Direkt zum Inhalt

Corona-Maßnahmen: Wer hält sich an die Regeln?

Zwei Studien haben verglichen, welchen Einfluss Persönlichkeit, Situation und Einsicht in die Wirksamkeit von Maßnahmen auf deren Umsetzung haben.
Warten in der Corona-Schlange

Seit Beginn der Corona-Pandemie gewöhnen wir uns an das neue Miteinander: Wir tragen vorbeugend eine Maske, halten Abstand – oder eben auch nicht. Woraus lässt sich vorhersagen, ob wir die Regeln einhalten? Ein internationales Team um Sascha Kraus von der britischen Durham University befragte dazu mehr als 8300 Menschen aus 70 Ländern über eine Onlineplattform. Die selbstbekundete Regeltreue der deutschsprachigen Teilnehmer lag ungefähr im internationalen Durchschnitt – niedriger als etwa in Frankreich und Italien, aber höher als in Spanien. Die Deutschen ergriffen jedoch seltener als die übrigen Nationalitäten besondere Vorsichtsmaßnahmen, und sie hielten ihre Mitmenschen auch weniger dazu an.

Die Regeltreue hing eng mit der Überzeugung zusammen, dass die Maßnahmen tatsächlich wirken und die Gesundheit schützen. Als vergleichsweise unwichtig erwies sich das Vertrauen in die Regierung, wie schwer wiegend die Krankheit erschien und wie anfällig die eigene Person. Selbst die Persönlichkeit verriet kaum etwas über die Regeltreue – am ehesten noch der Hang zu Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit. Stärkeren Einfluss hatte die Persönlichkeit darauf, ob jemand andere zu Vorsicht anhielt: Verträgliche, gewissenhafte, extravertierte und offene Menschen taten das eher.

Eine polnische Studie unter rund 260 Erwachsenen kam zu einem ähnlichen Ergebnis: Die Persönlichkeit erklärte nur zu einem geringen Teil, ob sich Menschen an die vom Staat verordneten Regeln hielten. Auch hier waren es vermehrt jene verträglichen Charaktere, die gerne für andere und für ein harmonisches Miteinander sorgen. Den Gegenpart bildete die so genannte dunkle Triade, die ihren Mitmenschen weitgehend gleichgültig begegnet: Wer zu Macchiavellismus neigt, empfindet Vorschriften als unzumutbare Einschränkung eigener Interessen; bei Psychopathie fehlt es an der nötigen empathischen Rücksicht; und Narzissten meinen, dass sie sich an Regeln nicht zu halten brauchen, weil sie es doch besser wüssten.

All diese Persönlichkeitsfaktoren zusammen haben allerdings gerade so viel Einfluss wie die Bewertung der Situation. Ist die Lage so schlimm, dass sie Maßnahmen erfordert und moralisch verpflichtet? Je mehr die Versuchspersonen hier zustimmten, desto eher befolgten sie die Regeln. Das bestätigt die Hypothese »der starken Situation«, wie die Autoren der polnischen Studie erklären: Die Situation kann mächtiger sein als alle persönlichen Neigungen. Und deshalb könnte helfen, was auch die Forscher um Sascha Kraus empfehlen: mehr und besser über die Situation zu informieren. »Unsere Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung des Glaubens an die Wirksamkeit von Maßnahmen«, schreiben sie.

Doch selbst Persönlichkeit und Situation gemeinsam können die mehr oder minder starke Regeltreue nur zum Teil erklären. Soziale Normen spielen womöglich im Alltag die größere Rolle, wenn es um regelkonformes Verhalten geht – Befunde mit Fokus auf Corona stehen dazu jedoch noch aus. Sozialforscher unterscheiden grob drei Arten von Einfluss durch soziale Normen: Menschen orientieren sich an dem, was sie als Konsens oder Mehrheit (in ihrer Bezugsgruppe) wahrnehmen; sie beugen sich Druck oder Anreizen von außen; oder sie internalisieren eine Norm. Allein Letztere handeln aus Überzeugung und werden auch dann verlässlich weiter Rücksicht nehmen, wenn die Pflicht zur Maske fällt, wie es derzeit einige Landesregierungen diskutieren.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.