Elternzeit: Wie die Babypause Väter prägt
Werdende Eltern stehen vor einer Reihe wichtiger Entscheidungen: Wie soll das Kind heißen? Müssen wir umziehen, oder reicht es, in der alten Wohnung Platz für Wickeltisch und Kinderbett zu schaffen? Und, vielleicht mit am folgenschwersten: Wer von beiden unterbricht wie lange seine Arbeit, um das Kind in der ersten Zeit zu Hause zu betreuen?
Bis zum Jahr 2007 stellte sich die Frage kaum. Zwar stand das so genannte Erziehungsgeld schon damals Vätern zu, die in Elternzeit gingen oder in Teilzeit arbeiteten. Doch daheim blieb – bis auf seltene Ausnahmen – die Mutter. Das änderte sich mit der Einführung des neuen Elterngelds. Wer für die Kindererziehung zu Hause blieb, erhielt fortan mehr Geld, aber für einen kürzeren Zeitraum. Außerdem belohnte das neue Gesetz Paare, die sich die Betreuung fairer aufteilten als zuvor üblich. Denn die maximale Dauer von 14 Monaten »Basis-Elterngeld« gibt es nur, wenn der zweite Partner davon mindestens zwei Monate übernimmt. Landläufig wird deshalb auch von den zwei »Vätermonaten« gesprochen.
Aber wovon hängt es ab, ob Männer tatsächlich eine Babypause einlegen? Welche Auswirkungen hat die Elternzeit auf die Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen, auf das Zusammenleben in der Familie und den weiteren beruflichen Werdegang?
Unbestreitbar ist, dass mit dem Elterngeldgesetz etwas in Bewegung geraten ist: Für Kinder, die 2015 geboren wurden, nahmen bereits 35 Prozent der Väter Elternzeit. »Man könnte allerdings genauso sagen: Zwei Drittel aller Männer verzichten auf eine Auszeit«, kommentiert die Psychologin Bettina Wiese von der RWTH Aachen. Hinzu kommt, dass drei Viertel der Väter, die Elternzeit nehmen, sich auf die minimalen zwei Monate beschränken. Und ungefähr jeder siebte arbeitet währenddessen sogar in Teilzeit weiter. Studien zeigten, so Wiese, dass die Entscheidung der Eltern immer noch von althergebrachten Rollenbildern dominiert würde: »Männer befürchten vor allem Karriereeinbußen, wenn sie familienbedingt beruflich kürzertreten. Frauen dagegen orientieren sich im Durchschnitt stärker daran, was ihnen für das Kind am besten erscheint«, sagt die Psychologin.
Bei einer Analyse von Daten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz interessierten sich Wiese und ihre Mitarbeiterin Anna Stertz dafür, wie sich Partner gegenseitig in ihrer Entscheidung pro und kontra Elternzeit beeinflussen. In Längsschnittstudien legten sie werdenden und jungen Müttern und Vätern wiederholt Fragebogen vor. Darin wurde unter anderem nach den Einstellungen zu Geschlechterrollen gefragt. Die zentrale Erkenntnis: Das Rollenverständnis des Mannes beeinflusst, wie viel Elternzeit die Frau nimmt und ob sie im Anschluss daran ihre Arbeitsstunden reduziert. Die Partnerinnen von traditioneller eingestellten Männern pausierten länger und arbeiteten weniger als Frauen mit egalitär eingestellten Partnern. Andersherum fand sich jedoch kein solcher Effekt – Väter mit progressiv eingestellten Partnerinnen nehmen also nicht häufiger Elternzeit. Die Beeinflussung sei daher asymmetrisch, schlussfolgern Wiese und Stertz. Tatsächlich ließen sich die Frauen im direkten Vergleich sogar stärker von der Einstellung ihres Partners beeinflussen als von ihrem eigenen Rollenbild, während die Männer weitgehend unabhängig von den Ansichten ihrer Frau entschieden.
Studien anderer Autoren zeigen Faktoren auf, die es wahrscheinlicher machen, dass der Vater Elternzeit nimmt: ein besserer Bildungsabschluss des Mannes etwa oder sein Alter bei Geburt des Kindes – Berufsanfänger sorgen sich offenbar stärker um ihre Karriere und machen daher seltener eine Babypause. Männer im Osten Deutschlands nehmen häufiger Elternzeit, ebenso Partner von Frauen, die ihrerseits größere berufliche Ambitionen haben und beispielsweise länger arbeiten als der Durchschnitt.
