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News: Wie aufrecht war der aufrechte Gang wirklich?

Die "Erfindung" des aufrechten Gangs brachte die Menschheitsentwicklung erst so richtig in Gange. Nach der allgemeinen Theorie stammen wir von einem menschenartigen (hominiden) Vorfahr ab, der auf zwei Beinen ging, statt noch die Vorderextremitäten zu Hilfe zu nehmen. Jetzt zeigen Funde von drei bis vier Millionen Jahre alten Hominiden-Knochen, dass unsere evolutionären Vorfahren sich wahrscheinlich doch auf den Knöcheln ihrer Hände abstützten und rücken uns damit in noch engere verwandtschaftliche Nähe zu Schimpansen und Gorillas.
Wenn Schimpansen oder Gorillas sich am Boden fortbewegen, rollen sie ihre Finger ein und stützen sich mit dem Rücken des zweiten Fingerglieds ab. Im Laufe der Jahrmillionen führte das zur Ausbildung eines knöchernen Grats an der Fingerbasis. Menschen und frühe Hominide wie Lucy, ein Mitglied der Spezies Australopithecus afarensis, zeigen diese Verknöcherung nicht, weil sie aufrecht gehen. Dieses Fehlen bei menschlichen Vorfahren legten Wissenschaftler bislang so aus, dass Schimpansen enger mit den Gorillas verwandt sind als mit uns – obwohl molekulare Erbgutanalysen und anatomische Studien das Gegenteil ergaben.

Als der Anthropologe Brian Richmond 1998 ein paar Veröffentlichungen über die Entwicklung der Primatenhand las, stellte er fest, dass in frühen Arbeiten nicht nur die gratartige Verknöcherung beschrieben wurde, sondern zwei weitere im Handgelenk, die wie Nut und Feder ineinander passen. Sie dienen wohl der Gelenkstabilität. Er beschloss, zusammen mit David Strait von der George Washington University noch einmal die Sammlung des Smithsonian National Museum of Natural History" durchzusehen. Als die Wissenschaftler Lucy inspizierten, machten sie eine erstaunliche Entdeckung: Die Handgelenksknochen zeigen exakt die Merkmale des Knöchelgangs. Lucy selbst ging sehr wahrscheinlich längst aufrecht, dennoch wiesen ihre Handgelenke Überbleibsel der sich abstützenden Vorfahren auf.

Richmond und Strait berichten nun in Nature vom 23. März 2000, dass Schimpansen, Gorillas und zwei frühe Hominiden – A. afarensis und A. anamensis – allesamt dieselben charakteristischen knöchernen Anpassungen zeigen, diese aber beim modernen Menschen vollständig fehlen. Diese Merkmale gingen offensichtlich im Laufe der menschlichen Evolution vor etwa zweieinhalb bis drei Millionen Jahren verloren.

Der Fund lässt aber wichtige Fragen ungeklärt. So bleibt weiterhin offen, warum sich der Gang auf zwei Beinen entwickelte. Außerdem fehlen bislang Fossilien, mit deren Hilfe die Aufspaltung der Entwicklungslinien zu Schimpanse, Gorilla und Mensch dokumentiert werden können.

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