Kinderimpfungen: WHO extrem besorgt über wachsende Impfskepsis

Impfskepsis und schrumpfende Entwicklungshilfe-Budgets etwa für Impfkampagnen bedrohen die Gesundheit der Weltbevölkerung, so die Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO. »Wir sind extrem besorgt über Fehl- und Desinformation zu Impfungen«, sagt Kate O'Brien, Direktorin der WHO-Impfabteilung. Auch die schwindenden Hilfsgelder seien extrem problematisch, betonte O'Brien bei der Vorlage des jährlichen Berichts der WHO und des UN-Kinderhilfswerks UNICEF über die weltweiten Impfraten.
Die weitaus größten Hindernisse für umfassenden Impfschutz bei Kindern seien kriegerische Konflikte sowie die Schwierigkeit, Kinder in sehr abgelegenen Regionen zu erreichen. Im Jahr 2024 hätten weltweit 14,3 Millionen Kinder während ihres ersten Lebensjahrs keine einzige Impfung erhalten, heißt es in dem Bericht. Im Jahr davor waren es 14,4 Millionen.
Schon im vergangenen Jahr hätten Mittel gefehlt, um einkommensschwache Länder mit Impfkampagnen zu unterstützen. Die teils drastischen Kürzungen von Entwicklungshilfebudgets im Jahr 2025 – insbesondere seitens der USA, aber auch vieler anderer Länder – dürften sich verheerend auf die öffentliche Gesundheit auswirken, fürchten WHO und UNICEF.
Auf die Haltung des als Impfskeptiker geltenden US-Gesundheitsministers Robert Kennedy wollten befragte Expertinnen und Experten nicht direkt eingehen. Sie verwiesen aber auf die wichtige Rolle von Politikern sowie religiösen und anderen Leitfiguren dabei, das Vertrauen in klinisch geprüfte, zugelassene und seit Jahrzehnten überwachte Impfstoffe zu stärken statt zu schwächen. »In gut 50 Jahren sind schätzungsweise 150 Millionen Menschenleben durch Impfstoffe gerettet worden«, sagte Ephrem Lemango von UNICEF. Er rief alle Entscheidungsträger auf, deutlich zu machen, dass »Killerkrankheiten« wie Masern durch Impfungen verhindert werden könnten.
Das WHO-Regionalbüro Europa und UNICEF warnen, dass Nachlässigkeiten beim Impfen die kindliche Gesundheit gefährdeten und eine weitere Ausbreitung etwa von Masern und Keuchhusten begünstigten. Die Impfraten gegen solche Krankheiten seien in der Region Europa bis nach Zentralasien hinein im Jahr 2024 leicht rückläufig gewesen und unter dem Niveau der Vorcoronazeit geblieben. Allerdings gebe es deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern.
Mehr als doppelt so viele Masernausbrüche wie 2022
Global gesehen stieg die Abdeckung mit einer zweiten Masernimpfdosis dagegen sehr leicht auf 76 Prozent. 30 Millionen Kinder weltweit seien allerdings nicht ausreichend gegen die gefährliche Krankheit geschützt. Die Impfrate müsste in jeder Region und jedem Land bei mindestens 95 Prozent liegen, um neue Ausbrüche zu verhindern, so die WHO. 2024 ereigneten sich in 60 Ländern starke Ausbrüche. Das waren mehr als doppelt so viele wie 2022. In manchen Staaten seien solche Ausbrüche auf verbreitete Impfskepsis zurückzuführen, sagte O'Brien. Wie viele Todesfälle das zur Folge hatte, sei schwer zu beziffern. 2023 sind weltweit schätzungsweise mehr als 107 000 Menschen an Masern gestorben.
»Impfungen retten Leben, und wenn die Abdeckung sinkt, breiten sich Krankheiten aus«, erklärte Hans Kluge, WHO-Regionaldirektor Europa. Allein im vergangenen Jahr seien fast 300 000 Menschen in der Region Europa an Keuchhusten erkrankt sowie mehr als 125 000 an Masern, was einer Verdreifachung beziehungsweise Verdopplung der Vorjahreswerte entspreche. Kluge rief die Länder auf, ihre lokalen Gesundheitssysteme zu stärken, die Verfügbarkeit von Impfstoffen überall sicherzustellen sowie Fehlinformationen zu bekämpfen.
Erfolgsgeschichte HPV-Impfung
Weltweit sind die Impfraten dem Bericht zufolge im Jahr 2024 leicht gestiegen. Rund 85 Prozent der Säuglinge hätten drei Dosen der Impfung gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten (DTP – P steht für Pertussis, also Keuchhusten) bekommen. Das waren insgesamt 109 Millionen Säuglinge. Im Jahr davor seien es marginal weniger gewesen. Die DTP-Impfung gilt als wichtiger Indikator für die weltweite Durchimpfung. In Deutschland empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) für Kinder unter anderem auch Impfungen gegen Masern, Mumps, Röteln, Tetanus, Windpocken und humane Papillomaviren (HPV).
Die HPV-Impfung, die Gebärmutterhalskrebs vorbeugt, sei weltweit eine Erfolgsgeschichte, sagt O'Brien. Der Anteil junger Mädchen, die die Impfung erhielten, sei auf der ganzen Welt um 4 Prozentpunkte auf 31 Prozent gestiegen. Der Erfolg gehe vor allem darauf zurück, dass Nigeria und Bangladesch den Schutz vor HPV in ihre Routineimpfungen aufgenommen haben. 2019 hatten erst 17 Prozent der Teenager die Impfung bekommen. Ziel bis 2030 ist es, 90 Prozent zu erreichen. (dpa/kas)
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