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Ökobilanz: Ein kritischer Blick

Sind E-Autos ein großer ökologischer Fortschritt? Oder verschärfen sie das Klimaproblem nur? Unser Autor hat sich auf eine ausführliche Spurensuche begeben - und erklärt, wieso das Thema zu komplex ist für einfache Antworten.
Ladende Elektroautos

Das Elektroauto hat ein Imageproblem – sein Ruf ist zu gut. Wer einen der Stromer lenkt oder auf der Straße vorbeizischen sieht, denkt oft: Geht doch, Autofahren völlig ohne Emissionen. Auch der Gesetzgeber stuft die Fahrzeuge als komplett sauber ein, darum stoßen rein elektrisch angetriebene Autos laut Kraftfahrbundesamt kein Kohlendioxid aus. Das perfekte Umweltmobil, oder nicht?

Das ist natürlich Quatsch. Emissionen entstehen auch bei der Elektromobilität. Zwar haben die Autos von Tesla, Mitsubishi oder Renault, die Elektro-Smarts, e-Golfs und i3-BMWs keinen Auspuff. Aber die Kohle- und Gaskraftwerke, die in Deutschland immer noch den meisten Strom erzeugen, haben Schornsteine. Die Klimawirkung dieser Meiler wird von den Windrädern und Solarparks im Stromnetz nur gemindert, nicht aufgehoben.

Keine seriös aufgestellte Ökobilanz wiederholt die politische Fiktion, Elektrogefährte seien klimaneutral

Und auch die Fabriken, in denen die Autos gebaut werden, verbrauchen Energie. Was dort ausgestoßen wird, muss den Fahrzeugen zugerechnet werden. "Mobilität mit dem Auto gibt es niemals zum ökologischen Nulltarif", sagt Eckard Helmers von der Hochschule Trier, der sich dort mit der Ökobilanz der Stromer beschäftigt. "Wenn Sie ein Gefährt von mindestens 800 Kilogramm Masse im Straßenverkehr bewegen wollen, führt das natürlich zu einem relevanten CO2-Impact."

Keine seriös aufgestellte Ökobilanz für Batteriemobile wiederholt daher die politische Fiktion, die Gefährte seien klimaneutral. Im besten Fall sind ihre rechnerischen Emissionen, umgerechnet auf den Kilometer Fahrstrecke, geringer als die Treibhausgase, die ein Vergleichsfahrzeug produziert, wenn es Benzin, Diesel oder Erdgas verbrennt.

Dafür erfordert jedoch der Bau eines Elektroautos, besonders die Herstellung seiner Batterie, einen Aufwand, der bei keinem konventionellen Wagen anfällt. Es hat also dem Klima schon mehr geschadet als der Diesel oder Benziner daneben, wenn beide mit null Kilometern auf dem Tacho beim Händler stehen. Die interessante Frage ist daher, ob Elektroautos über ihren gesamten Lebenszyklus gerechnet einen ökologischen Vorteil gegenüber Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren bieten.

Diese Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten, weil sehr viele Faktoren eine Rolle spielen: der Stromverbrauch, die Herkunft der Elektrizität, das Klima am Einsatzort, die Herstellung der Zusatzkomponenten und vor allem der Batterie, die Lebensdauer und Fahrleistung des Autos, die politischen Rahmenbedingungen. Wie so oft entscheiden grundlegende Annahmen über das Ergebnis der Ökobilanz-Studien.

So kommt es, dass die Urteile der Fachleute von "der größte ökologische Fortschritt in 100 Jahren Autoentwicklung" (Helmers) bis zu "Elektroautos verschärfen die Klimaprobleme massiv" (Dieter Teufel, Leiter des Umwelt- und Prognoseinstituts in Heidelberg) reichen.

Immer mal wieder spült eine Studie den einen oder anderen Aspekt nach oben, und dann kann das Bild vom Elektroauto in der Öffentlichkeit schnell kippen. So hat vor Kurzem das schwedische Umweltforschungsinstitut IVL Daten über die Produktion der Batterien zusammengetragen, und schon schrieb das Nachrichtenmagazin "Spiegel" über "Stromillusionen" und "Ökoschwindel".

