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Wetterkapriolen im November: Nach der Rekordwärme kommt der Schnee

Ungewöhnlich spät im Jahr erfasst eine Wärmewelle das halbe Land. Teils werden 20 Grad Celsius erreicht. Doch zu Wochenbeginn droht ein Wettersturz, der erste Schneeflocken bringt.
Ein Mann mit Sonnenbrille, gelbem T-Shirt, blauen Shorts und Sandalen steht in einem verschneiten Wald. Er hält einen blauen Koffer mit zwei roten Streifen am Rand. Die Bäume sind kahl, und die Sonne scheint durch die Äste. Der Kontrast zwischen der Sommerkleidung und der winterlichen Umgebung ist auffällig.
So ähnlich könnten es den in Süddeutschland lebenden Menschen in diesen Tagen gehen: Gerade noch im T-Shirt draußen gesessen, fallen schon bald die ersten Schneeflocken.

Der November 2025 schickt einen letzten Sommergruß. Zur Mitte des Monats weht sehr warme Mittelmeerluft nach Deutschland. Bis auf die bewölkte Nordhälfte ist es im ganzen Land noch einmal richtig sonnig und angenehm warm. Im Süden und in der Mitte herrscht sogar T-Shirt-Wetter, selbst in den Nebelgebieten an Donau, Rhein und Main wird es für einige Tage hell und klar. Nach diesem kurzen Wärme-Intermezzo jedoch droht ein Wettersturz: Das mediterrane Flair wird von kälteren Luftmassen verdrängt, die vom Nordpol hereinströmen.

Als Martini-Sommer bezeichnete man früher das letzte Aufbäumen der warmen Jahreszeit, bevor das Land für längere Zeit in die trübe, unbarmherzige und eisige Realität namens Winter eintaucht. Der Name hat jedoch nichts mit Cocktails zu tun, die man in der goldenen Herbstsonne genießen kann; die späte Wärmeperiode wurde nach dem heiligen Martin von Tours benannt, besser bekannt als Sankt Martin. Der Legende nach soll es nach dem unerwarteten Tod des berühmten Bischofs plötzlich so warm geworden sein, dass Ufer und Bäume an der Loire neu ergrünten.

Ob auch in diesem Jahr die Vegetation noch einmal in Gang kommt, ist unklar. Die Wärmeperiode, die derzeit das halbe Land erfasst hat, ist allerdings mindestens genauso ausgeprägt wie im Jahr 397, dem Todesjahr von Sankt Martin. Am heutigen Donnerstag könnte es in Süddeutschland bis zu 23 Grad warm werden; das kommt in der zweiten Novemberhälfte nur sehr selten vor. Die meisten Wärmerekorde für den elften Monat stammen aus den ersten Tagen, in denen Temperaturen von mehr als 20 Grad weniger selten sind.

Ein warmer Föhn bläst im Süden Deutschlands

Als »ungewöhnlich« beschreibt auch Oliver Reuter die aktuelle Wetterlage: Aus südwestlicher Richtung ströme von Nordafrika her sehr warme und trockene Luft über die Alpen nach Mitteleuropa, sagt der Meteorologe vom Deutschen Wetterdienst, Saharastaub inklusive. Verbreitet klettern die Temperaturen in Süddeutschland auf 20 Grad Celsius, in manchen Tälern am Alpenrand sind 21 oder sogar 22 Grad, im Markgräflerland im äußersten Südwesten sogar 23 Grad drin. Am wärmsten wird es dort, wo der Föhn durchbricht. Prädestiniert für die höchsten Werte sind bei dieser Anströmung die Täler am Nordostrand der Berge. Schon in der Nacht zu Donnerstag, 13. November, gab es am Schwarzwaldrand extreme Nachtwerte: In Kappelrodeck im Ortenaukreis wurde eine Temperatur von 21 Grad Celsius gemessen.

»Die Werte sind am oberen Ende für diese Jahreszeit«, sagt Reuter. »Steigt die Temperatur in einer Höhe von 1500 Metern auf bis zu 16 Grad, liegt sie fast 15 Grad über den Normalwerten für Mitte November.« Die Folge: In den Bergen sind neue Rekorde für die zweite Novemberdekade möglich. Die Wetterlage ist auch insofern ungewöhnlich, als dass sie schon den zweiten heftigen Wärmeschub in diesem Monat auslöst. Bereits Anfang November wehte extrem trockene und warme Luft über die Alpen und brachte der Zugspitze mit 10,5 Grad einen neuen Rekord ein. Dass dieser Spitzenwert nun nochmals getoppt wird, ist allerdings unwahrscheinlich. Die Luft ist etwas feuchter als vor einer Woche.

Der 14. November wird dann trüber und der vorläufig letzte warme Tag des Jahres sein. Von Süden mischt sich immer mehr Saharastaub in die Atmosphäre, sodass sich dünne Wolkenschleier ausbilden können. In den windabgewandten Tälern Südwestdeutschlands sind erneut 22 Grad Celsius möglich. Im hohen Norden allerdings bildet sich entlang einer Luftmassengrenze Regen; verbreitet kommen 20 bis 40 Liter Niederschlag pro Quadratmeter zusammen. Am Samstag, 15. November, bricht der leichte Föhn im Süden dann zusammen und von Norden drückt eine Kaltfront die warme Subtropenluft an die Alpen.

