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Weyl-Fermionen: Quasiteilchen nach 85 Jahren endlich entdeckt

Der deutsche Physiker Hermann Weyl hat sie bereits 1929 vorhergesagt. Doch erst nach 85 Jahren wurden die Weyl-Fermionen auch experimentell gemessen.
Teilchenphysik

85 Jahre lang waren sie nur Theorie – nun sind so genannte Weyl-Fermionen auch experimentell nachgewiesen worden: an der Princeton University. Benannt nach dem deutschen Physiker Hermann Weyl, der sie im Jahr 1929 vorhergesagt hatte, sind diese Teilchen ebenso schwer zu fassen wie zu begreifen. Bei den nun entdeckten Weyl-Fermionen handelt es sich um Quasiteilchen, sie können also nur innerhalb eines geeigneten Materials existieren. Zudem haben sie keine Masse und sind sehr beweglich. Das wiederum macht sie interessant für mögliche Anwendungen in der Elektronik, da sie Information reibungslos übertragen könnten.

Mathematisch beschrieben werden Weyl-Fermionen durch eine besondere Lösung der Dirac-Gleichung. Seine Gleichung hatte Paul Dirac im Jahr 1928 aufgestellt; primär, um damit das Elektron zu beschreiben. Daher war Dirac von Teilchen mit einer Masse ausgegangen. Weyl dagegen kam beim Betrachten von Diracs Algebra ein Jahr später auf eine simplere Lösung der Gleichung – für den Fall, dass die Teilchenmasse null sei. Somit waren die Weyl-Fermionen theoretisch beschrieben.

Nachdem im Jahr 1930 Pauli das Neutrino vorhersagte (in einem Brief mit der erinnernswerten Anrede: "Liebe radioaktive Damen und Herren!"), wurden eine Weile Neutrinos für Weyl-Fermionen gehalten – schließlich sollten beide masselos sein. Als sich später jedoch herausstellte, dass Neutrinos eine geringe, aber nicht verschwindende Masse haben, musste diese Idee gänzlich begraben werden.

Im Jahr 2014 wurden dann die 1937 vorhergesagten Majorana-Fermionen experimentell nachgewiesen. Diese hatte der Namensgeber Ettore Majorana als eine weitere Lösung der Dirac-Gleichung theoretisch beschrieben. Majorana-Fermionen sind ähnlich schwer zu fassende Quasiteilchen, die im Gegensatz zu Weyl-Fermionen jedoch massebehaftet sind und deren Besonderheit daran liegt, dass sie ihre eigenen Antiteilchen sind. Die Möglichkeit, dass Neutrinos Majorana-Fermionen sind, ist noch nicht ausgeschlossen.

Weyl-Fermion | Das experimentelle Bild (oben) zeigt die Existenz eines Weyl-Fermions in einem Tantal-Arsenid-Kristall. Die Plus- und Minussymbole zeigen die Richtung des Teilchenspins an. Grün eingefärbt sind die so genannten Fermibögen, die aus der Materialoberfläche herausragen. Das Schaubild (unten) zeigt, wie sich Weyl-Fermionen im Material wie magnetische Monopole und Antimonopole verhalten, die sich unabhängig voneinander bewegen können.

Nun hat eine Forscherkollaboration aus den USA, China, Taiwan und Singapur ein Weyl-Fermion gefunden, so berichten die Wissenschaftler im Fachblatt "Science". Der Nachweis ist an einem Rastertunnel-Spektromikroskop an der Princeton University gelungen. In diesem zwei Stockwerke hohen Supermikroskop, das von der Decke hängt, um Schwingungen selbst in der Größenordnung von Atomen zu unterbinden, und das bis knapp auf den absoluten Temperaturnullpunkt heruntergekühlt wurde, wiesen die Forschenden Weyl-Fermionen in einem eigens hergestellten Halbmetall nach: einem Tantal-Arsenid-Kristall.

Per Fotoemissionsspektroskopie konnte die Gruppe sowohl die Kegel und Knoten der Weyl-Fermionen im Material beobachten als auch die zugehörigen Fermi-Bögen an der Oberfläche.

Weyl-Fermionen können in zwei so genannten Chiralitäten vorkommen: links- und rechtshändige Weyl-Fermionen. Sie haben einen Spin von 1/2. Im Kristall benehmen sie sich wie der Verbund eines magnetischen Monopols und Antimonopols, die sich dennoch unabhängig voneinander bewegen können, so das Team. Zudem lassen sich Weyl-Fermionen als die grundlegenden Bausteine eines jeglichen Fermionenfelds betrachten und damit auch als Bausteine der Elektronen.

Somit ließen sich Weyl-Fermionen dazu nutzen, eine Art masselose Elektronen zu erschaffen, die sich sehr schnell und ohne Rückstreuung an etwaigen Hindernissen durch das Material bewegen würden. "Es ist, als hätten diese Teilchen ihr eigenes GPS," erklärt Zahid Hasan von der Princeton University, Leiter der aktuellen Studie. Bei den rechtshändigen Weyl-Fermionen zeigt der Spin in die gleiche Richtung wie die Bewegung, bei den linkshändigen in die entgegengesetzte Richtung. Beide Sorten, so Hasan weiter, "bewegen sich deswegen immer nur in ein- und dieselbe Richtung, kommen niemals zurück und tunneln durch alle Hindernisse hindurch."

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