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Extremwetter: »Die meisten Haustiere können nicht schwitzen«

Temperaturen jenseits der 30 Grad belasten auch Haustiere. Beim Abkühlen helfen ihnen ihre Atmung, ihr Speichel und ihre Ohren, erklärt Veterinärmediziner Michael Leschnik.
Eine gähnende Katze liegt an einem Sommertag unter einem Stuhl im Schatten.
Katzen brauchen ähnlich wie Menschen bei Hitze ein schattiges Plätzchen und viel Ruhe.

Hecheln, vermehrte Fellpflege, ein kühles Bad im See: Um mit lang anhaltender Wärme umzugehen, haben Tiere ihre ganz eigenen Methoden entwickelt. In der Natur klappt das gut. Haustiere sind allerdings auf die Hilfe ihrer Besitzerinnen und Besitzer angewiesen. Im Gespräch erklärt der Veterinärmediziner Michael Leschnik von der Universitätsklinik für Kleintiere in Wien, was Hunde, Hasen und Co bei Hitze brauchen.

Bei Temperaturen von bis zu 37 Grad kommen wir Menschen ganz schön ins Schwitzen, für einige ist das sehr belastend. Wie geht es Haustieren damit?

Michael Leschnik: Auch für sie ist Hitze anstrengend. Im Gegensatz zu uns können die meisten von ihnen allerdings nicht schwitzen.

Warum ist Schwitzen wichtig, wenn es warm ist?

Beim Schwitzen pumpt das Herz mehr Blut durch den Körper, die Blutgefäße und Poren der Haut weiten sich und der von den Schweißdrüsen produzierte Schweiß tritt aus. Verdunstet er, hilft uns das, die Körperkerntemperatur konstant zu halten. Hunde und Katzen haben an den Fußballen zwar ebenfalls Schweißdrüsen, diese reichen jedoch nicht aus. Schweine und Kaninchen besitzen hingegen gar keine Möglichkeit zum Schwitzen.

Welche Strategien nutzen Tiere stattdessen?

Das ist unterschiedlich. Viele hecheln vor allem. Durch die schnelle Atembewegung produziert der Rachen Speichel und das Verdunsten kühlt. Über das Ausatmen und das Nasensekret, das beim Hecheln entsteht, gibt der Körper außerdem Wärme ab. Besonders sichtbar ist das bei Hunden, aber auch Vögel und Katzen können hecheln. Diese Atemtechnik ist allerdings anstrengend und führt dazu, dass die Tiere mehr Energie verbrauchen.

Michael Leschnik | Der Veterinärmediziner arbeitet an der Universitätsklinik für Kleintiere in Wien.

Hecheln reguliert die Körperinnentemperatur also nur für kurze Zeit?

Zumindest braucht es daneben noch andere Methoden. Katzen lecken sich zum Beispiel vermehrt ihr Fell. Hierdurch wird es feucht und das Verdunsten bringt Abkühlung. Die meisten Tiere nehmen auch gerne mal ein Bad, suchen sich einen Platz im Schatten, verlagern körperliche Aktivitäten in die Morgen- und Abendstunden und trinken mehr als üblich. Im Grunde dieselben Strategien wie bei uns Menschen.

Warum ist Ruhe für uns und Tiere so wichtig?

Durch Bewegung produziert der Körper Wärme. Um eine Überhitzung zu vermeiden, muss der Körper diese dann wieder abführen, und das kostet Energie. Die meisten Tiere ziehen sich bei Hitze daher instinktiv zurück. Nur Hunden fällt das nicht so leicht.

Was unterscheidet Hunde dabei von anderen Tieren?

Das enge Verhältnis zum Menschen. Die starke Domestizierung hat vielen ihren Instinkt abtrainiert. Gehe ich bei 37 Grad mit meinem Hund joggen oder lasse ihn neben meinem Fahrrad herlaufen, wird er das mitmachen. Denn Hunde sind darauf ausgerichtet, ihrem Besitzer oder ihrer Besitzerin zu folgen. Aus diesem Grund gibt es auch immer wieder Hunde, die kollabieren, obwohl ein See in der Nähe ist.

Was hat das mit der Domestizierung zu tun?

Die Tiere, von denen ich spreche, chillen nicht im Schatten oder planschen im Wasser, sondern werden von ihrem Frauchen oder Herrchen stundenlang damit beschäftigt, die Frisbeescheibe zu apportieren. Ein paar Sprünge ins Wasser können die Wärme, die ihr Körper durch die Bewegung und die hohen Temperaturen produziert, dann nicht mehr ausgleichen. Dass sie eine Pause brauchen, bekommen weder die Hunde noch ihre Besitzer mit. Bei Katzen ist das anders: Sie sind zwar auch keine Löwen mehr, ihren Instinkt haben sie jedoch weitgehend behalten: Zum Spielen in der prallen Sonne lassen sie sich jedenfalls nur schwer motivieren. Das Gleiche gilt für Nagetiere oder Vögel.

Apropos: Was ist mit Meerschweinchen, Mäusen und Kaninchen? Wie gehen sie mit Hitze um?

Auch sie brauchen Ruhe, Schatten und viel Flüssigkeit. Statt zu hecheln, nutzen einige von ihnen außerdem die Ohren. Diese sind mit einem Geflecht feiner Blutgefäße ausgestattet. Bei Wärme weiten sich die Gefäße und führen so Wärme ab. Im Gegensatz zu Hunden und Katzen werden Nagetiere allerdings häufig im Käfig oder im Freigehege gehalten. Steht dieses tagsüber direkt in der Sonne und fehlt ein schattiger Rückzugsort, reicht die Kühlung über die Ohren oder vermehrtes Trinken nicht aus. Dann droht diesen Tieren ebenfalls die Überhitzung. Das gilt gleichfalls für Vögel und Fische.

