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Bronzezeit Spaniens: Die Silberfürsten vom Rand der Alten Welt

Sie wirken wie ein Fremdkörper in der Vorgeschichte Spaniens: die 4000 Jahre alten Ruinen der El Argar. Brachten Einwanderer aus dem Osten die Stadtkultur auf die Iberische Halbinsel?
La Almoloya

Die Hitze im spanischen Südosten muss für die Belgier Luis und Henri Siret strapaziös gewesen sein. Dennoch stiegen die Brüder um 1880 das Plateau von El Argar hinauf. Dort, so hatten sie gehört, sollten frühgeschichtliche Gräber zu finden sein. Ihre Mühe wurde belohnt. Die beiden Ingenieure, die eigentlich für ein Bergbauunternehmen die Silberminen in der Provinz Almería erkunden sollten, stießen tatsächlich auf Gräber. Sie begannen zu graben – und legten 1000 Skelette und eine 4000 Jahre alte Siedlung frei. Die beiden Belgier hatten damit eine ganze Kultur der Bronzezeit entdeckt. Sie gaben ihr den Namen El Argar.

Wie Funde aus späteren Grabungen zeigten, war die Gesellschaft von El Argar hoch entwickelt. Eine herrschende Klasse regierte in Palästen, die Städte waren von mächtigen Mauern geschützt und die Arbeitskräfte systematisch organisiert. Von den Hügelkuppen aus überblickten die Fürsten das fruchtbare Umland, in dem die Bauern Vieh hielten und Getreide für die Stadt anbauten. Strukturen wie diese kannten Forscher nur aus Troja oder von den Minoern, den Babyloniern, Assyrern und Hethitern. Und die lebten alle im östlichen Mittelmeerraum und im Vorderen Orient. Waren die Menschen von El Argar womöglich Abkömmlinge dieser Kulturen, fragten viele Forscher.

»Auf der Suche nach den Ursprüngen der ersten Staaten haben Archäologen viel zu lange immer nur nach Ägypten und Griechenland geschaut«, sagt Roberto Risch. Der Archäologe von der Universitat Autònoma de Barcelona zählt zu den Wissenschaftlern, die das Erbe der Siret-Brüder angetreten haben. Zusammen mit seinen Kollegen Vicente Lull, Rafael Micó und Cristina Rihuete erforscht er die Überreste der rätselhaften El-Argar-Kultur seit den 1980er Jahren. Zuvor hat sich kaum jemand für den wissenschaftlichen Schatz interessiert, der im spanischen Boden verborgen lag. Heute sind sich Archäologen einig: Auch in Westeuropa gab es hoch entwickelte Kulturen der Bronzezeit. Und El Argar war vermutlich die größte.

Mehrere Zentren einer Kultur

Bis wohin die Menschen dieser Kultur siedelten, wissen Forscher erst seit einigen Jahren. Insgesamt erstreckte sich das Einflussgebiet der El-Argar-Kultur auf die heutigen Provinzen Murcia, Alicante, Granada, Jaén und Almería. Die Fundstellen liegen in einem Gebiet von 35 000 Quadratkilometern – einer Fläche von der Größe Baden-Württembergs.

Das Reich von El Argar | Die Stätten der Bronzezeitkultur entdeckten Archäologen im Südosten der Iberischen Halbinsel. Die rötliche Fläche markiert die größte Ausdehnung der Kultur um 1650 v. Chr.

Die Macht der bronzezeitlichen Fürsten war nicht auf die namensgebende Höhensiedlung beschränkt. Es gab mindestens zwei weitere solcher Zentren. Sie heißen heute La Bastida de Totana und La Almoloya. Hinzu kommen dutzende Fundorte im Flachland und auf Anhöhen. Dort lebten die meisten Menschen in kleinen, unbefestigten Siedlungen.

»Allein in La Bastida wohnten und arbeiteten etwa 1000 Menschen. Das ist für die damalige Zeit sehr viel«, sagt Roberto Risch. Bei den Ausgrabungen fanden Archäologen die Grundmauern kleiner Häuser, deren Wände aneinandergrenzten. Die Bevölkerung lebte auf engem Raum zusammen.

