein Vorschlag lautet, dass dies bei einem Frontalzusammenstoß zweier Weißer Zwerge möglich wäre. Allerdings dürften auch solche Kollisionen im All ziemlich selten sein.
Ein weiterer Vorschlag lautet, dass der Weiße Zwerg in einer zweifachen Detonation zerstört wird, wobei die Explosion der Hülle die zweite und eigentliche Supernova-Explosion auslösen würde. Demnach könnte zuerst die heliumreiche Hülle eines Weißen Zwergs explodieren, etwa, weil er Materie von seinem Begleitstern abgesaugt hat oder weil seine eigene dünne Hülle aus Helium beim Verschmelzen mit einem Partner instabil wird. Die Stoßwelle dieser ersten Explosion löst wie ein Sprengstoffzünder dann im Kohlenstoff-Sauerstoff-Kern des Weißen Zwergs eine zweite Detonation aus. So könnte der Weiße Zwerg explodieren, ohne die Chandrasekhar-Massengrenze erreicht zu haben.
Das Forschungsteam um Priyam Das von der University of New South Wales in Australien konnte nun erstmals zeigen, dass dieses bislang nur in Simulationen untersuchte Szenario tatsächlich im Weltraum stattfindet. Für ihre Beobachtungen des Supernova-Überrests SNR 0509 verwendeten sie den Multi Unit Spectroscopic Explorer (MUSE) am VLT der ESO, einen Spektrografen, der die einzelnen Schalen des Supernova-Überrests räumlich auflösen und die verschiedenen chemischen Elemente des ausgeworfenen Materials nachweisen kann. Das geht so: Die Explosion eines Weißen Zwergs schleuderte die Materie aus dem Kern nach außen. Trifft sie dort auf das zirkumstellare Medium, erzeugt dies nicht nur eine nach außen laufende Stoßwelle, sondern auch eine rückwärtsgerichtete Stoßwelle. Diese regt das Auswurfmaterial der Supernova zum Leuchten an.
Im Fall von SNR 0509 fand das Team den entscheidenden Hinweis auf die Doppeldetonation anhand von zwei konzentrischen, separaten Schalen von Kalzium. Diese können nicht bei einer einzigen Explosion entstanden sein. Stattdessen geht die Gruppe basierend auf Simulationen davon aus, dass die äußere der beiden Kalziumschalen – mit einem Radius von rund sechs Lichtjahren in Bezug auf das Zentrum des Supernova-Überrests – bei der thermonuklearen Explosion der Heliumhülle entstanden ist. Die innere Schale hat derzeit einen Radius von rund 5,64 Lichtjahren und ist wohl auf die Explosion des Kohlenstoff-Sauerstoff-Kerns zurückzuführen. Die mit MUSE vermessenen Spektrallinien verraten außerdem, dass der durch die Doppeldetonation zerstörte Weiße Zwerg rund eine Sonnenmasse aufwies – was deutlich unter der Chandrasekhar-Grenze von 1,4 Sonnenmassen liegt.
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