Bei Vätern zählt das Einkommen mehr
Natürlich spielen auch wirtschaftliche Überlegungen bei der Aufteilung der Elternzeit eine Rolle. Diese sind allerdings nicht so stark, wie man vermuten könnte. Erzielt die Frau das höhere Einkommen, steigt dadurch zwar die Wahrscheinlichkeit, dass der Partner Elternzeit nimmt. Das ist jedoch kein Automatismus. »Es ist auffällig, dass bei Paaren, bei denen der Mann mehr verdient, quasi immer das wirtschaftliche Argument im Vordergrund steht«, sagt die Soziologin Mareike Bünning vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). »Dann heißt es: Er kann ja nicht in Elternzeit gehen, sonst verlieren wir einen zu großen Teil unseres Einkommens. Hat aber die Mutter den besser bezahlten Job, spielen finanzielle Überlegungen plötzlich eine viel geringere Rolle.«
»Arbeitgeber erwarten von Männern nach wie vor eine größere Rücksichtnahme gegenüber dem Betrieb«Mareike Bünning
Wollte man es positiv formulieren, könnte man sagen: Frauen wird eine Auszeit vom Job grundsätzlich eher ermöglicht, und zwar sowohl innerhalb der Partnerschaft als auch vom Arbeitgeber. Befragungen Bünnings ergaben: Dass Mütter ungefähr ein Jahr lang Elternzeit nehmen, gilt ihren Vorgesetzten meist als selbstverständlich. Eine Auszeit dieser Länge wird daher selbst bei Frauen, die in Führungspositionen arbeiten, oft toleriert. Bei Vätern ende das Wohlwollen dagegen häufig mit den »klassischen« zwei Partnermonaten, so Bünning: »Arbeitgeber erwarten von Männern nach wie vor eine größere Rücksichtnahme gegenüber dem Betrieb. Und zwar nicht nur, was die Länge, sondern auch, was das Timing der Elternzeit angeht.«
Väter zerbrachen sich in den Befragungen der Soziologin folgerichtig eher den Kopf darüber, ob sie mit einer Elternzeit ihre Kollegen vielleicht zu stark belasten würden oder ob sich die Arbeit die gesamte Zeit über auf ihrem Schreibtisch stapeln würde. Existierten in ihrem Unternehmen jedoch konkrete Regelungen zur Vertretung, förderte das die Entscheidung für eine Elternzeit.
Wie eine Umfrage aus dem Jahr 2008 ergab, erhoffen sich Männer von einer Elternzeit vor allem mehr Zeit mit dem Kind und eine besonders bereichernde Erfahrung. Aktuelle Studien aus Südkorea und den USA deuten darauf hin, dass eine Babypause tatsächlich die Lebenszufriedenheit von Vätern sowie die Zufriedenheit innerhalb der Partnerschaft verbessert und dass noch viele Jahre danach die Kinder im Durchschnitt eine bessere Bindung zu ihrem Vater haben.
Darüber hinaus verschiebt eine Elternzeit langfristig die Arbeitsteilung in der Familie, zumindest in gewissen Grenzen. Untersuchungen etwa von Mareike Bünning zeigen, dass Väter, die Elternzeit genommen haben, sich anschließend stärker in Erziehung und Haushalt engagierten als andere und zum Beispiel weniger Überstunden machten. Dafür verbrachten sie täglich eineinhalb Stunden mehr mit ihren Kindern. Teilweise spielte hier die Dauer der Elternzeit eine Rolle: Wer mehr als die zwei »klassischen« Vätermonate pausierte, beteiligte sich hinterher stärker bei der Hausarbeit und verkürzte eher seine Arbeitszeit.
Natürlich ist damit nicht gesagt, dass die Elternzeit auch der Grund für das größere anschließende Engagement der Väter ist oder ob die Beobachtungen nicht besser dadurch erklärt werden, dass die ohnehin kooperativer eingestellten Männer mit größerer Wahrscheinlichkeit eine Babypause einlegen. Gegen Letzteres spricht, dass in Bünnings Studien jene Väter, die in Elternzeit gingen, im Jahr davor sogar etwas länger gearbeitet und weniger Zeit mit ihren Kindern verbracht hatten als jene, die sich gegen eine Auszeit entschieden.