Eine imposante Halle und mächtige Mauern

Da hatte es die Elite besser. Auf der Anhöhe von La Almoloya gruben Forscher die Grundmauern eines großen Gebäudes aus. In seinem Inneren fanden sie die Reste einer 70 Quadratmeter großen Halle. In ihrer Mitte hatten einst Säulen gestanden, die das Dach trugen. Entlang der Wände verliefen Bänke, auf denen schätzungsweise 55 Menschen Platz nehmen konnten. Und die Archäologen entdeckten eine Art Podium, das sie als Thron oder Altar interpretieren. Der Ort erinnert an die Paläste der Ägäis, vor allem an die Megara, die Thronhäuser, in denen sich die Minoer und Mykener versammelten.

La Bastida | Auf einem Steilhang erstreckt sich die befestigte Siedlung samt ihres großen Wasserspeichers (links unten im Bild). Von der Hügelkuppe aus lassen sich die fruchtbaren Täler einsehen, in denen heute dicht an dicht Gewächshäuser stehen. Reste einer mächtigen Stadtmauer fanden sich am Fuß des Hügels (Bildmitte).

Einzigartig im Westen Europas sind die Stadtmauern von La Bastida. Sie wurden aus großen Steinblöcken aufgeschichtet – und sie ähneln den Mauern weit entfernter Städte in der Levante, also im heutigen Libanon, Syrien, Israel und Palästina. Die Verteidigungsanlage von La Bastida war bis zu drei Meter mächtig und mit steinernen Wehrtürmen verstärkt. Ähnlich sahen die Mauern des bronzezeitlichen Troja aus. »El Argar passt nicht in den westlichen Mittelmeerraum«, meint Roberto Risch. »Die Kultur wirkt hier wie ein Fremdkörper.«

Die Bauwerke verraten, welche hohe Zivilisationsstufe die El-Argar-Leute erreicht hatten. In der Siedlung La Bastida hatten die Bewohner einst einen Wasserspeicher mit einem Fassungsvermögen von 350 000 Liter angelegt. Laut Roberto Risch ist das Bauwerk »das größte seiner Art in der Vorgeschichte Westeuropas«. Eine derart große Anlage muss regelmäßig gereinigt und repariert werden. Das setzt Arbeitsteilung und eine öffentliche Verwaltung voraus – Strukturen, wie sie vor 4000 Jahren ebenfalls im östlichen Mittelmeerraum bekannt waren.

Was das Feuer in La Almoloya übrig ließ

Wie straff organisiert das Leben der El-Argar-Leute war, lesen Archäologen in verkohlten Getreidekörnern. Vor etwa 3600 Jahren wütete in der Siedlung La Almoloya ein Feuer. Die Flammen verkohlten unter anderem den Getreidevorrat der Siedlung – und konservierten ihn damit. Dank der Katastrophe wissen Roberto Risch und seine Kollegen: Es gab viel Gerste in der Stadt. Dazu passen auch die zahlreichen Mahlsteine, die in La Almolya gefunden wurden. Vermutlich lieferten die Bauern des Umlands die Ernte in der Höhensiedlung ab. Dort wurde das Korn gemahlen. Anschließend verteilten es die Herrscher an ihre Untertanen. Ein zentralisiertes System wie dieses setzt eine arbeitsteilige Gesellschaft voraus.

Kamen die Gründer der El-Argar-Kultur demnach aus dem Osten? Der Verdacht reizt die Fantasie der Archäologen. Ein Beweis steht aber aus. »Wir haben noch keine Objekte gefunden, die aus dem östlichen Mittelmeergebiet stammen«, sagt Roberto Risch. »Aber wir folgen einer Spur.« Und die ist aus Silber.

Die Halle | Auf dem Plateau von La Almoloya legten die Archäologen die Reste einer 70 Quadratmeter großen Halle frei, die sie als Thronraum einer Palastanlage deuten.

Gab es Verbindungen nach Babylon?

Das Edelmetall scheint die Menschen von El Argar fasziniert zu haben. Andernorts schmückten sich bronzezeitliche Frauen und Männer gern mit Gold und nutzten das gelbe Metall sogar für Kulthandlungen – wie vermutlich im Fall der zirka 3800 Jahre alten Himmelsscheibe von Nebra. Die El-Argar-Leute hingegen verwendeten Silber, um Alltagsgegenstände zu verzieren und sich mit dem Edelmetall herauszuputzen. »Diese Hinwendung zum Silber gab es sonst in ganz Europa nicht«, erklärt Roberto Risch.

