Direkt zum Inhalt

Süßkartoffel-Forschung: Wie die Süßkartoffel nach Polynesien kam

Süßkartoffeln stammen wie Kartoffeln aus Amerika, haben es jedoch längst weit gebracht – etwa nach Polynesien. Hatte der Mensch dabei seine Hand lange vor Kolumbus im Spiel? Amerikaner sollen die nahrhafte Knolle als Handelsware in die Südsee transportiert haben, vermuteten Forscher. Eine hübsche, aber wohl falsche Theorie.
Verschiedene Süßkartoffelarten

Die Süßkartoffel verbreitete sich doch auf natürlichem Weg aus ihrer Heimat in Amerika nach Polynesien, meinen Forscher nun – und widerlegen die alte Vermutung, dass die nahrhafte Knolle als Kulturpflanze bereits vor Kolumbus mit Booten in die Südsee verhandelt worden sei. Wissenschaftler aus Großbritannien, Peru und den USA entschlüsselten jetzt den Stammbaum der Pflanze und zeigen, dass Süßkartoffeln bereits weit vor der Besiedlung durch die Menschen auf den Südseeinseln heimisch wurden.

Die Arbeitsgruppe um Robert Scotland von der University of Oxford untersuchte den genetischen Ursprung und die Entwicklung verschiedener Süßkartoffelarten aus Amerika und Polynesien. Dabei konnten die Botaniker zunächst bestätigen, dass alle Süßkartoffelarten auf eine gemeinsame Urform zurückgehen, deren Heimat sie in Mittel- und Südamerika verorten. Das gilt auch für die zwei untersuchten Arten aus Polynesien. Wie der Süßkartoffel-Stammbaum verrät, muss sich eine dieser polynesischen Batatenarten (Ipomoea littoralis) aber wohl schon vor mehr als einer Million Jahren auf den Südseeinseln entwickelt haben. Die andere hat sich dort nach den Berechnungen der Forscher bereits vor mehr als 100 000 Jahren herausgebildet. Menschen haben zu diesen Zeiten vor Ort keine Rolle bei der Verbreitung gespielt. Die Besiedlung Polynesiens ist nach bisherigem Forschungsstand ohnehin recht jung und erfolgte wahrscheinlich erst vor zirka 3000 Jahren.

Die Entstehungszeiten schätzten Scotland und seine Kollegen durch einen Erbgutvergleich der Varianten und anhand der durchschnittlichen Wahrscheinlichkeit für Mutationen im Genom der Pflanzen: Je mehr unterschiedliche Mutationen die Varianten aufweisen, desto länger ihre so genannten Divergenz-Zeiten. Den Berechnungen zufolge müssen sich Süßkartoffeln schon lange vor den Menschen in Polynesien angesiedelt haben, schlussfolgern die Wissenschaftler nun im Fachblatt »Current Biology«.

Damit muss eine neue Theorie erklären, wie es die Süßkartoffel auf die Südseeinseln schaffte. Dass sich die Pflanze auf natürlichem Weg verbreitet haben könnte, hatten viele Wissenschaftler bisher eigentlich als eher unwahrscheinlich erachtet. Tatsächlich sind Süßkartoffelsamen aber sehr widerstandsfähig und können lange Zeit im Wasser überleben. Scotland und sein Team halten daher einen natürlichen Transport der Samen durch die Pazifikströmung von Amerika bis nach Polynesien durchaus für möglich und finden diese Annahme durch ihre neuen Daten bestätigt.

Die Süßkartoffel scheint also ebenso wenig wie Hühner schon sehr früh als Handelsware mit Booten über den Pazifik transportiert worden zu sein. Die Vorfahren des amerikanischen Haushuhns sollten DNA-Analysen zufolge aus der Südsee stammen und in umgekehrter Richtung wie die Süßkartoffel über den Pazifik verschifft worden sein. Neuere Genstudien an polynesischem und südamerikanischem Geflügel zogen dies aber bereits vor einiger Zeit in Zweifel: Wie Wissenschaftler 2014 in der Zeitschrift »PNAS« berichtet haben, hatten wohl Kontaminationen bei den früheren Analysen zu der falschen Schlussfolgerung geführt, das amerikanische Hühnchen stamme aus Polynesien.

Auch wenn jetzt widerlegt scheint, dass Menschen lange vor der Neuzeit Hühnchen und Süßkartoffeln als Handelsware über den Pazifik transportiert haben: Für einen Kulturkontakt der präkolumbischen Menschen Amerikas und Polynesiens sprechen weitere Hinweise. So sind etwa die linguistischen und technologischen Ähnlichkeiten in beiden Regionen ohne einen frühen kulturellen Austausch der südpazifischen und amerikanischen Menschen nur schwer zu erklären.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.