Bleibt noch die Möglichkeit, dass Männer, die Elternzeit nehmen, sich sowieso mit der Zeit eher zu engagierteren Vätern entwickelt hätten. Um das auszuschließen, braucht man einen ausgeklügelten Versuchsplan. Genau so einen hat Marcus Tamm vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen in einer 2019 veröffentlichten Studie vorgelegt. Tamm gehörte zu einem Forscherteam, das bereits kurz nach der Einführung des neuen Elterngelds das entsprechende Gesetz für die Bundesregierung evaluierte – mit positivem Ergebnis, zumindest im Sinne der Politiker. So fanden die Wissenschaftler damals beispielsweise heraus, dass die Mütter durch das Gesetz früher wieder in den Beruf zurückkehren. Der Ökonom beschäftigt sich immer noch mit den sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Elterngelds.
Wirkung auf lange Sicht
»In der Studie wollte ich herausfinden, ob die Elternzeit von Vätern langfristig ihre Einbindung in die Familie oder die Rollenverteilung im Haushalt beeinflusst«, so Tamm. Dabei interessierte ihn etwa, wie viel Zeit die Väter mit ihren Kindern verbrachten, wie viele Stunden sie mit Hausarbeit und Ähnlichem beschäftigt waren und ob sie in Voll- oder in Teilzeit arbeiteten.
Dafür nutzte Tamm die Daten des Sozio-oekonomischen Panels, einer repräsentativen Langzeitbefragung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin, für die seit den 1980er Jahren tausende Familien regelmäßig befragt werden. Er untersuchte dabei eine spezielle Gruppe von Vätern: nämlich solche, die sowohl vor Einführung des Elterngelds im Jahr 2007 als auch danach noch einmal Nachwuchs bekommen hatten. Da vor 2007 nur ein verschwindend geringer Prozentsatz der Väter das so genannte Erziehungsgeld beantragte, dienten die Veränderungen nach dem ersten Kind als Referenzwert. Nun verglich Tamm jene Väter, die nach 2007 beim zweiten oder weiteren Kind erstmals Elternzeit genommen hatten, mit jenen, die trotz Familienzuwachses erneut keine berufliche Auszeit genommen hatten.
Ergebnis: Väter, die beim zweiten oder dritten Kind in Elternzeit gingen – und sei es nur für einen kurzen Zeitraum –, waren noch einige Jahre danach stärker in die Familie eingebunden, als sie es nach dem ersten Kind gewesen waren. Gleichzeitig waren sie engagierter als Väter mit ebenfalls zwei oder drei Kindern, die nie Elternzeit genommen hatten. Sie kümmerten sich beispielsweise an Werktagen im Schnitt 40 Minuten länger um ihre Kinder, und sie verbrachten mehr Zeit mit der Hausarbeit und sonstigen familiären Erledigungen wie Einkäufen. »Diese Unterschiede sprechen dafür, dass es sich um einen kausalen Effekt handelt«, sagt Tamm. »Wären die Väter, die sich nach einigen Jahren stärker in die Familie einbringen, jene, die sich ohnehin in diese Richtung entwickeln, hätte sich die Veränderung schon nach dem ersten Kind zeigen müssen.«
So deutlich die Ergebnisse in seiner Untersuchung waren – Tamm schränkt ein, dass noch einige Fragen offen sind. »Mich würde zum Beispiel interessieren, inwiefern es einen Unterschied macht, ob die Väter allein in Elternzeit waren oder gleichzeitig mit ihrer Partnerin. Das geht aus den Daten leider nicht hervor.« Wenn er raten müsste, sagt Tamm, würde er einen großen Effekt vermuten: dass nämlich jene Väter deutlich mehr Energie für die Familie aufwenden, die einmal allein zu Hause den Alltag mit Kindern geschmissen haben, während die Mutter arbeiten ging. Darauf würden etwa Befragungsstudien hindeuten, so Tamm.