Der Archäologe hält es für möglich, dass die Fürsten von El Argar ihr Silber in den Osten exportiert haben. »Babylonisches Silber galt als früheste Währung im östlichen Mittelmeerraum«, erklärt Risch. »Diese Zahlungsmittel gab es auch um 1750 v. Chr. in der Zeit König Hammurabis von Babylon – und damit in der Blütephase von El Argar.« Der Forscher hofft, dass die geplante Untersuchung von Hammurabis Silber Aufschluss über die Herkunft des Rohmaterials liefert. Für Risch wäre es keine Überraschung, wenn die Babylonier Silber aus spanischen Minen besaßen. Und da beim Handel auch Wissen getauscht wird, könnten die El-Argar-Leute die babylonische Kunst des Festungsbaus und der Reichsverwaltung auf diesem Weg gelernt haben.

Der hohe Stellenwert des Silbers in der El-Argar-Kultur wird am Grab eines fürstlich ausgestatteten Paars erkennbar. Die Archäologen fanden die Skelette einer Frau und eines Mannes. Die beiden waren in einem riesigen Keramikbehälter unter dem Boden der großen Versammlungshalle von La Almoloya beigesetzt worden – direkt vor dem mutmaßlichen Thron. Diese Bestattungssitte findet sich häufig in der El-Argar-Kultur. Ungewöhnlich ist die reiche Ausstattung des Grabs. Mehr als 30 Beigaben lagen bei den Toten, darunter ein mit Silberblech dekorierter Trinkbecher, eine Ahle mit silbernem Griff und ein Diadem aus demselben Edelmetall, das den Kopf der Fürstin zierte. Auf einen Kopfschmuck derselben Form waren schon die Brüder Siret gestoßen.

Das Fürstengrab | Unter der Thronhalle in La Almoloya kam das Grab eines herrschaftlichen Paars ans Licht. Die beiden waren in einem großen Tongefäß samt kostbarer Beigaben bestattet worden.

Die Frau starb im Alter von etwa 25 Jahren. Knochenschäden weisen auf eine Lungenentzündung hin. Der Mann war 10 bis 15 Jahre älter. Seine Todesursache bleibt zwar unbekannt, vermutlich wurde er aber einige Zeit vor der Fürstin bestattet. Das schließen Risch und seine Kollegen aus der Lage der Gebeine. Als die Archäologen die Bestattung entdeckten, war das Skelett des Mannes nicht mehr exakt im anatomischen Verbund gelegen – das der Fürstin hingegen schon. Womöglich war der Mann bereits in Teilen verwest, als seine Frau starb und zu ihm gebettet wurde.

Diese Art der Folgebestattung haben die Archäologen auch bei anderen Gräbern der El-Argar-Kultur nachgewiesen, insbesondere bei Männern der gesellschaftlichen Elite. Dass sie einen hohen Status hatten, machen die Forscher an so genannten Stabdolchen fest, die mit ins Grab gelegt wurden. Dabei handelt es sich um eine Bronzeklinge, die wie bei einer Hellebarde an einem Schaft befestigt war. »Das waren vermutlich Militärführer in der protostaatlichen Zeit zwischen 2000 und 1800 v. Chr.«, erklärt Roberto Risch. Starb ein Stabdolchträger, bettete man ihn dort zur Ruhe, wo bereits eine Frau begraben lag. Diese Männer wurden immer neben einer Frau beigesetzt. »Vielleicht hatte man sie zu ihrer Mutter oder Großmutter gelegt«, spekuliert Risch. Eine genetische Untersuchung des Knochenmaterials soll bis Ende des Jahres Aufschluss liefern.

Wo sind all die Toten hin?

Trotz der kostbaren Funde geben die Toten nur begrenzt Aufschluss über das Leben in der El-Argar-Kultur. Denn viele Bestattungen fehlen. In La Almoloya entdeckten Archäologen etwa 120 Gräber. Aber der Ort war 600 Jahre lang besiedelt. »Das sind höchstens zehn Prozent der Toten. Es müssten viel mehr sein«, sagt Roberto Risch. »Wo sind die anderen?« Zunächst hegten die Forscher den Verdacht, es seien nur Angehörige der Elite bestattet worden. Doch die Grabbeigaben legen das nicht nahe. Es fanden sich ebenso häufig ärmlich ausgestattete Gräber wie fundreiche. Und es kamen die Überreste von sowohl Kindern als auch Erwachsenen ans Licht – beiderlei Geschlechts. Roberto Risch vermutet, dass es einen alternativen Bestattungsritus gegeben hat – einen, der kaum Spuren hinterlässt, wie Brand- oder Luftbestattungen.

