Direkt zum Inhalt

News: Wesentliche Probeteile für WENDELSTEIN 7-X fertiggestellt

Zwei wesentliche Industrieaufträge zur Vorbereitung des Fusionsexperiments WENDELSTEIN 7-X, das später im Teilinstitut Greifswald des Max-Planck- Institut für Plasmaphysik (IPP) betrieben wird, wurden jetzt erfolgreich abgeschlossen. Hergestellt wurden der Prototyp einer supraleitenden Magnetspule und ein Teststück des wärmeisolierenden Spulengefäßes, des Kryostaten. Damit ist die großtechnische Machbarkeit der beiden wichtigsten Bauelemente des Experimentes nachgewiesen. Die nun beginnenden umfangreichen Tests an diesen Probestücken bereiten Ausschreibung und Bau der eigentlichen Bauteile vor. Die Forschungsanlage WENDELSTEIN 7-X soll die Kraftwerks-eignung von Fusionsanlagen des Typs 'Stellarator' zeigen.
Ziel der Fusionsforschung ist es, die Energieproduktion der Sonne auf der Erde nachzuvollziehen und aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie zu gewinnen. Brennstoff ist ein dünnes ionisiertes Wasserstoff-Gas, ein "Plasma". Zum Zünden des Fusionsfeuers muß das Plasma in Magnetfeldern eingeschlossen und auf Temperaturen über 100 Millionen Grad aufgeheizt werden. Künftige Fusionskraftwerke werden den Magnetfeldkäfig mit Hilfe von supraleitenden Magnetspulen erzeugen, weil normalleitende Kupferspulen zu viel Energie verbrauchen. Dies betrifft auch stationär – d.h. mit Pulsdauern länger als einige Sekunden – arbeitende große Fusionsexperimente wie WENDELSTEIN 7-X.

Supraleitende Probespule: Baustein für den Plasmakäfig

Das Spulensystem aus 50 nicht-ebenen, supraleitenden Einzelspulen ist das Kernstück von WENDELSTEIN 7-X. Mit ihrer speziellen Formgebung sollen sie ein verbessertes Magnetfeld erzeugen, das einen besonders stabilen und wärmeisolierenden Plasmaeinschluß verspricht. Mit Hilfe von flüssigem Helium auf Supraleitungstemperatur nahe dem absoluten Nullpunkt abgekühlt, verbrauchen diese Spulen nach dem Einschalten keine Energie mehr. Der Strom von 16 Kiloampere fließt nahezu verlustlos. Lediglich die geringe Energie zum Kühlen der Spulen ist aufzubringen. So können sie die wesentliche Stellaratoreigenschaft zeigen, die Fähigkeit zum Dauerbetrieb.

Zur Vorbereitung der gesamten Spulenherstellung hat das IPP zunächst eine Einzelspule in Originalgröße in Auftrag gegeben. Mit der anspruchsvollen Aufgabe, das industrielle Herstellungsverfahren für die Spulen zu entwickeln und eine Prototyp-Spule anzufertigen, wurde die Firma Noell in Würzburg beauftragt: Eine Herausforderung liegt in der geforderten hohen Genauigkeit bei der Herstellung. Die einzelnen Spulen dürfen nur um wenige Millimeter von ihrer Sollform abweichen, um das berechnete Magnetfeld – die Voraussetzung für guten Plasmaeinschluß – exakt zu erzeugen.

Als Spulenleiter wurden supraleitende Standard-Drähte gewählt: dünne Fasern aus Niob-Titan, einer technisch gut erprobten supraleitenden Legierung, eingebettet in Kupferdrähte. Etwa 200 dieser Einzel-drähte werden zu einem Seil gewunden und von einer verstärkenden Aluminium-hülle umschlossen. In dem Hohlraum zwischen den Einzeldrähten des Seils und der Hülle fließt als Kühlmittel flüssiges Helium. Dieses Konzept eines innengekühlten Supraleiters wurde im IPP schrittweise entwickelt und verbessert. Dabei wurde die Legierung der Hülle so gewählt, daß der Leiter beim Aufwickeln der Spule biegbar ist und einfach in die kurvenreichen Spulenformen eingelegt werden kann. Damit er später den großen Kräften beim Betrieb der Maschine standhält, wird der Leiter anschließend durch Erhitzen ausgehärtet. 1200 Meter Leiter – hergestellt von der italienischen Firma Europa Metalli-LMI in Florenz – wurden für die Probe-Spule produziert, 60 Kilometer werden für alle WENDELSTEIN-Spulen zusammen benötigt.