Wenig später legte das deutsche Öko-Institut einen Bericht darüber vor, wie man den Klimavorteil der Elektromobilität sichern könne – dass es da Zweifel gäbe, haben die Fachleute in Berlin nicht einmal berücksichtigt.

Die Annäherung an eine Umweltbilanz braucht darum mehrere Kapitel. In diesem Artikel soll es allerdings nur um den Ausstoß von Treibhausgasen gehen. Eine Rechnung für andere Schadstoffe oder Umwelteffekte wie Feinstaub oder Flächenverbrauch sähe wieder ganz anders aus.

Erstes Kapitel: Autobau und Batterieherstellung

Elektromobile sind viel aufwändiger zu konstruieren als herkömmliche Autos. Volkswagen und BMW zeigen das etwas verschämt in den knappen Umweltbroschüren ihrer Modelle e-Golf und i3: Bei der Produktion wird etwa doppelt so viel Kohlendioxid wie bei einem konventionellen Vergleichsprodukt freigesetzt.

Beim Wolfsburger Konzern sind es zirka neun statt etwa vier Tonnen Kohlendioxid, wie sich einer Grafik entnehmen lässt. Dieser Unterschied geht vor allem auf die Batterien zurück. Die schwedische Übersichtsarbeit des IVL-Instituts kalkulierte die zusätzliche Emission auf etwa 150 bis 200 Kilogramm CO2-Äquivalente pro Kilowattstunde Speicherkapazität. Andere Forscher kommen auf ähnliche Werte, Jens Peters vom Karlsruher Institut für Technologie taxiert die Emissionen nach einem Blick in die Literatur auf 110, das Heidelberger ifeu-Institut im Auftrag des Umweltbundesamtes auf gut 140 und ein Team um die norwegische Forscherin Linda Ellingsen auf etwas mehr als 170 Kilogramm CO2 pro Kilowattstunde Kapazität.

Diese Maßzahlen bedeuten für den e-Golf, der zunächst eine Batterie von 24 Kilowattstunden hatte, etwa vier bis fünf Tonnen ausgestoßenes CO2, und dieser Wert entspricht ungefähr den Angaben im Umweltprädikat, das Volkswagen 2014 herausgegeben hat. Inzwischen hat der Energiespeicher des Modells jedoch 36 Kilowattstunden Kapazität.

Autos im Smog | Gut für die Luft in Städten wären Elektroautos allemal. Dennoch werden insbesondere bei ihrer Herstellung große Mengen CO2 freigesetzt. Wie viel genau, hängt von vielen Faktoren ab.

Eine eher kleine Rolle beim Effekt für das Klima spielt dabei die genaue chemische Zusammensetzung der Batterie, eine deutlich größere die geografische Herkunft, weil die Fabriken bei der Aufbereitung der Rohstoffe und der Montage der Speicherzellen viel Strom verbrauchen. Dass zurzeit viele Batterien aus China kommen, wo viel Elektrizität aus ineffizienten Kohlekraftwerken im Netz fließt, belastet daher die Bilanz der Autos. "Es hängt allerdings auch in China vom genauen Standort der Fabrik ab", sagt Peter Kasten vom Öko-Institut. "Im Südosten stammt etwa ein Drittel des Stroms aus erneuerbaren Energien, im Norden vor allem aus Kohlekraftwerken."

Die Batteriemobile starten also mit einem schweren ökologischen Rucksack. Nimmt man als Durchschnittswert einen Ausstoß von fünf Tonnen CO2 bei der Produktion des Stromspeichers, dann entspricht das der Verbrennung von 2150 Litern Benzin oder 1900 Litern Diesel. Damit kommen die sparsamsten Verbrenner ungefähr 50 000 Kilometer weit.