»Eine gemeinsame Elternzeit kann sehr wertvoll sein, ob auf Reisen oder daheim«Mareike Bünning vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung
Gemeinsame Elternzeit von Paaren steht ohnehin zuweilen in der Kritik. Vielen ist vor allem die Beliebtheit der so genannten »Elternzeitreise« ein Dorn im Auge – ein Wort, das erst um das Jahr 2010 Eingang in die deutsche Sprache gefunden hat. Windeln, Stillen und Fläschchen dominieren dann nicht den Alltag daheim, sondern eine wochen- oder monatelange Urlaubsreise. Eine Kommentatorin der »Welt« ärgerte sich 2017 über »ausgedehnte Reisen auf Staatskosten«, im selben Jahr meinte eine Autorin in der »Süddeutschen Zeitung«, solche Urlaube hätten »nichts mit dem realen Leben junger Eltern« zu tun – und der Vater würde dabei sicher nicht lernen, wie man ein Kind großzieht.
Soziologin Bünning sieht das Ganze entspannter: »Selbst bei diesem Elternzeitmodell verbringen die Väter anschließend mehr Zeit mit ihren Kindern. Es ist auch plausibel, dass es positive Auswirkungen auf die Paarbeziehung hat, wenn beide Eltern gleichzeitig Elternzeit haben«, so Bünning. Schließlich bedeute die Geburt gerade des ersten Kindes einen starken Einschnitt in die Beziehung; Mütter und Väter müssten erst in ihre neuen Rollen finden. »Dafür kann eine gemeinsame Elternzeit sehr wertvoll sein, ob auf Reisen oder daheim«, meint die Soziologin.
Mutter, Mutter, Kind
Für gleichgeschlechtliche Paare, die verheiratet sind oder in einer eingetragenen Partnerschaft leben, gelten in Bezug auf Elternzeit und Elterngeld weitgehend dieselben Regelungen wie für Heterosexuelle. 2016 lebten allerdings nur 0,1 Prozent aller Elterngeldempfänger in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Deshalb konzentriert sich die Forschung zum Thema – und auch dieser Artikel – auf die klassische Vater-Mutter-Kind-Familie.
Warum eine Auszeit mit der Familie das Engagement von Vätern nachhaltig verändert, dafür gibt es gleich mehrere plausible Erklärungen. Eine Möglichkeit ist, dass die intensivere Bindung zum Kind im Vater den Wunsch weckt, mehr Zeit gemeinsam zu verbringen – und dies letztlich berufliche Erwägungen überwiegt. »Die Mehrheit der Väter ist vom Ende der Ausbildung bis zur Geburt des ersten Kindes durchgängig berufstätig«, sagt Mareike Bünning. »Eine Elternzeit bedeutet für sie die erste wirkliche Pause vom Berufsleben, in der sie einen Schritt zurücktreten und reflektieren können, welchen Stellenwert ihre Familie eigentlich im Vergleich zu ihrem Beruf hat.«
Eine zweite Erklärung liegt darin, dass die Väter durch die Kindermonate neue Kompetenzen erwerben, die sie als »Teilzeit-Vater« nicht oder nicht ausreichend trainieren. Laut dieser Theorie lernen die Väter durch die intensivere Beschäftigung und das Spielen ihren Nachwuchs besser kennen und wissen, wie er in unterschiedlichen Situationen reagiert. Wer erst einmal den Alltag mit Kindern allein gemeistert hat, so die These, dem fällt es später leichter, in der Erziehung Verantwortung zu übernehmen.
Eine dritte Möglichkeit ist schließlich, dass die Mütter eine stärkere Mitarbeit vom Partner einfordern, wenn dieser bereits unter Beweis gestellt hat, dass er genauso gut für die Kinder sorgen kann. »Steigt die Mutter solange wieder in ihren Beruf ein, stärkt das auch ihre Position, wenn es um die weitere Aufteilung der Erziehungsarbeit geht«, erklärt Bünning.
