Direkt zum Inhalt

Haustiere: Wie Hundekrebs die Welt eroberte

Hunde gehören zu den wenigen Tieren, die Krebs über übertragbare Zellen weitergeben können. Nun haben Wissenschaftler dessen bewegte Geschichte untersucht.
Hunde beschnüffeln gegenseitig ihre Feuchtgebiete. In aller Öffentlichkeit! Hund müsste man sein.

Hunde besitzen eine Sonderstellung – nicht nur bei ihren Haltern, sondern auch medizinisch: Bislang kennt die Wissenschaft lediglich acht Krebstypen, die sich über Zellen von Tier zu Tier verbreiten und zu neuen Tumoren führen können. Fünf davon betreffen Muscheln, gleich zwei den Tasmanischen Beutelteufel – und eine Variante eben auch Hunde. Die »übertragbaren Geschlechtstumoren des Hundes« (canine transmissible venereal tumors oder CTVT) entstehen, wenn Hunde sich beim Geschlechtsverkehr oder beim Ablecken mit Krebszellen infizieren; diese Zellen führen dann zu Krebsgeschwüren im Genitalbereich der Tiere. Elizabeth Murchison von der University of Cambridge und ihr Team haben nun die Vergangenheit jener Krankheit in »Science« dargelegt.

Die Genomanalysen bestätigten, dass CTVT vor rund 6000 Jahren in einer Region in Zentralasien erstmals auftrat – wahrscheinlich in China. Von dort breiteten sie sich erst einmal sehr langsam aus, womöglich weil das Gebiet relativ isoliert war. Erst vor 2000 Jahren entwickelte sich dann eine gewisse Dynamik, und der infektiöse Krebs stieß in weitere Gebiete Asiens vor – bis nach Indien und Westasien, von wo er schließlich Europa erreichte. Mit Beginn der Neuzeit vor 500 Jahren beschleunigte sich seine Expansion: An Bord europäischer Eroberer gelangten infizierte Hunde nach Amerika; dort breitete sich die Seuche zügig aus – und kehrte als neue, veränderte Linie im 18. Jahrhundert wieder nach Europa zurück. Jene Variante war offensichtlich noch ansteckender, denn sie verbreitete sich rasch in Europa und Afrika – und schließlich im Rest der Welt: Die meisten der heutigen CTVT-Fälle gehen auf diese Linie zurück.

Besonders fasziniert waren die Wissenschaftler von einer Mutation, bei der sich die Abfolge der DNA-Bausteine von GTCCA zu GTTCA geändert hat. Derartiges hat man bislang noch bei keinem anderen Krebs bei keiner anderen Art festgestellt. Ein Drittel aller Genommutationen in der Anfangsphase von CTVT geht auf diese Änderung zurück, doch in den letzten 2000 Jahren spielte sie offensichtlich überhaupt keine Rolle mehr. Noch wisse man nicht, worauf dies zurückzuführen sei, so Murchison gegenüber »The Atlantic«. Womöglich haben frühere Hundehalter versucht, die verkrebsten Genitale ihrer Hunde mit einem Mittel zu behandeln, spekuliert die Wissenschaftlerin.

Überhaupt haben sich in der DNA von CTVT sehr viele Mutationen angesammelt. Heutige Tumoren unterscheiden sich genetisch so stark vom ursprünglichen Krebs wie heutige Hunde von ihren damaligen Vorfahren. Andererseits ist sein Genom verglichen mit anderen Tumorgenomen relativ stabil. Neue Mutationen entstehen demnach ziemlich langsam, und die meisten davon sind neutral: Der Krebs profitiert davon nicht, etwa indem er sich schneller ausbreitet. Auch dies unterscheide ihn von weiteren Krebsarten, die sich beständig an veränderte Umweltbedingungen anpassen, um das Immunsystem ihrer Träger zu überlisten. Für die Wissenschaftler ist CTVT daher schon fast eher ein Parasit, der mit seinem Wirt koexistiert. Für die Hunde ist das eine relativ gute Nachricht, denn Murchison und Co vermuten, dass die Tumoren zumindest den größten Teil der Zeit keinen Einfluss auf die Lebenserwartung und die Fortpflanzung der Hunde haben.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.