Zweites Kapitel: Der Strom zum Fahren

Wer annimmt, dass Elektroautos keine Emissionen produzieren, macht fast immer den gleichen Denkfehler: Er nimmt an, das Gefährt werde exklusiv mit Strom aus erneuerbaren Quellen betankt. Elektrizität im Netz lässt sich aber nicht nach Farben in grünen Ökostrom und braunen Kohlestrom sortieren, durch die Leitungen fließt immer eine Mischung. Im Mittel sind laut Umweltbundesamt 2016 für jede Kilowattstunde Strom 527 Gramm CO2 ausgestoßen worden. Das Elektroauto Ioniq von Hyundai hat damit nach offiziellen Angaben eigentlich eine rechnerische Emission von 50 Gramm pro Kilometer, ein Opel Ampera-e 76 Gramm, ein Citroën Berlingo Electric 93, ein Ford Focus zum Aufladen 81, und ein Model S von Tesla kommt auf bis zu 125 Gramm CO2 pro Kilometer (mangels guter Daten zum Strombedarf im realen Verkehr muss diese Rechnung zunächst mit den offiziellen Verbrauchswerten auskommen).

Das ist in jedem Fall weniger, als vergleichbare herkömmliche Autos ausstoßen. Hier kommen die sparsamsten, kleinen Fahrzeuge knapp unter einen Ausstoß von 100 Gramm CO2 pro Kilometer, alle anderen sind – teilweise hoch – dreistellig. Die Batteriemobile ersparen der Umwelt aber nicht diese ganze Menge, sondern es sind nur 20 oder 30, maximal 40 Gramm Differenz gegenüber Sparmodellen mit Verbrennungsmotoren. Dreistellige Einsparungen gibt es höchstens in der Luxusklasse, in der das Auto von Tesla fährt. Um mit den zweistelligen Differenzwerten zusätzliche fünf Tonnen Kohlendioxid aus der Batterieproduktion auszugleichen, müssten Elektroautos normaler Dimensionen schon in die Größenordnung von 150 000 Kilometern Fahrleistung kommen und dafür zehn bis zwölf Jahre auf der Straße bleiben.

Anders sieht es aus, wenn man mit echtem Ökostrom rechnet. Dazu genügt es allerdings nicht, einen entsprechenden Tarif für den Privathaushalt zu bestellen und das Elektroauto in der eigenen Garage aufzuladen. Diese Elektrizität stammt oft aus konventionellen Kraftwerken und wird mit Zertifikaten etwa aus Norwegen umdeklariert. So oder so trägt sie bereits zum Strommix bei: Würde man die klimaschonende Eigenschaft exklusiv dem Auto zurechnen, verschlechterte sich die Bilanz für andere Anwendungen entsprechend – ein Nullsummenspiel.

Stattdessen sollte die nötige Strommenge aus einem eigens für diesen Zweck errichteten Windrad oder Solarpark stammen, das fordert auch die Nationale Plattform Elektromobilität. Diese Bedingung ist streng: Die Anlage darf eigentlich nur dem elektrischen Verkehr dienen und keine öffentlichen Zuschüsse oder Einspeisevergütungen in Anspruch nehmen. Das schließt auch so manche Fotovoltaikanlage auf dem eigenen Dach aus, die schon vor dem Kauf des Elektroautos existierte. Gütesiegel, die wie das Grüner-Strom-Label den Ausbau der Erneuerbaren fördern, können Kunden den Weg weisen.

Seriöse Ökobilanzen sehen Elektroautos in Deutschland ungefähr auf gleicher Höhe mit sparsamen Verbrennern

Einige Autofirmen haben dies inzwischen verstanden und speisen für ihre Batteriemobile den Strom aus neuen Anlagen ins Netz. Daimler zum Beispiel, lobte das Öko-Institut in seinem Bericht aus dem Mai 2017, habe ein Windrad finanziert und "ordnet die grüne Eigenschaft des Stroms kommunikativ dem Fahrstromverbrauch der Elektrofahrzeuge aller Kunden zu". Damit stellte das Institut den Fahrern der ersten Generation von Elektro-Smarts also eine Art entsprechendes Zertifikat aus. "Leider führt Daimler das wahrscheinlich nicht fort", bedauert Peter Kasten dagegen heute. Erst wenn nämlich diese Bedingung erfüllt ist, kann der Emissionsfaktor der regenerativ erzeugten Elektrizität auch in die Ökobilanz des Autos einfließen.

