Direkt zum Inhalt

Pflanzliches Immunsystem: So können Alpakas Pflanzen vor Krankheiten schützen

Britische Forscher verfolgen eine ungewöhnliche neue Strategie, um Pflanzen vor Viren und Bakterien zu schützen. Sie »leihen« sich das tierische Immunsystem.
Alpaka frisst Blätter von einem Baum
Das Immunsystem von Alpakas und Kamelen stellt Antikörper gegen fast jedes Molekül her - auch gegen Keime, die sonst nur Pflanzen befallen.

Landwirte weltweit erleiden jedes Jahr Milliardenschäden, wenn Krankheiten oder Schädlinge ihre Felder befallen. Neu auftretende Erreger sind zudem eine Bedrohung für die Ernährungssicherheit in Entwicklungsländern, in denen Ernten auf Grund des Klimawandels ohnehin immer knapper ausfallen. Nun berichten Fachleute eines britischen Pflanzenforschungsinstituts im Fachmagazin »Science«, dass sie einen Weg gefunden haben, Pflanzen mit einer auf Alpaka-Antikörpern basierenden Abwehr auszustatten. Das könnte die Entwicklung von Pflanzen beschleunigen, die gegen jede Art von aufkommenden Viren, Bakterien oder Pilzen resistent sind.

Die Strategie besteht darin, ein Alpaka oder einen anderen Kamelverwandten mit einem Protein des zu bekämpfenden Pflanzenpathogens zu impfen. Daraufhin produzieren die Tiere Antikörper, die entnommen, gereinigt und in das entsprechende Gensegment des pflanzeneigenen Immungens eingebaut werden. In einem ersten Konzeptnachweis haben die Forscher auf diese Weise eine Modellpflanze gegen eine manipulierte Version eines Virus immunisiert, das Kartoffeln und verwandte Kulturen befällt.

»Das ist ein wirklich kreativer und kühner Ansatz«, zitiert »Science« den Pflanzenimmunologen Jeff Dangl von der University of North Carolina in einem Begleittext. Roger Innes, Pflanzengenetiker an der Indiana University, sagte gegenüber dem Magazin: »Das wäre viel, viel schneller als die herkömmliche Pflanzenzüchtung und möglicherweise auch viel effektiver.«

Dem Traum von Designer-Resistenzgenen näher gekommen

Pflanzen besitzen ein relativ simples Immunsystem. Auf der Oberfläche der Pflanzenzellen gibt es spezielle Rezeptorproteine, die allgemeine Merkmale von Krankheitserregern erkennen können wie etwa eine bakterielle Zellwand. In der Zelle haben sie zusätzliche Rezeptoren, die auf Moleküle reagieren, die von spezifischen Keimen abgesondert werden. Detektiert eine Pflanzenzelle solche Hinweise, stirbt sie ab, um den Rest der Pflanze zu retten. Pflanzenpathogene entwickeln sich jedoch oft weiter und entgehen diesen Rezeptoren.

Ein Traum der Pflanzenbiotechnologie ist es deshalb, Designer-Resistenzgene zu entwickeln, die so schnell produziert werden können, wie die Krankheitserreger auftauchen. Ein Ansatz besteht darin, das Gen für einen pflanzlichen Immunrezeptor so zu verändern, dass dieser bestimmte schädliche Moleküle erkennt. Das erfordert allerdings präzise Kenntnisse sowohl des Rezeptors als auch seiner Bindungsstelle auf dem Krankheitserreger.

Sophien Kamoun, Studienleiter und Molekularbiologe am Sainsbury Laboratory, nutzte mit seinem Team stattdessen ein tierisches Immunsystem, um die Rezeptoränderungen vorzunehmen. Bei einer Infektion mit einem neuen Krankheitserreger produzieren Tiere Milliarden von Antikörpern, die sich jeweils minimal unterscheiden. Das Immunsystem wählt schließlich diejenigen aus, die den Eindringling am besten bekämpfen, und stellt sie massenhaft her. Kameliden, zu denen Alpakas, Kamele und Lamas gehören, sind in der Lage, extrem kompakte Antikörper, so genannte Nanokörper, gegen fast jedes Molekül zu bilden. Die Forscher verbanden ein solches Nanokörper-Gen mit dem Gen für einen intrazellulären Immunrezeptor in einer Modellpflanze.

Und siehe da: Nach etlichen Versuchen und Anpassungen zeigten die Pflanzen schließlich eine starke Immunreaktion, berichten die Forscher. Die Flecken der abgestorbenen Zellen auf den Blättern seien mit bloßem Auge erkennbar gewesen. Im Vergleich zu infizierten Kontrollpflanzen hatten sich die Viren jedoch kaum vermehrt.

Inzwischen hat die Gruppe eine Kulturpflanze entwickelt, die in der Lage ist, Nanokörper zu produzieren, die tatsächlich schädliche Moleküle aufspüren. Noch wolle man die Pflanzenart jedoch geheim halten, heißt es. Zunächst wolle das Team testen, ob sie den Angriffen der Erreger tatsächlich standhält.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.