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Musks Mondmission: Wettlauf zum Weißen Haus

Zum Mond und zwar so schnell wie möglich. In der US-Raumfahrt gilt plötzlich fast alles als machbar. Können wir uns schon 2018 auf eine neue Mondmission freuen?
Künstlerische Darstellung vom Start der Falcon Heavy mit Dragon-Kapsel

44 Jahre, zwei Monate und 26 Tage sind vergangen, seit zuletzt ein Mensch um den Mond gekreist ist. Kein Astronaut hat sich nach Apollo 17 weiter als einige hundert Kilometer vom Erdboden entfernt – und es hat kaum jemanden gestört.

Doch auf einmal soll alles ganz schnell gehen: Elon Musk, Multimilliardär und Chef des Raumfahrtunternehmens SpaceX, hat angekündigt, bereits im kommenden Jahr zwei Weltraumtouristen auf den Weg zum Mond zu schicken. Zwar ist keine Landung geplant und auch keine Umlaufbahn um den Erdtrabanten, dennoch verspricht es eine Urlaubsreise mit einem ganz besonderen Ausblick zu werden.

Noch ist unklar, ob Musk das schafft – vor allem in der kurzen Zeit. Zu groß sind die technischen und organisatorischen Herausforderungen.

Darum geht es allerdings auch nicht: Technikfragen sind zweitrangig. Der Flug zum Mond – egal ob sinnvoll oder nicht, egal ob machbar oder nicht – ist längst zum Politikum geworden. Es ist ein Kräftemessen zwischen SpaceX, dem Weißen Haus und der US-Weltraumbehörde NASA. Es ist ein Buhlen um Aufmerksamkeit und Zuneigung von US-Präsident Donald Trump, bei dem jedes Mittel recht zu sein scheint. Wer es gewinnt, dem stehen in der neuen, kommerziellen Raumfahrt alle Wege offen – ganz egal, ob nach mehr als 44 Jahren tatsächlich wieder einmal zwei Menschen um den Mond kurven oder nicht.

Auf dem Papier schaut das gar nicht mal so schwierig aus. Raumkapseln haben die angenehme Eigenschaft, dass sich ihr Kurs sehr gut berechnen lässt. Einmal in Bewegung gesetzt, behalten sie ihre Richtung bei und folgen nur den Anziehungskräften der Himmelskörper, in deren Einflussbereich sie sich bewegen. Es gibt keine unberechenbaren Winde, es braucht keinen Piloten am Steuerknüppel, der fortwährend den Kurs korrigiert.

Für das Raumschiff ist – theoretisch – nicht einmal ein eigener Antrieb nötig. Sobald es von seiner Rakete auf eine so genannte freie Rückkehrbahn bugsiert worden ist, nimmt es Kurs auf den Erdtrabanten, umrundet diesen einmal und wird anschließend von der Schwerkraft der Erde und des Monds wieder auf die Heimreise geschickt. Ganz automatisch – zumindest so lange, wie nichts schiefgeht.

Lunare Touristenrundfahrt

Und genau hier liegt das Problem: Auch die Astronauten von Apollo 13, dem dritten Versuch einer Mondlandung, nutzten die Segnungen einer freien Rückkehrbahn, als ein Sauerstofftank explodierte und die Mission in Gefahr brachte. Doch nur weil die Astronauten ruhig blieben, improvisierten und gemeinsam mit der Bodenkontrolle die Lebenserhaltungssysteme anpassten, kamen sie wohlbehalten zurück zur Erde. Einen großen Teil des Trainings professioneller Astronauten macht genau dieser Umgang mit Notfällen, mit extremen Situationen aus. Zwar verspricht Musk, dass seine zahlenden Touristen, deren Namen er nicht nennen will, gut ausgebildet werden. Ob sie sich im Notfall selbst retten können, wenn wichtige Systeme ausfallen oder keine Kommunikation mit der Erde mehr möglich ist, darf dennoch bezweifelt werden.

An Bord von Apollo 13 | Die Astronauten tauschen Lithiumfilter aus, mit denen sie die Atemluft von Kohlendioxid reinigten. Dass die Mission so glimpflich endete, ist wohl auch der Tatsache geschuldet, dass alle an Bord die Nerven behielten.