Die Wicklung der Probespule hatte ein Unterauftragnehmer übernommen, die italienische Firma Ansaldo in Genua. Die einzelnen Leiterlagen, die zur elektrischen Isolation mit Glasfaserbandagen umwickelt werden, müssen sehr präzise in ihre Wickelform gepreßt werden. Zur Versteifung wird das fertige Wickelpaket anschließend mit Epoxidharz imprägniert. Zusätzliche Verstärkung gibt ein Stahlgehäuse – bei der Firma Thyssen Guss AG/ Ennepetal hergestellte Gußteile – worin das Wickelpaket eingeschweißt wird. Die jetzt fertiggestellte Probespule hat für Wicklung und Gehäuseschalen eine Maßgenauigkeit von einem Promille erreicht. Sie wurde inzwischen an das Forschungszentrum Karlsruhe geliefert, das die Spulenentwicklung beratend begleitet hat. In der Versuchseinrichtung TOSKA wird das Probestück nun getestet. Es wird dem starken Feld einer großen Magnetspule ausgesetzt, um die in WENDELSTEIN 7-X auftretenden elektromechanischen Belastungen zu simulieren.

Kühlbox für die Spulen: Der Test-Kryostat

Ebenfalls fertiggestellt und in das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik nach Garching ausgeliefert ist ein Prototyp-Teilstück des Kryostaten, das wärmeisolierende Gefäß sowohl für die tiefkalten Magnetspulen als auch für das heiße Fusionsplasma. Auch hier macht die hohe Maßhaltigkeit bei komplexer Form die Herstellung zu einer anspruchsvollen Aufgabe.

Der Kryostat soll die tiefkalten Spulen gegenüber allen übrigen Bauteilen der Anlage isolieren. Um Wärmeleitung und Konvektion zu verhindern, wird er auf Vakuum abgepumpt. Zusätzlich schirmen wärmereflektierende Folien und ein auf etwa 80 Kelvin abgekühltes Kupferblech vor den Innenseiten der Wände die Spulen ab. Das innerhalb der Spulen liegende Plasmagefäß bildet die innere Wand des Kryostaten. Es ist in seiner Form dem verwundenen, schlauchförmigen Plasma angepaßt. Durch seine mehr als 250 Öffnungen kann später das Plasma beobachtet und geheizt werden. Ebensoviele Stutzen, die gut wärmeisoliert zwischen den Spulen hindurchgeführt werden, verbinden diese Öffnungen mit der Außenwand des Kryostaten. Eine Kühlmaschine stellt später rund 4000 Watt Heliumkälte bereit, um die Magnete und ihre Abstützung, d.h. insgesamt 350 Tonnen Material, auf Supraleitungstemperatur von 4 Kelvin zu kühlen.

Die großen Temperaturunterschiede sowie die Anordnung aller Teile auf engem Raum stellen hohe Anforderungen an die Konstruktion und die Herstellung des Bauteiles. Um die Machbarkeit des Kryostaten zu prüfen, wurde daher im IPP ein Test-Kryostat entworfen und zur Fertigung an die Firma Balcke-Dürr in Ratingen vergeben. Das Teststück entspricht einem kompletten Achtel des ringförmigen Aufbaus von WENDELSTEIN 7-X im Maßstab 1:1. Er enthält bereits die entsprechenden Abschnitte des Plasmagefäßes und des Außengefäßes, die meisten Gefäßstutzen, die Kühlkreise sowie die thermische und elektrische Isolation in Originalausführung. Die Spulen und ihre Abstützung sind dagegen als leichte Modelle ausgeführt, die aber geometrisch den Originalen entsprechen. Das Teststück ist mittlerweile im IPP in Garching aufgestellt, wo nun die Kühlung mit flüssigem Helium und die Qualität der Wärmeisolation erprobt werden soll.

Mit der Auslieferung von Probe-Spule und Test-Kryostat sind die wesentlichen technischen Entwicklungsschritte für WENDELSTEIN 7-X abgeschlossen. Laut Terminplan, der durch den Bau der supraleitenden Magnetspulen bestimmt wird, soll das Experiment im Jahr 2005 mit dem Betrieb beginnen.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.