»Es hilft, Teile von Gehegen oder Aquarien mit einem Tuch abzudecken«

Wer ein Haustier hält, sollte also darauf achten, dass Käfige im Schatten stehen und genug Rückzugsmöglichkeiten vorhanden sind.

Und dabei den Verlauf der Sonne bedenken. Die wandert schließlich über den Tag, wobei sich die Intensität der Sonneneinstrahlung ändert. Mitunter hilft es, Teile der Gehege oder Aquarien mit einem Tuch abzudecken. Bei Fischen muss zusätzlich immer das Wasser kontrolliert werden: Steigt die Temperatur zu stark an, gilt es, kühles Wasser zuzuführen. Denn durch die Wärme sinkt auch der Sauerstoffgehalt. Das löst Stress aus, und im Extremfall fehlt den Tieren der Sauerstoff, um zu atmen.

Hängt es auch von der Rasse ab, ob die Hitze Hund oder Katze besonders zu schaffen macht?

Schwer haben es vor allem Möpse, Bulldoggen oder Perserkatzen. Durch die Zucht wurde ihr Schädel, ganz besonders Nase und Oberkiefer, immer weiter verkürzt. Erwachsene Tiere sollten ihre kindliche Stupsnase behalten. Die Folge sind verengte Nasenlöcher und Nasenhöhlen, ein verlängertes und verdicktes Gaumensegel sowie Veränderungen am Kehlkopf, was bei vielen zu Atemproblemen führt. Dadurch fällt es den Tieren schwer, ihre Körpertemperatur durch Hecheln zu regulieren. Erhöhte Gefahr besteht auch für Haustiere, die schon recht alt sind, Krankheiten wie Diabetes oder Herzprobleme haben oder übergewichtig sind. Denn Unterhautfett kann Wärme nicht gut leiten, was die Thermoregulation erschwert. Das ist im Grunde nicht anders als bei uns Menschen.

»Längeres Haar hat mitunter sogar einen kühlenden Effekt«

Was ist mit Tieren, die viel Fell haben, wie Langhaarkatzen? Leiden sie mehr als andere?

Nicht unbedingt. Durch die Luftzirkulation zwischen Haut und Fell hat längeres Haar mitunter sogar einen kühlenden Effekt. Außerdem schützt das Haar vor Sonnenbrand. Hilfreich kann es jedoch sein, das Unterfell, also das Haar, das näher am Körper liegt, regelmäßig durch Bürsten zu entfernen.

Was kann man noch tun, um Haustieren durch heiße Sommer zu helfen?

Gassigehen bei Hunden zum Beispiel in die kühlen Morgen- und Abendstunden verlegen. Das Gleiche gilt für Hundetrainings. Ähnlich wie Vögel freuen sich Hunde zudem über eine Bademöglichkeit, manche mögen es auch, sanft mit handwarmem Wasser aus der Sprühflasche geduscht zu werden. Nagetieren kann man eine zweite Trinkflasche in den Käfig hängen und mehr frisches Grünfutter anbieten. In Salat, Gurke und Paprika steckt zusätzlich Wasser. Tieren, die Nassfutter bekommen, wie Katzen, sollten kleine Portionen angeboten werden, da dieses Essen bei Wärme schnell verdirbt. Ganz wichtig ist auch, Tiere bei Hitze nicht im Auto zu lassen, was leider immer wieder passiert.

Davor warnt ebenfalls die Bundestierärztekammer.

Zu Recht. In der prallen Sonne steigen die Temperaturen im Auto schnell auf mehr als 70 Grad an. Ein spaltbreit geöffnetes Fenster und ein Schälchen mit Wasser reichen zur Thermoregulation dann nicht mehr aus, ebenso wenig das Hecheln. Tiere, in der Regel Hunde, können so schnell einen Hitzschlag bekommen.

Was genau passiert bei einem Hitzschlag?

Durch die steigende Körpertemperatur wird der Stoffwechsel immer weiter angeregt und damit zunehmend überlastet. Ab einer Körpertemperatur von 42 Grad werden zusätzlich lebenswichtige Eiweißstoffe zerstört und der Stoffwechsel bricht letztlich zusammen. Es kommt in weiterer Folge zum Multiorganversagen, das in vielen Fällen auch erst nach ein bis zwei Tagen eintreten kann.

Was müssen Besitzer und Besitzerinnen bei einem Hitzschlag tun?

Häufige Symptome sind vermehrter Speichelfluss, Gleichgewichtsstörungen, Erbrechen, Durchfall bis hin zur Bewusstlosigkeit. Wenn die auftreten, müssen sie das Tier in den Schatten bringen, sollten ihm Wasser anbieten und es mit kalten Tüchern kühlen. Oft braucht es auch einen Tierarzt oder eine Tierärztin, mitunter sogar einen Aufenthalt in der Klinik. Diese Erste-Hilfe-Maßnahmen sollte jede Person, die ein Tier hat, kennen. Aber eigentlich sollte es gar nicht erst so weit kommen.

Gibt es noch einen Tipp, den Sie Menschen mit Tieren mitgeben möchten?

Überlegen Sie, was Ihnen bei Hitze guttut. Vielleicht passt das auch zu Ihrem Hund oder Ihrem Wellensittich? Denn im Umgang mit Hitze sind uns die meisten Tiere ähnlicher, als wir denken. Wenn Sie sich nicht sicher sind, fragen Sie Ihre Tierärztin oder Ihren Tierarzt.

So schützen Sie Ihr Haustier

Worauf Menschen mit Haustieren achten müssen und was für Tricks es gibt, um Hunde, Katzen und Co zu entlasten, zeigt eine Übersicht der Veterinärmedizinischen Universität Wien.

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