Dass eine wohlhabende Elite über die Städte herrschte, erkannten die Forscher jüngst durch weitere naturwissenschaftliche Forschungen – allerdings weniger deutlich als durch die Grabausstattungen. Zusammen mit Corina Knipper vom Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie Mannheim untersuchten sie verkohlte Getreidereste sowie dutzende Tier- und Menschenknochen aus La Bastida und der sehr viel kleineren, küstennahen Siedlung Gatas. Aus der Verteilung von bestimmten Kohlenstoff- und Stickstoffisotopen fanden sie heraus, dass sich an beiden Orten die Menschen – Männer wie Frauen – ähnlich ernährten. Sie aßen viele Gerichte aus Gerste, aber auch Weizen. Ebenso stand Fleisch auf dem Speiseplan. Nur die Knochen von drei reich bestatteten Angehörigen der El-Argar-Kultur verrieten, dass sie zu Lebzeiten offenbar mehr Fleisch und Milchprodukte zu sich nahmen als ihre Zeitgenossen.

Die Krone | Das Diadem aus Silber zierte einst das Haupt der Fürstin, die neben einem Mann unter der Thronhalle von La Almoloya bestattet lag. Die »Spitze« des Kopfschmucks zeigte vermutlich nach unten und deckte die Nase ab.

Aus den Knochen und Körnern rekonstruierten die Wissenschaftler auch die damalige Wirtschaftsweise. Die Menschen, so schreibt Knipper in ihrer Studie, bewässerten kaum ihre Felder, düngten sie aber mit Dung. Sie hielten Schweine, Rinder, Schafe und Ziegen, die sie mit Spreu und Getreide fütterten. Dann ab zirka 1750 v. Chr. verschlechterte sich die Ernährung der Menschen. Sie nahmen weniger Fleisch zu sich, die Äcker gaben womöglich weniger Erträge her. Begann der Niedergang der Kultur, der die Archäologen nach 1550 v. Chr. keine Funde mehr zuweisen können, auf Grund einer landwirtschaftlichen Krise? Aus der Analyse der menschlichen Knochen erhoffen sich die Forscher noch weitere Hinweise – vor allem auf die Herkunft der El-Argar-Kultur.

Der genetische Fingerabdruck der El Argar

Denn aus den Knochen könnte man genetische Profile gewinnen, erklärt der Anthropologe Kurt Alt von der Donau-Universität Krems. Es gibt nur ein Problem: Im Südwesten Spaniens ist es vor allem im Sommer sehr heiß. »Dort herrscht eine brutale Hitze«, sagt Alt. »Und das ist ungünstig für den Erhaltungszustand des genetischen Materials. Man muss die Knochen daher vor direkter Sonneneinstrahlung schützen.« Bei den Ausgrabungen in La Bastida schirmten die Archäologen die Skelette deshalb durch spezielle Planen von der Sonne ab.

Doch der Anthropologe entdeckte auch an den Knochen selbst Hinweise auf die Identität der toten Bronzezeit-Iberer. »Als ich die von den spanischen Kollegen ausgegrabenen Skelette im Labor nebeneinander liegen sah, wurde klar, dass diese Menschen einst größer waren als die sonstige Bevölkerung der damaligen Zeit auf der Iberischen Halbinsel«, sagt Alt. Eine eindeutige Erklärung dafür gibt es noch nicht. »Das Klima kann Einwirkungen auf den Körperbau haben«, erklärt Alt. Ebenso gut könne auch eine durchgängig gute Ernährung die überdurchschnittliche Körpergröße von La Bastida hervorgebracht haben. »Diese Zusammenhänge untersuchen wir gerade«, so Alt.

Veredelt | Das Tongefäß, vermutlich ein Trinkbecher, wurde mit Silberblech dekoriert. Er fand sich im Fürstengrab von La Almoloya.

