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Biomechanik: Wie die Walnuss sich selbst knackt

Der Walnuss wohnt ein Paradox inne: Die harte Schale schützt den Keimling – doch sie ist auch sein Gefängnis. Die Lösung ist eine brillante Konstruktion, mit der die Nuss sich selbst knackt.
Eine Nahaufnahme von Walnüssen auf einem Holzbrett. Eine Walnuss ist geöffnet und zeigt den essbaren Kern, während drei geschlossene Walnüsse daneben liegen. Im Vordergrund sind einige Walnusskerne verstreut. Der Hintergrund ist unscharf und grün, möglicherweise ein Blatt.
Ein Mensch muss einiges an Kraft aufwenden, um eine Walnuss zu knacken. Für den Keimling im Inneren ist das ebenfalls ein Problem - wäre da nicht die Hilfe der Natur.

Die harte Schale der Walnuss schützt den empfindlichen Keimling perfekt vor den Gefahren der Umwelt. Doch sie stellt ihn auch vor ein großes Problem, denn aus eigener Kraft könnte er die holzige Wand nie durchbrechen. Bisher war rätselhaft, wie sich die Nuss selbst knackt, um den Babybaum sprießen zu lassen. Nun hat ein Team um Sebastian J. Antreich von der TU München herausgefunden, wie die Walnuss ihre Schale öffnet. Der Schlüssel ist der dünne Streifen, der die beiden Halbschalen in der Mitte miteinander verbindet. Wie das Team in der Fachzeitschrift »Advanced Functional Materials« berichtet, besteht er aus zwei unterschiedlichen Gewebestrukturen. Diese reagieren unterschiedlich auf den Kontakt mit Wasser. Wenn die Nuss immer wieder nass wird, dehnen sie sich verschieden stark aus und erzeugen durch die Spannung zwischen ihnen Risse. Nach einigen Nass-trocken-Zyklen breiten sich die Risse so weit aus, dass die Schale auseinanderfällt.

Für die Pflanze ist die Nuss ein schwieriger Kompromiss, denn die Sicherheit der harten Schale geht auf Kosten des Wachstums in der ersten Lebensphase. Deswegen ist entscheidend, dass die Schale genau zum richtigen Zeitpunkt aufgeht. Um zu entschlüsseln, wie das funktioniert, nahm das Team mit mehreren Verfahren die chemischen und physikalischen Eigenschaften der Walnuss unter die Lupe. Die zwei Halbschalen bestehen aus Zellen mit dicken Wänden aus regelmäßig angeordneten Zellulosefasern und Lignin – den beiden wichtigsten Bestandteile des Holzes. Ausstülpungen der Zellen verhaken sich zusätzlich ineinander und bilden ein sehr hartes, holzähnliches Material. Die Naht zwischen ihnen dagegen besteht aus einem erkennbar anderen Material. Es setzt sich, wie die Arbeitsgruppe um Antreich berichtet, im Wesentlichen aus zwei Gewebetypen zusammen. Im oberen Teil der Nuss, Richtung Spitze, dominieren zylindrische Zellen mit dünnen Wänden, die in ein umgebendes Material eingebettet sind. Im unteren Teil dagegen herrschen Zellen mit dicken, verholzten Wänden vor.

Die chemische Analyse dieser Gewebetypen zeigte, dass das Material zwischen den dünnwandigen Zellen im oberen Teil der Nuss Pektine sind. Das sind aus Zuckerbausteinen zusammengesetzte Moleküle, die sehr gut Wasser aufnehmen und dabei ihr Volumen vergrößern. Das Material am unteren Ende der Nuss dagegen ähnelt eher der steifen Schale. Die Arbeitsgruppe setzte nun die Nuss abwechselnd Feuchtigkeit und Trockenheit aus und beobachtete unter dem Mikroskop, was geschieht. Die pektinreiche Nahtschicht am oberen Ende der Nuss dehnte sich aus und schrumpfte wieder. Durch die entstehenden Spannungen bildeten sich Risse im Nahtmaterial, die sich von den Seiten langsam vorarbeiteten. In der Natur treffen sich die Risse schließlich und trennen die Schalenhälften voneinander – so dass der Keimling sie schließlich auseinanderstemmen und in die Freiheit entkommen kann.

  • Quellen
Antreich S. et al, Advanced Functional Materials 10.1002/adfm.202510682, 2025

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