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News: Wer kaut, hat Erfolg

Wer nicht kauen kann, muss sich mit dem zufrieden gaben, was weich und leicht verdaulich ist. So ging es auch den pflanzenfressenden Reptilien des Perm. Bis da eine Art auftauchte, die über ein neuartiges Gebiss verfügte, mit dem sich auch harte Früchte zerkleinern ließen. Mit einem Mal entstanden so Nahrungsnetze, die denen unserer Zeit sehr ähnlich sind.
Wie arm wäre das Leben, könnten wir nicht kauen. Fleisch, Äpfel und Kartoffelchips fänden sich dann wohl nicht auf unserem Speiseplan. Stattdessen ist unser Tisch reich gedeckt mit Dingen, die wir ohne unser Gebiss kaum genießen könnten. Diese kulinarische Vielseitigkeit ist gleichbedeutend mit Flexibilität, die unseren Vorfahren das Überleben sicherten.

Doch auch Kauen will evolutionär gelernt sein. Während es bei den reinen Fleischfressern vor allem auf die Reißzähne ankommt, profitieren gerade die Pflanzenfresser von einem Gebiss, mit dem sie Gräser, Fasern oder harte Früchte zerkleinern können. Natalia Rybczynski und Robert Reisz von der University of Toronto in Mississauga erkannten jetzt, dass schon vor 260 Millionen Jahren der erste Pflanzenfresser nicht nur zupfte und verschluckte, sondern biss und kaute.

Suminia getmanovi heißt das gut 30 Zentimeter lange Reptil, das 30 Millionen Jahre nach dem ersten pflanzenfressenden Landtier auftauchte und dessen versteinerte Überreste bereits 1990 in Zentralrussland geborgen wurden. Bei dem Fossil aus dem Oberen Perm fällt auf, dass die Flächen der Backenzähne aufeinander liegen. Anders als bei den Krokodilen oder Leguanen, deren Zähne in gegenüberliegende Lücken greifen, eignet sich so ein Gebiss vorzüglich zum Kauen. Und tatsächlich zeugen elektronenmikroskopische Aufnahmen von typischen Abnutzungserscheinungen: feine Gleitstreifen und sogar grobe Kratzer, die durch Sandkörner entstanden und Aufschluss über die Bewegungsrichtung des mahlenden Gebisses geben.

Im Vergleich zu den ersten landlebenden Pflanzenfressern waren die kauenden Nachfolger klar im Vorteil. Sie konnten es sich erlauben, weniger wählerisch zu sein, und da ihr Magen mit gut zerkauter Nahrung weniger zu tun hatte, verfügten sie über einen insgesamt schnelleren Stoffwechsel. Sie waren nicht mehr nur auf weiche Kost angewiesen und konnten mit einem Mal neue Nischen besetzen - eine Entwicklung, die sich viel später übrigens bei den Säugetieren wiederholen sollte. Auf diese Weise könnte Suminia zu jenem explosionsartigen Anstieg der Biodiversität beigetragen haben, der das Perm kennzeichnete. Womöglich entstanden damals auch die Nahrungsnetze, wie wir sie heute kennen, in denen viele pflanzenfressende Arten den wenigen fleischfressenden als Futter dienen.

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  • Quellen
Nature 411: 684–687 (2001)

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