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Psychische Störungen: Wenn Erwachsene unter Trennungsangst leiden

Auch als Erwachsene ertragen es manche nicht, von einer wichtigen Person getrennt zu sein. Anders als bei Kindern ist das Phänomen bei ihnen kaum untersucht. Forscher wollten das nun ändern.
Frau hält Mann fest, der sich auflöst

Am Morgen Tränen in der Kita, vorm Zubettgehen Bauchschmerzen, Horror vor dem Schulausflug: Kinder mit Trennungsangst fürchten sich übermäßig stark davor, von ihren Eltern oder einer anderen wichtigen Bezugsperson getrennt zu sein. Untersuchungen zufolge sind etwa zwei bis drei Prozent der 4- bis 13-Jährigen von der Störung betroffen, die über das typische Fremdeln hinausgeht, das Jungen und Mädchen oft in bestimmten Entwicklungsphasen zeigen.

Bei Kindern ist das Phänomen inzwischen gut untersucht und verstanden. Anders sieht es bei Erwachsenen aus: Denn diese können ebenfalls eine Trennungsangststörung entwickeln – nur ist das den meisten Menschen kaum bewusst. Laut repräsentativen Studien kommen zwischen fünf und sieben Prozent der Erwachsenen im Lauf ihres Lebens irgendwann einmal an einen Punkt, an dem sie starken Stress verspüren, wenn eine bestimmte Person vorübergehend nicht bei ihnen ist. Zudem glauben die Betroffenen häufig, ohne diesen Menschen nicht leben zu können. Anders als bei Kindern bezieht sich die Trennungsangst bei Erwachsenen nicht unbedingt auf die Eltern. Vorwiegend sind die Partnerin oder der Partner, weitere Familienmitglieder oder Freunde Dreh- und Angelpunkt der Störung. Manchmal sind die Beschwerden so ausgeprägt, dass ein normaler Alltag fast unmöglich ist.

Nach Schätzung von Experten schleppen etwas mehr als die Hälfte der Betroffenen die Erkrankung bereits seit der Kindheit mit sich herum. Die übrigen entwickeln die Symptome erst im Erwachsenenalter. Abgesehen davon ist bisher jedoch wenig über Trennungsangst jenseits des Kindes- und Jugendalters bekannt.

Megan Finsaas von der Columbia University und Daniel Klein von der Stony Brook University wollten das ändern: Um herauszufinden, wer besonders anfällig für die Störung ist und was die Betroffenen auszeichnet, befragten sie mehr als 550 US-amerikanische Frauen zu ihren Charaktereigenschaften und etwaigen Trennungsangstsymptomen. Die Ergebnisse veröffentlichten sie nun im »Journal of Abnormal Psychology«.

Viele Betroffene neigen dazu, sich Sorgen zu machen

Teilnehmerinnen, die später Symptome einer Trennungsangststörung aufwiesen, berichteten häufiger, angespannt und nervös zu sein, wie Finsaas und Klein entdeckten. Zudem neigten die Frauen dazu, sich generell mehr Sorgen zu machen. Das passe gut dazu, dass viele Betroffene große Angst um ihre Lieben haben, merken die Autoren an. So befürchten Menschen mit Trennungsangst etwa, dem Partner oder der Partnerin könne etwas Schlimmes zustoßen, wenn er oder sie morgens allein das Haus verlässt.

Erwachsene mit Trennungsangst könnten ähnlich wie Kinder die Gefahren des Alleinseins überbewerten

Außerdem gaben Teilnehmerinnen mit Anzeichen von Trennungsangst an, sich grundsätzlich verletzlicher zu fühlen als andere. Möglicherweise überbewerten Erwachsene mit Trennungsangst ähnlich wie betroffene Kinder die Gefahren des Alleinseins und trauen es sich gleichzeitig weniger zu, Schwierigkeiten eigenständig zu bewältigen.

Auch zwischen der Tendenz, sich in den eigenen Gedanken zu verlieren, und Trennungsangst konnten Finsaas und Klein einen leichten Zusammenhang entdecken. Dasselbe galt für Trennungsangst und die Neigung zu aggressivem Verhalten. Dieses könne vor allem in Situationen der Verzweiflung auftreten, wenn sich eine geliebte Person mit anderen Methoden nicht davon abhalten lässt, wegzugehen.

Die Daten der Forscher stützen sich auf wiederholte Befragungen der Teilnehmerinnen über mehrere Jahre hinweg. Bei manchen Probandinnen hatte das Team noch Zugriff auf Persönlichkeitseinschätzungen, welche ihre Partner abgegeben hatten.

Eine Schwachstelle der Studie ist allerdings, dass Finsaas und Klein nur Frauen befragten; außerdem waren die meisten Teilnehmerinnen zwischen 30 und 40 Jahre alt und hatten ein kleineres Kind zu Hause. Inwiefern sich die Ergebnisse verallgemeinern lassen, ist deshalb unklar. Wie die Autoren betonen, sind weitere Studien zur Trennungsangst bei Erwachsenen nötig. Viele Experten haben die Störung bei dieser Altersgruppe bislang nicht auf dem Schirm, weshalb die Betroffenen oft eine Depression oder eine andere Angststörung als Diagnose bekommen. Auch an maßgeschneiderten Therapien mangelt es noch.

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