Keine Teilzeit, aber weniger Überstunden
Wirtschaftsforscher Marcus Tamm gibt allerdings zu bedenken, dass die elternzeiterprobten Väter zwar laut Befragung später angeben, sich mehr um den Haushalt und die Kinder zu kümmern, sie arbeiten jedoch vertraglich nicht kürzer als andere – zumindest war der Unterschied in seiner Untersuchung nicht statistisch signifikant. »Das familiäre Engagement geht also offenbar meist auf Kosten anderer Freizeitaktivitäten, nicht auf Kosten des beruflichen Einsatzes«, mutmaßt Tamm. So ist die Bereitschaft von Männern, nicht nur weniger Überstunden zu machen, sondern ganz offiziell im Job für die Familie kürzerzutreten, noch immer gering ausgeprägt. Laut Statistischem Bundesamt arbeiteten 2017 nur sechs Prozent der erwerbstätigen Väter in Teilzeit, aber 69 Prozent der Mütter. Eine Studie von Mareike Bünning und ihrer Kollegin Janine Bernhardt von 2017 ergab, dass hierfür vor allem die Rahmenbedingungen beim Arbeitgeber eine Rolle spielen. Väter arbeiten demnach eher in Teilzeit, wenn es klare Regelungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie gibt und wenn sie den Eindruck haben, dass ihre Vorgesetzten diese tatsächlich ernst nehmen.
Die – unausgesprochenen oder ganz konkret angedrohten – Sanktionen, die Männer nach der Rückkehr aus einer Elternzeit am Arbeitsplatz fürchten müssen, würden dagegen nicht immer in Kraft treten, so Bünning. »Natürlich gibt es Väter, die nach der Elternzeit massive Nachteile am Arbeitsplatz erfahren. Studien zeigen aber, dass die Sorgen in den meisten Fällen unbegründet sind.« Väter werden etwa im Schnitt nicht bei der Lohnentwicklung benachteiligt, selbst wenn sie mehr als zwei Monate Babypause gemacht haben. Auch eine Befragung von Männern, die Elternzeit genommen hatten, ergab: Nur knapp zehn Prozent gaben an, dadurch berufliche Nachteile erlitten zu haben – bei den Müttern waren es rund ein Viertel.
Bünnings Chefin Lena Hipp, die die Forschungsgruppe »Arbeit und Fürsorge« am WZB leitet, verglich für ein 2018 veröffentlichtes Experiment die Einstellungschancen von Männern, die schon einmal kürzer oder länger Elternzeit genommen hatten. Sie schickte Bewerbungen von zwei fiktiven Personen auf offene Stellen. Die beiden Bewerber waren identisch, bis auf ein Detail: Bei einem war im Lebenslauf eine Elternzeit von zwei Monaten Dauer angegeben, beim anderen eine zwölfmonatige Babypause. Beide wurden gleich häufig zu Vorstellungsgesprächen eingeladen – wer länger ausgesetzt hatte, wurde demnach nicht diskriminiert. Anders sah es dagegen bei den Frauen aus, und zwar mit umgekehrtem Vorzeichen: Hier wurden Mütter, die lediglich zwei Monate Babypause gemacht hatten, nur halb so oft eingeladen wie gleich qualifizierte Bewerberinnen, die zwölf Monate Elternzeit hinter sich hatten. Eine sehr kurze Auszeit kann sich für Frauen also ungünstig auswirken, vielleicht, weil sie der geltenden sozialen Norm widerspricht.
»Es stimmt, dass die Umsetzung einer längeren Elternzeit für Frauen häufig einfacher ist. Aber die verfügbaren Daten sprechen dafür, dass sie auf Grund der Elternzeit stärkere Nachteile erleben, sowohl in Bezug auf Beförderungen als auch auf das Gehalt«, sagt Bünning. Studien aus Deutschland und den USA deuteten außerdem darauf hin, dass Arbeitgeber die Elternzeit von Vätern – im Gegensatz zu der von Müttern – generell eher als vorübergehende Ausnahmesituation ansehen. »Wenn die Männer in den Job zurückkehren, erwarten Firmen wieder deren volle Belastbarkeit und Aufopferungsbereitschaft. Bei den Frauen dagegen rechnen Vorgesetzte mit weiteren Auszeiten und Fehltagen beispielsweise durch die Betreuung kranker Kinder«, so Bünning.
Wie geht es weiter?