Auf null fällt der Ausstoß trotzdem nicht: Auch bei der Erzeugung von Windstrom an Land werden laut Umweltbundesamt neun Gramm CO2 pro Kilowattstunde frei, bei Fotovoltaikanlagen sind es 55 Gramm. Das sind wiederum rechnerische Emissionen – auch die Solarzellen und ihre Ständer, die Flügel und Masten der Windräder müssen schließlich hergestellt, transportiert, aufgestellt und angeschlossen werden.

Drittes Kapitel: Zwischensumme

Viele seriöse Ökobilanzen sehen Elektroautos, die normalen deutschen Strom tanken, zurzeit ungefähr auf gleicher Höhe mit sparsamen Verbrennern. Die Nationale Plattform Elektromobilität und das Umweltministerium bescheinigen dem Akkuantrieb einen zwölfprozentigen Vorteil, und auch der Trierer Professor Helmers sieht die Stromer in seinen Bilanzen vorn, und zwar bereits dann, wenn man mit dem deutschen Strommix von 2013 rechnet. Dieser hat sich seither sogar um etwa zehn Prozent verbessert; die Emission pro Kilowattstunde ist also gesunken.

Das Team um Dieter Teufel vom Umwelt- und Prognose-Institut (UPI) in Heidelberg sieht ebenfalls einen leichten Vorteil für Batteriemobile, wenn man sie isoliert betrachtet. Zuletzt fanden sich nur noch die Heidelberger Kollegen vom ifeu-Institut, die dem sparsamen Diesel einen leichten Vorteil zusprachen. Ihre Studie hatte das Umweltbundesamt erst 2016 veröffentlicht. Doch auch diese Forscher zeigen mit Ende August 2017 aktualisierten Zahlen in einem Onlinerechner, dass das Batteriemobil die Nase vorn haben kann, wenn man annimmt, dass die Energiewende weitergeht. Es kann allerdings auch dann bis zum neunten Fahrzeugjahr dauern, bis sich der Vorteil der Elektromobilität zeigt.

Der Unterschied zwischen vielen dieser Studien steckt in Details: Werden Fahrzeuge ähnlicher Größe verglichen, kommt der Diesel dem Elektroauto zumindest nahe, besonders wenn die Batterie von Letzterem etwas üppiger bemessen ist. Geht es hingegen um den Durchschnitt der zugelassenen Autos, in den gerade bei den Selbstzündern viele deutlich übermotorisierte Wagen einfließen, haben die kleineren Elektroautos einen eingebauten Vorteil. Außerdem kommt es stark auf die Voraussetzungen und Bezugsjahre an. "Wenn eine Studie erscheint, sind die Annahmen wegen der Dynamik des Marktes oft schon wieder veraltet", seufzt Peter Kasten vom Öko-Institut.

"Wenn eine Studie erscheint, sind die Annahmen wegen der Dynamik des Marktes oft schon wieder veraltet"Peter Kasten, Öko-Institut

Allerdings sieht die Rechnung deutlich anders aus, wenn tatsächlich echter Ökostrom aus zusätzlich errichteten Anlagen in den Tank fließt. Dann sind die Elektroautos in allen Bilanzrechnungen unerreichbar sauber. Laut der Heidelberger ifeu-Studie fallen für den Diesel im Lebenszyklus ungefähr 190 Gramm CO2 pro Fahrkilometer an, wenn man alle Faktoren zusammenrechnet. Beim Elektromobil mit Windstrom sind es etwa 60.

In diesen Zahlen liegt übrigens eine nationale Versuchung. Deutschland könnte mit den deutlichen Ersparnissen in der Nutzungsphase seine eigene Emissionsbilanz aufhübschen und dabei galant übersehen, dass die großen CO2-Emissionen während der Batterieproduktion in asiatischen Ländern, vor allem in China, zu Buche schlagen. Die Treibhausgase allerdings verändern das Klima völlig unabhängig davon, auf welcher Seite von irdischen Grenzen sie in die Atmosphäre gestiegen sind.

