Jungsteinzeit: Wer waren die ersten Bauern Anatoliens?
Ihren Ursprung hatte die Landwirtschaft vor rund 11 000 Jahren im »Fruchtbaren Halbmond« – einem Gebiet, das von Ägypten entlang der Länder der westlichen Mittelmeerküste über das heutige Syrien und den Irak bis an den Persischen Golf reichte. Die neue, so genannte neolithische Lebensweise wurde aber schon bald zum kulturellen Exportgut: Ab etwa 8300 v. Chr. finden sich Hinweise auf Ackerbau und Viehzucht auch nordwestlich in Zentralanatolien.
Diese anatolische Gruppe erwies sich als höchst bedeutsam für die weitere europäische Geschichte. Ihre Angehörigen wanderten aus und brachten diese Wirtschaftsform über den Balkan nach Mitteleuropa. Dort dominierten ihre Nachfahren bald die Population, während die einheimischen Jäger und Sammler in den Hintergrund traten und sich kaum mit den Neuankömmlingen vermischten. Der durchschnittliche Mitteleuropäer von heute ist darum kaum noch mit den Jägern und Sammlern von einst verwandt, umso präsenter ist das genetische Erbe der ehemals in Anatolien beheimateten Bauern.
Ganz anders waren die Vorgänge, als die Landwirtschaft zu ihnen selbst nach Anatolien kam; dies zeigt nun ein Forscherteam um Michal Feldman vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena. Wie die Wissenschaftler im Fachmagazin »Nature Communications« darlegen, ähneln sich die Bevölkerungsgruppen in Anatolien vor und nach Übernahme der Landwirtschaft sehr stark. Offenbar, so die Schlussfolgerung, schauten sich ortsansässige Jäger und Sammler die neue Form des Lebensunterhalts in den ursprünglichen Gebieten weiter im Süden ab.
Feldman und Kollegen stützen sich dabei auf die Analyse der DNA von acht prähistorischen Skeletten aus Anatolien, darunter ein 15 000 Jahre alter Angehöriger von Jäger-und-Sammler-Gruppen. Sie verglichen die Individuen, die in der Studie neu analysiert wurden, zudem mit bestehenden Daten von 587 prähistorischen Individuen und 254 heutigen Populationen.
Wie die Forscher in einer Mitteilung des Max-Planck-Instituts erläutern, stammen zu Beginn des Neolithikums in Anatolien zwischen 8300 bis 7800 v. Chr. nur rund zehn Prozent der Gene der Ortsansässigen aus Nachbarpopulationen im heutigen Iran und im Kaukasus. Ab etwa 7000 bis 6000 v. Chr. komme laut den Forschern eine weitere genetische Komponente aus der Levante-Region im heutigen Israel mit Palästina, dem Libanon und Jordanien hinzu. »Dies deutet trotz veränderter Klima- und Ernährungsstrategien über fünf Jahrtausende auf eine langfristige genetische Stabilität in Zentralanatolien hin«, so Feldman.
Anatolien sei demnach nicht nur ein Sprungbrett für die frühen Bauern aus dem Fruchtbaren Halbmond nach Europa gewesen, erläutert Koautor Choongwon Jeong, ebenfalls vom Jenaer MPI. »Es war vielmehr ein Ort, an dem lokale Jäger und Sammler Ideen, Pflanzen und Technologien annahmen, die zu einem landwirtschaftlichen Lebensunterhalt führten.« Dieser neue Lebensunterhalt bildete dann die Grundlage für entsprechende Innovationen in Europa.
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