Was die Gene verraten

Es wäre denkbar, dass Einwanderer eine Rolle bei der Entstehung der El-Argar-Kultur gespielt haben. Ob diese Menschen aus dem östlichen Mittelmeerraum kamen, ist aber noch ungewiss. Ebenso könnten sie Nachfahren von Menschen aus der Region um das Schwarze Meer sein, dem heutigen Südrussland und der Ukraine. Diese sind für Archäogenetiker inzwischen alte Bekannte: Forscher vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena, an der Universität Kopenhagen und am Institut für Anthropologie in Mainz haben in Großstudien mit zahlreichen menschlichen Knochen nachgewiesen, dass sich zu Beginn des 3. Jahrtausends eine Migrationswelle aus dem südlichen Osteuropa in Richtung West- und Mitteleuropa in Bewegung setzte. Die Einwanderer sind in Mitteleuropa archäologisch als Schnurkeramiker und als die späteren Glockenbecherleute bekannt. Um 2400 v. Chr. tauchte deren Genmaterial auf den Britischen Inseln und in Nordspanien auf. 200 Jahre später entstand die El-Argar-Kultur.

Eine eindeutige genetische Spur zu den El-Argar-Leuten ist allerdings noch nicht aufgetaucht. Doch die zeitliche und räumliche Nähe macht einen Zusammenhang zwischen El Argar und der Völkerwanderung aus der Schwarzmeerregion zumindest möglich, vermuten die Forscher.

Als der Untergang kam

Etwa 600 Jahre lang ließen es sich die Menschen im Südosten Spaniens gut gehen. Dann begann um 1650 v. Chr. der Niedergang. In der letzten Phase der El-Argar-Kultur gab es nach Ausweis der Funde eine sehr wohlhabende herrschende Schicht – und vermutlich eine sehr arme Bevölkerung. Aus dieser Zeit sind ungewöhnlich viele Kindergräber überliefert. Die Gebeine zeigen Spuren von Mangelernährung. »Verschlechtern sich die Lebensumstände, trifft es Kinder meist zuerst«, erklärt Roberto Risch. Der Archäologe nimmt an, dass extensive Landwirtschaft die Böden ausgelaugt hat. Die Ernten fielen zunehmend schlechter aus. Das Land war erschöpft. Die Bronzezeitler wussten sich nicht anders zu helfen, als Wälder zu roden. Mit dem frisch gewonnen Boden konnten sie einige Jahrzehnte weitermachen. Durch die Rodungen fielen aber die Feuchtigkeit spendenden Waldgebiete weg. Trockenheit und Erosion waren die Folge. El Argar taumelte in eine ökologische und soziale Krise. Das System brach zusammen.

Um etwa 1550 v. Chr. loderten an vielen Orten der einst prächtigen Kultur Brände. Die Spuren sind noch heute im archäologischen Befund zu sehen. »Siedlungen wie Gatas in Almería brannten«, sagt Roberto Risch. »Andere wie La Bastida wurden aufgegeben.« Spuren eines gewaltsamen Niedergangs fehlen dort. Was genau geschehen war, wissen die Forscher nicht. Nur so viel: »Wir stehen vor dem Kollaps einer hoch entwickelten Kultur«, sagt Roberto Risch.

Um die Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. war die El-Argar-Kultur verschwunden. Es ist gut möglich, dass die Menschen weiterhin in der Region lebten und vor allem Viehzucht statt Ackerbau betrieben. Dafür wären die Böden des Umlands noch zu gebrauchen gewesen. Weidewirtschaft hinterlässt aber kaum Spuren im archäologischen Befund. Vielleicht deshalb bleiben die Nachkommen der El-Argar-Kultur für die heutige Forschung unsichtbar.

Als im 9. Jahrhundert v. Chr. Phönizier in der westlichen Mittelmeerregion auftauchten, berichten sie von einem Reich Tartessos bei Gibraltar. Über die Höhensiedlungen der El-Argar-Kultur gibt es bei den Kauffahrern aus dem Osten jedoch keine Nachrichten. Die Spuren des einstigen Machtzentrums im Südosten Spaniens waren verweht. »Bis heute ist die El-Argar-Gesellschaft die letzte große unbekannte ›Hochkultur‹ der Bronzezeit«, sagt Roberto Risch.

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