Viertes Kapitel: Wenn und Aber

Die Zwischenbilanz lässt sich von etlichen Faktoren in beide Richtungen verschieben. Nachteile entstehen beispielsweise, wenn das Elektroauto unbedingt eine Reichweite von 400 statt 150 bis 200 Kilometern haben soll. Dann braucht es eine doppelt so große Batterie und müsste unrealistische 300 000 Kilometer zurücklegen, um seinen ökologischen Rucksack abzutragen.

E-Auto beim Aufladen

Einen Einfluss hat auch, dass es in Deutschland im Winterhalbjahr kalt und nebelig ist. Heizung und Gebläse eines Elektromobils gehen immer zu Lasten der Batterie, während die nötige Wärme beim herkömmlichen Auto ein Abfallprodukt ist. Das kann den Verbrauch eines Fahrzeugs mit Akkuantrieb im Extremfall um die Hälfte steigern.

Ein weiterer Nachteil ist, wenn Elektroautos zum falschen Zeitpunkt geladen werden, sobald es mal Millionen von den Gefährten gibt. Eine erhöhte Energienachfrage zu einem Zeitpunkt, an dem gerade wenig erneuerbarer Strom zur Verfügung steht, kann den Strommix negativ beeinflussen. Die Autos sollten also eine intelligente Ladesteuerung haben, die mit dem Netz kommunizieren kann, wann es günstig ist, Energie zu tanken.

Von Vorteil hingegen ist, dass die offiziellen Verbrauchszahlen bei Elektroautos ähnlich geschönt sind wie bei Verbrennern. So ärgerlich dieser Umstand sonst ist, weil die absolute Umweltbelastung aller Kraftfahrzeuge zunimmt, steigert er hier auch die Differenz zwischen beiden Technologien entsprechend. Das trägt dazu bei, dass Batteriemobile ihren ökologischen Rucksack schneller abtragen.

Positiv auf die Bilanz wirkt sich auch aus, wenn die Gefährte in Dänemark, Österreich, der Schweiz oder einem anderen Land, das einen sehr hohen Anteil erneuerbarer Energie im Strommix hat, gefahren und betankt werden. In Österreich werden zum Beispiel um die 150 Gramm CO2 pro Kilowattstunde freigesetzt. Dort sinken die rechnerischen Emissionen eines BMW i3 von 66 auf 19 Gramm pro Kilometer Fahrstrecke.

Bessere Batterien, leistungsfähigere Elektronik, mehr Leichtbauteile: Elektroautos werden im Lauf der Zeit immer sauberer

E-Autos kommt es auch zugute, wenn die Batterien nicht leer gefahren oder voll aufgeladen werden, denn beides verkürzt die Lebensdauer. Zudem erwärmt sich der Energiespeicher übermäßig, wenn er über 85 Prozent seiner Kapazität weiter Strom akzeptieren soll. Erste Erfahrungen bei Tesla-Modellen zeigen zudem, dass die Akkus eher länger halten als anfangs befürchtet.

Ein weiterer Pluspunkt ist, wenn Elektroautos vor allem in der Stadt fahren. Beim häufigen Anfahren und Bremsen gewinnen sie viel Bewegungsenergie wieder zurück, während Verbrennungsmotoren hier besonders ineffizient arbeiten. Die Kehrseite ist natürlich, dass stromgetriebene Gefährte bei Überlandfahrten ihr höheres Gewicht mitschleppen müssen – besonders wenn sie eine größere Batterie haben, um überhaupt längere Strecken am Stück zu bewältigen.

Fünftes Kapitel: Die Zukunft

Elektroautos werden ohne eigenes Zutun im Lauf der Zeit immer sauberer. Damit ist nicht nur gemeint, dass mit jedem Modellwechsel Effizienzgewinne zu erwarten sind, bessere Batterien, leistungsfähigere Elektronik, mehr Leichtbauteile. Auch ein 2017 angeschafftes Batteriemobil ist 2025 vermutlich für weniger rechnerische Emissionen verantwortlich, weil der Strommix in Deutschland sich verbessert.