Musk hat aber noch ganz andere Probleme. Sein Raumschiff, eigentlich dafür gedacht, im Auftrag der NASA Astronauten zur Internationalen Raumstation ISS zu transportieren, ist noch nie geflogen. Verläuft alles nach Plan – was im Raumfahrtgeschäft selten vorkommt –, dann wird Dragon 2, so der Name der Kapsel, im November zu ihrem unbemannten Jungfernflug starten. Im Mai 2018 ist dann der erste Flug mit Menschen geplant. Nur wenn auch er anstandslos klappt, gibt es von der NASA die Lizenz zum Transport von Astronauten.

Noch schlechter steht es um die Rakete für den Mondflug. Die Falcon Heavy, das leistungsfähigste Vehikel seit der US-Mondrakete Saturn V, sollte ursprünglich 2013 starten. Nun plant SpaceX einen Erstflug in diesem Sommer. Elon Musk rechnet mit keinen bösen Überraschungen: Die neue Rakete sei lediglich eine aufgemotzte Variante des SpaceX-Arbeitspferds Falcon 9, bei der nun 27 statt zuvor neun Triebwerke den nötigen Schub produzieren.

Jedes neue Triebwerk erzeugt allerdings zusätzliche Vibrationen, die sich nur schwer simulieren lassen. Schwingen sie nahe der so genannten Resonanzfrequenz der Rakete, kann das äußerst unangenehm enden. Die Saturn V hüpfte bei ihren frühen Flügen wegen aufgeschaukelter Vibrationen wie ein Pogo-Stick durch die Luft. Teile der Rakete gingen kaputt, die geplante Flugbahn wurde nicht erreicht.

Heikler Start für die Falcon Heavy

Zudem ist die Falcon Heavy noch weiter von der offiziellen Zulassung für bemannte Flüge entfernt als die Dragon-Kapsel. Bereits die bewährte Falcon 9 macht Sorgen: Im September ist eine der Raketen während des Tankvorgangs auf der Startrampe explodiert. Bei einer echten Mission wären zu diesem Zeitpunkt Astronauten an Bord gewesen. Der NASA gefällt dieses ungewöhnlich frühe Einsteigen gar nicht. SpaceX hingegen will an ihm festhalten, weil dadurch kaum Treibstoff – und somit keine Leistung – während des Wartens auf die Crew vergeudet wird. Auch ein seltsam positionierter Heliumbehälter inmitten des eiskalten Sauerstofftanks, vermutlich Auslöser des Unglücks vom September, missfällt den NASA-Prüfern. Weitere Verzögerungen sind möglich.

Sie wären nichts Neues. Jason Davis von der US-Lobbygruppe Planetary Society hat ausgerechnet, dass bei SpaceX im Schnitt 2,1 Jahre zwischen angekündigten und eingehaltenen Terminen liegen. Das ist nicht viel mehr, aber auch nicht viel weniger als bei anderen Raumfahrtunternehmen.

Eines hat Musk mit seiner Ankündigung eines Touristenflugs Ende 2018 allerdings jetzt schon erreicht: Er hat die NASA unter Druck gesetzt. Die US-Weltraumbehörde arbeitet ebenfalls an einem Programm, um die selbst auferlegte Beschränkung auf den Erdorbit bei bemannten Flügen zu lockern. Dazu gehören eine neue Rakete, das Space Launch System (SLS), und ein neues Raumschiff namens Orion. Expräsident Barack Obama wollte damit eines Tages zum Mars aufbrechen. Unter Trump, der noch immer keinen neuen NASA-Chef berufen hat, scheint das Pendel wieder in Richtung des leichter erreichbaren Monds zu schwingen. Trump, so heißt es, wolle einen schnellen, schlagzeilenträchtigen Erfolg in der Raumfahrt – auf jeden Fall noch während seiner ersten Amtszeit.

Den sollen offenbar SLS und Orion liefern. Eigentlich hatte die NASA geplant, die beiden Neuentwicklungen Ende 2018 zunächst unbemannt ins All zu schicken. Auf Wunsch des Weißen Hauses werde nun geprüft, ob beim Jungfernflug bereits Astronauten an Bord gehen könnten, ließ die NASA Mitte Februar verlauten. Das wird die Mission allerdings ins Jahr 2019 verschieben, oder noch weiter in die Zukunft.

