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Familie: Wie Eltern psychische Probleme an ihre Kinder weitergeben

Kinder von Eltern mit einer psychischen Störung sind oft ebenfalls anfälliger für seelische Probleme. Wie kommt dieser Zusammenhang zu Stande? Zwei neue Studien liefern Antworten.
Mutter und Tochter von hinten, die auf einem Bett sitzen und sich umarmen
Mütter geben Angststörungen eher an Töchter weiter als an Söhne. (Symbolbild)

Wer mit psychisch erkrankten Eltern aufwächst, hat ein erhöhtes Risiko, später im Leben selbst seelische Probleme zu ent­wickeln. Das wirft die Frage auf: Ist eher eine genetische Veranlagung für die Übertragung verantwortlich oder das Aufwachsen in einem entsprechend belasteten Elternhaus? In zwei Studien, deren Ergebnisse im Sommer 2022 veröffentlicht wurden, gingen Forschungsteams aus den USA und Kanada der Sache auf den Grund.

Eine Gruppe um Alexandra Burt von der Michi­gan State University wertete Daten von 720 Familien aus, die an einer Langzeitstudie zur kind­lichen Entwicklung teilgenommen hatten. Manche Kinder wuchsen bei beiden biologischen Eltern auf, andere mit einem Stiefelternteil. In den meisten Fällen handelte es sich bei Letzterem um den Stiefvater, weshalb sich die Auswertung auf die Übertragung der Psychopathologie vom Vater auf die Kinder beschränkte.

Kinder aus Patchworkfamilien waren generell stärker psychisch belastet als jene, die mit beiden biologischen Eltern aufwuchsen: Sie litten als Teenager häufiger unter depressiven Symptomen und Konzentrationsproblemen, zudem fielen sie eher durch antisoziales Verhalten auf. Gleiches galt für Jugendliche mit einem Vater, der an einer Depression litt. Die Forschenden fanden dabei kaum Unterschiede zwischen Geschwistern innerhalb einer Familie, selbst wenn manche Kinder darin mit dem Vater genetisch verwandt waren und andere nicht. Dies deute darauf hin, dass die familiären Bedingungen und das gemeinsame Aufwachsen im Elternhaus stärker auf die Psychopathologie einwirkten als die Gene, so Burt und Kollegen. Tatsächlich ließ sich der Zusammenhang zwischen väterlicher Depression und psychischen Auffälligkeiten der Kinder zum Teil durch vermehrte Konflikte und Streitigkeiten in der Familie erklären.

Töchter übernehmen die Ängste ihrer Mütter, Söhne die ihrer Väter

Eine weitere Studie untersuchte, ob Eltern Angststörungen an ihre Kinder übertragen können. Das Team um Barbara Pavlova von der Dalhousie University im kanadischen Halifax befragte dazu 398 Kinder im Alter von durchschnittlich rund elf Jahren und ihre Eltern, soweit verfügbar. Angststörungen werden demnach ebenso von einer Generation an die nächste weitergereicht – allerdings geschlechts­spezifisch: von Müttern an die Töchter und von Vätern an die Söhne. Angsterkrankungen des andersgeschlechtlichen Elternteils spielten dagegen fast keine Rolle.

Auch dieses Ergebnis spricht den Forschenden zufolge dafür, dass das familiäre Umfeld für die Übertragung psychischer Störungen einen größeren Stellenwert hat als genetische Gemeinsamkeiten. Vorbild- und Nachahmungs­effekte führten dazu, dass sich Töchter unbewusst stärker an der Mutter orientierten, Söhne mehr am Vater. Pavlova und ihre Kollegen empfehlen Eltern, eine Angststörung rechtzeitig behandeln zu lassen: Damit könnten sie ihre Kinder vor einer Übertragung schützen.

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