Das Bundesumweltministerium gibt an, dass sich die auf den Kilometer bezogene Umweltbilanz eines Elektroautos innerhalb seiner zwölfjährigen Lebensdauer um etwa ein Drittel verbessern könnte. Dazu müsste der Emissionsfaktor der Elektrizität im Jahr 2029 auf etwa 350 Gramm CO2-Ausstoß pro Kilowattstunde fallen. Das ist verschiedenen Szenarien zufolge immerhin möglich.

Auch bei der Batterieproduktion sollte sich in den kommenden Jahren einiges tun. Sobald der Tesla-Gründer Elon Musk in Nevada seine Gigafactory für Batterien eröffnet, die Solarstrom vom eigenen Dach verbrauchen soll, dürften sich die Mengen der ausgestoßenen Treibhausgase für die Energiespeicher halbieren, erwarten Fachleute. Noch besser wäre eine Produktion in einem Land wie Norwegen oder Island, die sehr sauberen Strom aus Wasserkraft und Geothermie nutzen. Fabriken in Deutschland wären hingegen nur ein geringer Fortschritt gegenüber China.

Streng genommen spielt das bei der Bilanzrechnung für ein heute als Neuwagen zugelassenes Elektroauto allerdings keine Rolle mehr, denn seine Batterie ist ja schon hergestellt. Doch viele Hersteller verkaufen ihren Kunden die Energiespeicher gar nicht, sondern vermieten sie, auch um die Sorgen der Autokäufer wegen der neuen Technologie zu dämpfen. Sollte die Komponente daher ausgetauscht werden müssen, käme auf die Ökobilanz zwar ein weiterer ökologischer Rucksack drauf, aber dieser vermutlich mit den dann aktuellen, verbesserten Produktionsbedingungen.

Außerdem denken viele Fachleute schon darüber nach, den Autobatterien ein zweites Leben zu ermöglichen. Wenn das Auto am Ende und der Akku deutlich gealtert ist, liegt es vielleicht nur an einigen Dutzend der Tausenden von Einzelzellen. Tüftler könnten sie austauschen, um den Akku danach als "generalüberholt" zu vermarkten. Oder das Aggregat wird noch einige Jahre lang in irgendeinem Keller installiert, um tagsüber den Solarstrom vom Dach aufzunehmen und abends wieder abzugeben. Das ist eine einfachere Aufgabe, als an jeder Ampel die Energie fürs beherzte Anfahren bereitzustellen und wenig später beim scharfen Bremsen wieder Strom einzuspeichern.

Ähnliche Projekte hat Daimler bereits mit gebrauchten Smart-Batterien in Lünen sowie mit einem Ersatzteillager für die Energiespeicher in Herrenhaus bei Hannover begonnen. Außerdem gibt es viele Ideen dazu, die Batterien von Elektroautos, die tagsüber zum Beispiel auf dem Firmenparkplatz stehen oder sich nachts in der heimischen Garage aufladen, als Puffer für Netzschwankungen zu verwenden. In Kopenhagen wird das Verfahren bereits erprobt.

In jedem dieser Fälle müsste man den ökologischen Rucksack der Batterieproduktion auf das Auto und die Mit- oder Nachnutzer verteilen. Wie genau man das berechnen soll und ob das alles überhaupt wirtschaftlich funktioniert, weiß indes noch kein Fachmann.

Sechstes Kapitel: Elektroautos im Verkehr

Die Käufer von Batteriemobilen ändern anscheinend ihre Verkehrsgewohnheiten und sind besonders viel mit ihren Gefährten unterwegs. Vielleicht leitet sie dabei die Überzeugung, damit der Umwelt etwas Gutes zu tun, vielleicht wollen sie den hohen Anschaffungspreis möglichst schnell durch die geringeren laufenden Kosten ausgleichen. Zudem – das zeigt zumindest eine norwegische Studie – fahren etwa 85 Prozent von ihnen mit dem Auto zur Arbeit, während das weniger als die Hälfte der Besitzer normaler Wagen tun. Entsprechend verschmähen Elekroautonutzer Fahrräder und den öffentlichen Nahverkehr weitgehend.