Genau diesen Plan greift Musk frontal an – verpackt in Freundlichkeiten: Die NASA, die nach Berechnungen der "Huffington Post" gemeinsam mit dem Pentagon bislang 6,5 Milliarden Dollar in SpaceX gesteckt hat, habe stets Priorität, sagte er bei seiner Ankündigung. Wenn sie wolle, könne sie aus dem SpaceX-Mondflug eine NASA-Mission machen.

Ein vergiftetes Angebot an die NASA

Es ist ein vergiftetes Angebot. Sollte die NASA darauf eingehen, wäre es das Eingeständnis, mit SLS und Orion gescheitert zu sein. Allein Musks Ankündigung hat schon viele kritische Fragen provoziert: Warum wird die Entwicklung von SLS voraussichtlich 23 Milliarden Dollar kosten, warum werden bis Anfang des kommenden Jahrzehnts 17 Milliarden Dollar in den Bau von Orion fließen, wenn ein Privatmann all das angeblich zu einem Bruchteil des Preises machen kann? Und obendrein noch schneller ist?

Im Branchendienst "The Space Review" fordern NASA-Kritiker wie der pensionierte Raumfahrtingenieur Gerald Black bereits das Ende von SLS und Orion – zu Gunsten einer Kooperation mit SpaceX. Die Orion-Kritiker unterschlagen dabei allerdings, dass Dragon kein Antriebs- und Versorgungsmodul besitzt. Das wird benötigt, wenn eine Kapsel irgendwann wieder in eine Umlaufbahn um den Mond einschwenken soll – zum Beispiel, um dort eine neue Raumstation zu versorgen. Bei Orion wird dieses Modul zudem von den Europäern gebaut, als Teil eines komplexen Kuhhandels zur Finanzierung des europäischen Anteils an der ISS. Im Fall eines Ausstiegs der Amerikaner droht Ärger.

Die Antwort der NASA auf Musks Vorschlag fällt daher kühl aus: Man werde, heißt es bei der Raumfahrtagentur, eng mit SpaceX zusammenarbeiten, so dass die Firma ihren vertraglichen Verpflichtungen zum Transport amerikanischer Astronauten auf die ISS nachkommen könne. Aufgabe der Agentur aber bleibe es, die nächste Generation von Raketen und Raumschiffen für Flüge in die Tiefen des Alls zu entwickeln.

Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen, zumal Musk nicht davor zurückschreckt, die Nähe von Präsident Trump zu suchen. Während die meisten Firmenchefs aus dem Silicon Valley – insbesondere nach Trumps Einreisestopp – auf Distanz zum Twitterpräsidenten gegangen sind, sitzt Musk, einst selbst Immigrant, in zwei Beratergremien. Für die NASA, deren Hauptquartier nur eineinhalb Meilen vom Weißen Haus entfernt ist, die derzeit aber keinen Draht zu Trump hat, ist das keine gute Nachricht.

Wer kann liefern?

Elon Musk übt jedoch nicht nur Druck aus, er steht inzwischen selbst unter Druck. Lange Jahre war SpaceX der Platzhirsch in der privaten Raumfahrt, nun kommt Konkurrenz auf. Insbesondere Blue Origin, die Firma von Amazon-Chef Jeff Bezos, hat zuletzt aufmerken lassen – mit erfolgreichen Flügen an die Grenze des Alls und ambitionierten Plänen für neue Raketen. Auch beim Mond will Blue Origin mitmischen. Nur vier Tage nach Musks Ankündigung hat Bezos, ein glühender Logistikfan, dem Weißen Haus angeboten, eine Art Lieferservice zum Mond zu starten – für all die Dinge, die Raumfahrer benötigen, wenn sie sich künftig wieder öfter dort aufhalten werden.

Auch Bezos fehlen dafür noch die Raketen und die Raumschiffe. Zudem steht der Milliardär vor einem schier unlösbaren Problem: Trump ist nicht gut auf ihn zu sprechen. Er wirft dem Amazon-Chef vor, sein Onlineshop-Imperium durch Tricks den amerikanischen Steuerbehörden zu entziehen; zudem gehört Bezos die verhasste "Washington Post".

Die Ablehnung beruht auf Gegenseitigkeit: Während des Wahlkampfs hat ein verärgerter Bezos auf Twitter angeboten, Trump ins All zu schießen. Es klang weder selbstlos noch freundlich. Für einen Wettlauf zum Mond, der zunehmend zum politischen Ränkespiel wird, ist das nicht die beste Startposition.

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