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Antibiotikaresistenz: Wie Bakterien resistent werden - und wie man sie stoppt

Mehr als genug Bakterien sind resistent gegen Antibiotika - da muss man nicht auch noch den Erfindergeist der Keime in puncto Selbstverteidigung ankurbeln. Nur wie?
Resistenzentwicklung

Die größte Herausforderung für die Zukunft sehen viele Mediziner seit Langem in der so genannten Antibiotikakrise: Weil immer mehr Bakterien gegen immer mehr Antibiotika resistent sind, gehen Ärzten allmählich die Alternativen zur Behandlung von bakteriellen Infektionen aus. Die Krise verschärft sich dabei zum einen, weil bereits resistente Keime deutliche Vorteile haben, wenn andere Bakterien durch Medikamente ausgeschaltet werden. Zudem geben sie ihre Resistenzmechanismen dann häufig weiter – und so setzen sich heute Resistenzen oft schneller durch, als Mediziner neue Mittel gegen Bakterien entwickeln. Zudem können sich allerdings auch neue Resistenzen spontan in einer anfälligen Bakterienkolonie entwickeln, wenn diese durch ein zunächst eigentlich wirksames Mittel attackiert wird. Wie das vor sich geht – und wie es im Einzelfall womöglich unterbunden werden kann –, haben Forscher im Fachblatt »Molecular Cell« zusammengefasst.

Im Experiment hatten Susan Rosenberg vom Baylor College of Medicine und ihre Kollegen eine Kultur von gewöhnlichen Escherichia-coli-Darmbakterien niedrigen Dosen von Ciprofloxacin ausgesetzt – einem Chinolon-Antibiotikum, das speziell ein für die Zellteilung wichtiges Bakterienenzym stilllegt und zudem als Nebenwirkung den Bruch der DNA-Kette und damit Mutationen fördert. Wie erwartet starben im Experiment viele Keime, gelegentlich entwickelten sich wie in ähnlichen Versuchen aber immer auch Resistenzen. Rund ein Zehntel bis ein Viertel der Bakterien zeigten auffälligerweise zudem eine deutliche Stressreaktion, bei der sie große Mengen an reaktiven, toxischen Sauerstoffspezies (ROS) produzierten. Das schützt die Zellen zwar nicht unmittelbar vor dem Antibiotikum, es erhöhte aber die Rate wahlloser Mutationen in ihrem Genom, veränderte die zelleigenen DNA-Reparaturbemühungen und eröffnete ihnen so offenbar in einer Art Notfallmechanismus eine geringe Chance darauf, spontan und zufällig auf einen Abwehrmechanismus gegen das Mittel zu stoßen.

Tatsächlich entstammten dann aus der Gruppe der ROS-Produzenten häufig gegen Ciprofloxacin resistente Bakterien. Deutlich wurde das, als die Forscher einen weiteren Wirkstoff auf die Bakterien ansetzten: den als Medikament bei Herzinfarkt und gegen amyotrophe Lateralsklerose in Japan und den USA bereits zugelassenen ROS-Hemmer Edaravone. Der Wirkstoff bremste nun in der E.-coli-Kultur die ROS-Stressreaktion, ohne die Wirkung der Antibiotika zu beeinträchtigen – und sorgte so dafür, dass die Resistenzentwicklung über längere Zeit hinweg ausblieb. Edaravone könnte damit recht schnell mit Antibiotika zusammen als »Resistenzbrecher« eingesetzt werden: ein Mittel, das selbst nicht gegen die gefährlichen Bakterien wirkt, aber verhindert, dass die Keime Resistenzen gegen ein gleichzeitig verabreichtes Medikament entwickeln können.

Das Team um Rosenberg muss nun erst in Tierversuchen bestätigen, dass die Theorie auch in der Praxis trägt, bevor sie bei der Behandlung von menschlichen Patienten eingesetzt werden kann. Immerhin ist der Zusatzstoff als zugelassenes Medikament schon gründlich auf mögliche Nebenwirkungen hin untersucht worden. Als Allheilmittel gegen die Antibiotikakrise wird er sicher nicht wirken: Neben dem nun beschriebenen ROS-Durchlauferhitzermechanismus – also der durch Stress induzierten, absichtlich angekurbelten Mutagenese – gibt es allerlei weitere Wege, auf denen Bakterien Resistenzen gegen Antibiotika entwickeln. Diesen Prozess gelte es mit anderen Mitteln zu brechen, um die Resistenzentstehung zu bremsen. Von entscheidender Bedeutung wird aber auch sein, die Ausbreitung der schon reichlich vorhandenen Resistenzen zwischen Krankheitserregern zu stoppen – was sich in der medizinischen Alltagspraxis oft als größere Herausforderung darstellt.

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