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Biochemie: Wie injiziert man ein Gen?

Die Türsteher von Zellmembranen erledigen ihren Job äußert gewissenhaft: Nur wer die molekulare Schlüsselstruktur besitzt, darf passieren. Leider stehen daher auch viele Therapeutika vor verschlossenen Toren.
Mit Fluorescein funktionalisiertes Kohlenstoffnanoröhrchen
Viele Gene, die mit bestimmten Erkrankungen im Zusammenhang stehen, sind mittlerweile bekannt. Die Wissenschaft arbeitet daran, dieses Wissen zur Heilung von Krankheiten nutzbar zu machen. Man stellt sich vor, fehlerhafte oder fehlende Gene zu ersetzen, indem das betreffende Gen den Körperzellen von außen zugeführt wird. Das ist gar nicht so einfach, denn das Erbmolekül DNA tritt nicht so ohne weiteres durch Zellmembranen hindurch, sondern braucht einen Transporter, zum Beispiel Viren, Liposomen oder spezielle Peptide.

Ein europäisches Team von Wissenschaftlern um Davide Pantarotto von der Universität von Triest hat nun einen neuen Ansatz entwickelt: Es ist ihnen gelungen, DNA mithilfe modifizierter Kohlenstoff-Nanoröhrchen in Säugetierzellen einzuschleusen. Kohlenstoff-Nanoröhrchen sind winzige nadelförmige Gebilde, die nur aus Kohlenstoff-Atomen bestehen. Man kann sie sich als eine oder mehrere Lagen einer aufgerollten Graphitschicht vorstellen. Inzwischen sind sie, neben technischen Anwendungen, auch als Materialien für die Biomedizin ins Zentrum des Interesses gerückt.

Modifiziertes Kohlenstoff-Nanoröhrchen | Aminogruppen machen die Kohlenstoff-Nanoröhrchen wasserlöslich.
Um als Gen-Transporter zu funktionieren, müssen die winzigen "Nadeln" aber erst ein wenig verändert werden: Die Forscher verbanden mehrere Ketten aus Kohlenstoff- und Sauerstoff-Atomen mit der Außenseite der 20 Nanometer dünnen und 200 Nanometer langen Kohlenstoff-Nanoröhrchen. Die Kettenenden bestehen jeweils aus einer positiv geladenen Aminogruppe (-NH3+). Diese Modifikation macht die winzigen Nadeln wasserlöslich. Vor allen Dingen wirken die geladenen Gruppen aber sehr anziehend auf die negativ geladenen Phosphatgruppen von DNA-Rückgraten.

Mithilfe dieser elektrostatischen Anziehungskräfte gelang es den Wissenschaftlern, Plasmide – das sind kleine ringförmige DNA-Stücke aus Bakterien – fest an der Außenseite der Nanoröhrchen zu verankern. Dann brachten sie die DNA-Nanoröhrchen-Hybride mit einer Zellkultur aus Säugetierzellen in Kontakt. Und siehe da: Die Kohlenstoff-Nanoröhrchen gelangten mitsamt ihrer DNA-Fracht in die Zellen hinein.

Elektronenmikroskopische Aufnahmen dünner Zellschnitte zeigen sogar, wie sich die feinen Nädelchen durch die Zellmembran fädeln. Dabei sind sie kaum giftig für die Zellen, da sie – im Gegensatz zu einigen herkömmlichen Gentransportsystemen – die Membran während des Durchtritts nicht destabilisieren.

Die eingeschleusten Gene erwiesen sich in der Zelle als funktionstüchtig. Kohlenstoff-Nanoröhrchen können aber nicht nur Gene transportieren. Mithilfe anderer Modifikationen könnten auch andere Therapeutika angeknüpft und in Zellen eingeschleust werden.

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