Wie sehen die Experten also das Elternzeitgesetz mehr als ein Jahrzehnt nach seiner Einführung? »Die Bedeutung der Väter in der Erziehung hat sich dadurch sicher gewandelt, auch wenn sie nach wie vor nicht auf einer Stufe mit der von Müttern steht«, sagt Marcus Tamm. Doch die Wahrnehmung von Müttern, die früh wieder arbeiten gehen, habe sich ebenfalls geändert: Denn der Anteil der Frauen, die zwei oder drei Jahre zu Hause bleiben, um sich ausschließlich um das Kind zu kümmern, ist deutlich zurückgegangen. Das sei wahrscheinlich sogar der insgesamt größte Effekt, den man nach der Reform beobachten konnte, so Tamm.
Wenn das Gesetz offenbar geholfen hat, das väterliche Engagement zu fördern – sollte man es dann vielleicht noch entsprechend ausbauen, etwa den Anteil der »Partnermonate« erhöhen? Das hängt Tamm zufolge von den politischen Zielen ab, die man verfolgt. Wenn man möchte, dass Mütter und Väter möglichst gleich viel im Haushalt und zur Erziehung beitragen, sei das natürlich denkbar. Es würde vielleicht sogar die Benachteiligung von Müttern auf dem Arbeitsmarkt weiter reduzieren.
Tamm fürchtet jedoch, dass eine solche Regelung traditionell eingestellte Männer eher abschrecken könnte: »Wer sich einen oder zwei Monate gerade eben vorstellen kann, aber kein halbes Jahr, würde es dann vielleicht ganz lassen.« So würde gesamtgesellschaftlich nichts gewonnen. Die Flexibilität der bisherigen Regelung – also dass weitgehend den Familien überlassen wird, welcher Elternteil wie lange pausiert –, hält der Ökonom für einen wichtigen Faktor für ihre Akzeptanz.
Mareike Bünning sieht die Entwicklungen ebenfalls positiv. »Die Wirkung der zwei Partnermonate ist schon beeindruckend. Aber gleichzeitig ist noch Luft nach oben, wenn es um mehr Gleichberechtigung von Müttern und Vätern geht, sowohl im Beruf als auch bei der Verantwortung für die Kindererziehung.« Allerdings müsse man dabei beachten, meint Bünning, dass gar nicht allen Müttern daran gelegen sei, so schnell wie möglich in den Job zurückzukehren. »Viele wollen gerne mindestens ein Jahr für ihr Kind da sein und wären daher gar nicht dazu bereit, mehr Elternzeit an den Vater abzugeben«, erklärt die Soziologin.
Einen eher kuriosen Effekt väterlicher Elternzeit beschreiben schließlich in einer Studie aus dem Jahr 2019 die spanischen Wirtschaftswissenschaftlerinnen Lídia Farré Olalla und Libertad González. Demnach mindert eine Auszeit des Vaters die Lust der Eltern auf weitere Kinder. Farré Olalla und González untersuchten Paare, die direkt vor und nach der Einführung einer bezahlten Elternzeit für Väter (mit nach deutschem Maßstab bescheidenem Umfang von zwei Wochen) ein Kind bekommen hatten. Paare, bei denen der Vater nach der neuen Regelung eine zweiwöchige Auszeit nehmen durfte, bekamen in den darauf folgenden zwei Jahren nur halb so oft ein weiteres Kind wie Paare, die auf Grund des Geburtsdatums des Kindes gerade noch nicht zu den Nutznießern des neuen Gesetzes gehörten. Zudem verlängerte sich das Intervall bis zur Geburt des nächsten Kindes.
Die Forscherinnen vermuten, dass ein größeres Engagement des Vaters es der Partnerin eher ermöglicht, schneller wieder in den Beruf zurückzukehren – was wiederum eine erneute Schwangerschaft etwas unwahrscheinlicher macht. Zudem gaben Väter, nachdem sie die neue Elternzeit in Anspruch genommen hatten, ein geringeres Bedürfnis nach weiteren Kindern an. Vielleicht seien ihnen durch die Babypause die Anstrengungen des Kinderaufziehens stärker bewusst geworden, mutmaßen Farré Olalla und González. Oder sie würden dank der intensiveren Beschäftigung mit dem Nachwuchs ihren Fokus auf eine bessere Beziehungsqualität zu den Kindern legen statt auf die bloße Zahl der Kinder.
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