Vor allem in den mittleren und hohen Lagen kann es winterlich werden. Für Schnee bis in die Ebene wird es aber wohl noch nicht reichen.

Ausgerechnet zum Wochenende werde das schöne und warme Wetter dann größtenteils verschwinden, sagt Oliver Reuter vom Deutschen Wetterdienst. Stück für Stück kühle es von Norden her ab, zur neuen Woche dürfte die Kälte dann das ganze Land überzogen haben. In den Mittelgebirgen Süddeutschlands, in denen wenige Tage zuvor noch 20 Grad gemessen wurden, fallen dann womöglich die ersten Schneeflocken – jedoch noch vereinzelt und nicht in großer Menge.

Das könnte sich jedoch zeitnah ändern. Ein Höhentrog breitet sich über Mitteleuropa aus und flutet das ganze Land mit feuchter Kaltluft, die in der Höhe sogar einige Grad kälter sein könnte als im langjährigen Durchschnitt. Die Folge: »Eine starke Nord- bis Nordwestlage stellt sich ein«, sagt Reuter. Vor allem in den mittleren und hohen Lagen könne es winterlich werden. Für Schnee bis in die Ebene werde es aber wohl noch nicht reichen, sagt Janek Zimmer von »kachelmannwetter.com«. Dafür seien die Temperaturen insgesamt noch zu hoch, denn die kalte Polarluft fließe über die noch vergleichsweise warme Nordsee. 12 bis 13 Grad Celsius sei das Wasser derzeit warm, sagt Zimmer. Nur mit einem Randtief, das kalte Festlandluft anzapft, wäre eine kurze Winterepisode denkbar, sagt er. Ein solches Randtief brachte genau vor einem Jahr dem Süden einige Zentimeter Schnee. 

Das Land rauscht von einem Wetterextrem ins nächste

Das Spannende an der bevorstehenden Wetterlage ist aber nicht der einigermaßen frühe Wintereinbruch, was für Ende November gar nicht ungewöhnlich wäre, sondern es sind die großräumigen Vorgänge in der Nordhemisphäre. Von Grönland bis zum Nordatlantik dominiert hoher Luftdruck, die Westwinde sind blockiert. Nasses und stürmisches Novemberwetter kann sich daher nicht einstellen. Das Atlantiktief, das im Spätjahr meist besonders stark ausgeprägt ist, ist verschwunden. Die Winde wehen stattdessen entweder direkt aus Süden nach Europa oder eben aus Norden. Meteorologen sprechen von einer meridionalen Wetterlage, weil die Strömung entlang der Meridiane, das heißt in Längsrichtung, verläuft. Die Folge: ein chaotisches Auf und Ab des Wetters. Deutschland rauscht von einem Extrem ins nächste. Die übliche Strömung auf der Nordhalbkugel ist völlig auf den Kopf gestellt.

Ein Omen für den Frühwinter? Vorerst sieht alles danach aus. Denn eigentlich kommt jetzt im Spätherbst der rotierende Polarwirbel über der Arktis erst richtig in Fahrt. Meteorologisch korrekt handelt es sich um ein gewaltiges Tiefdruckgebiet, das in der Stratosphäre um den Nordpol kreist. Er dreht sich gegen den Uhrzeigersinn, schaufelt die Luft also mit der Erddrehung von West nach Ost. Ist er schön ausgebildet, ist der Polarwirbel eine Art gigantischer Kreisel über der Nordhalbkugel. Je schneller er weht, desto stürmischer wird es – und wenig winterlich.

In diesem Jahr allerdings hat der Kreisel kaum Schwung, seit Tagen eiert er über der Nordhalbkugel herum. Über Nordamerika erwärmten sich plötzlich die höheren Luftschichten stark, was den Polarwirbel verformte und nach Osten ablenkte. Das passiert im Winterhalbjahr zwar häufiger, so früh im Jahr tritt das Phänomen aber selten auf. »Das Canadian Warming hat dem Polarwirbel stark zugesetzt«, sagt Karsten Haustein, Klimatologe an der Universität Leipzig. In der Folge stabilisiere sich dadurch der bereits vorhandene Grönland-Block – die gestörte Zirkulation bleibe bestehen. Derzeit sehe es sogar danach aus, als ob der Polarwirbel kurzzeitig zerreißen könnte. In diesem Fall würden die Westwinde völlig zusammenbrechen, das Tor zum Winter ginge auf. Wie auch immer es kommt: Die Wahrscheinlichkeit für frühe Kaltlufteinbrüche über Europa ist derzeit erhöht. In Skandinavien rückt der Winter an diesem Wochenende mit Macht an. Ob der frühe Wintereinbruch auch bis in den Dezember anhält, lässt sich derzeit allerdings bisher nicht sagen.

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