In der Umweltforschung nennt man das einen Rebound-Effekt: Wer ein umweltfreundliches Produkt kauft, neigt oft dazu, es häufiger zu benutzen als ein reguläres Fabrikat, ob nun LED-Lampe oder Elektroauto. Das frisst einen Teil der möglichen Einsparungen gleich wieder auf oder verkehrt die Wirkung sogar ins Gegenteil. Zudem werden die heutigen Elektroautos oft stillschweigend als Zweitwagen vermarktet und auch so genutzt. Nur eine Minderheit der Käufer ersetzt ihr bisheriges Auto mit einem Batteriemobil.

Die elektrisch betriebenen Gefährte könnten also den Verkehr sogar noch steigern, fassen die Heidelberger Experten vom UPI die Situation in ihrer detaillierten Studie zu Elektroautos zusammen. Die Untersuchung gehe über die Ökobilanz hinaus in Richtung Technologiefolgenabschätzung, so Institutsleiter Dieter Teufel.

Neben der Verhaltensänderung spricht auch ein politisches Faktum gegen den momentanen Einsatz der Batteriemobile. Die Fiktion, dass sie keine Emissionen erzeugen, beruht auf einem politischen Beschluss in der Europäischen Union. Die Einstufung sollte Autokonzerne dazu anregen, den elektrischen Antrieb zu entwickeln, was etliche Experten als Anreiz vergleichbar zu den Subventionen für Windräder begrüßen oder zumindest akzeptieren.

"Diese Regelung hat aber kein Auslaufdatum", schimpft Dieter Teufel vom UPI. Sie erlaube es den Herstellern, unbegrenzt weiterhin große, Sprit fressende Geländewagen zu verkaufen. "Deren übermäßiger Ausstoß von CO2 wird dann durch die Fiktion vom Nullemissionselektromobil ausgeglichen, ohne dass die Konzerne Strafen zahlen müssten, weil der Flottenverbrauch zu hoch ist." In manchen Fällen dürfen die Konzerne die Batteriemobile sogar mehrfach in die Bilanz einrechnen. So erlaube jedes Elektroauto den Herstellern, fünf SUVs zu verkaufen und dabei 10 000 Euro an Geldbußen einzusparen, spitzt Teufels Team den Vorwurf zu.

Siebtes Kapitel: Fazit

Elektroautos können in der Zukunft einen erheblichen Beitrag dazu leisten, den Straßenverkehr umweltfreundlicher zu gestalten – mancher findet sogar, es sei die einzige realistische Strategie. Dazu müssen allerdings die Weichen heute richtig gestellt werden: Die Herstellung und der Gebrauch der Batteriemobile muss effizienter werden, der Strom zum Fahren sollte aus zusätzlich errichteten regenerativen Energiequellen stammen, und Luxuswagen mit besonders großen Motoren und Stromspeichern sind nicht der beste Weg.

Auf die Dauer muss sich auch die Einstellung der Kunden ändern, mit einem Auto könne man jederzeit mit allem gewünschten Komfort überall hinfahren. Insbesondere sollte die Zahl der gefahrenen Kilometer nach dem Umstieg nicht steigen, weil die anteiligen Kosten und der Effekt für die Umwelt so gering erscheint. Wer auf diese Faktoren achtet, kann schon heute mit einem Elektroauto einen Beitrag zum Umweltschutz leisten.

Nachträgliche Anmerkung des Autors: Viele Leserkommentare drehen sich um die Frage, ob der CO2-Ausstoß bei der Mineralölproduktion berücksichtigt wurde. Die Emissionen der so genannten Vorkette von Mineralölprodukten sind in den Bilanzen der Institute eigentlich enthalten. Nur dort, wo ein Vergleich zwischen dem CO2-Ausstoß für die Batterieproduktion und den Litern Diesel oder Benzin angestellt wird, ist dieser Aspekt ausgelassen. Zahlen zur Vorkette findet man zum Beispiel hier in der Tabelle 2 in den untersten beiden Zeilen und den vier Spalten ganz rechts.

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