News: Wie groß ist unser kosmischer Vorgarten?
Auf der Jahrestagung der Division for Planetary Sciences in Pasadena, Kalifornien, verkündeten am 25. Oktober 2000 gleich zwei Arbeitsgruppen, dass sie mit modernsten Methoden den Rand des Sonnensystems entdeckt hätten – einen Bereich, hinter dem es keine leuchtenden Objekte mehr gibt. Den letzten Außenposten stellen die Körper des Kuiper-Gürtels dar: die Überreste der Wolke aus Gasen, Eis und Staub, aus welcher sich einst die großen Planeten gebildet haben.
Die Astronomen Lynne Allen und Gary Bernstein von der University of Michigan in Ann Arbor sowie Renu Malhotra von der University of Arizona in Tucson durchmusterten sechs Ausschnitte des Himmels, die zusammen eine Fläche von 1,4 Grad2 umfassten. Die Empfindlichkeit war dabei so groß, dass sie ein Objekt mit 160 Kilometern Durchmesser noch in einer Distanz von 65 AE hätten wahrnehmen können – doch da war nichts mehr. Das Team entdeckte zwar 24 neue Körper des Kuiper-Gürtels, aber kein einziger befand sich jenseits von 55 AE (Tagungsabstract).
Eine ähnliche Erfahrung machten Chadwick Trujillo vom California Institute of Technology in Pasadena, David Jewitt von der University of Hawaii in Manoa und Jane Luu von der Universiteit Leiden in den Niederlanden. Sie untersuchten sogar 76 Grad2 des Himmels und fanden 57 neue klassische Objekte des Kuiper-Gürtels. Alle waren sie innerhalb von 50 AE Abstand zu Sonne lokalisiert (Tagungsabstract).
Sollte der Kuiper-Gürtel tatsächlich bei wenig mehr als 50 AE enden, dann hätte das Konsequenzen für Theorien, welche die Entstehung der Planeten beschreiben wollen. Dieser Prozess hätte dann in einer viel kleineren Materiewolke stattfinden müssen, als man bisher angenommen hat. Es könnte allerdings auch sein, dass ein massereiches vorbeiziehendes Objekt – ein fremder Stern etwa – vor langer Zeit einen großen Teil der Kuiper-Objekte mit sich gerissen hat.
Nicht alle Astronomen sind bereit, an eine abrupte Grenze des Sonnensystems zu glauben. "Ich denke nicht, dass dies starke Hinweise sind", sagt Brett Gladman vom Observatory of Nice. "Das ist eine sehr schwierige Aufgabe, weil diese Objekte mit zunehmender Distanz sehr schnell lichtschwächer werden. Und die Ergebnisse hängen von den Annahmen ab, die gemacht wurden, um die Daten auszuwerten." Diese Annahmen werden den Wissenschaftlern wohl im nächsten Jahr vorgestellt, denkt er. Und frühestens dann kann man eine Grenzlinie ziehen.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 12.2.1999
"Wachwechsel am Rande des Sonnensystems"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 9.11.1998
"Neues vom Rande des Sonnensystems"
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