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News: Wie können sich Satelliten mit Hilfe der Sterne am Himmel orientieren?

Schon immer waren die Menschen fasziniert, den Sternenhimmel mit bloßem Auge oder optischen Geräten zu beobachten. Das fängt bei historischen Instrumenten zur Winkelmessung an und endet bei neuzeitlichen Weltraumteleskopen. Bereits vor Jahrtausenden diente der Sternenhimmel der Seefahrt zur Bestimmung von Schiffspositionen durch die astronomische Navigation. Auch in der Raumfahrttechnik spielt das Sternensystem eine wichtige Rolle: Anhand der Sternenkonstellation ist es beispielsweise möglich, die Ausrichtung von Satelliten im All zu bestimmen.
Wie aber erkennen Kameras die dreidimensionale Ausrichtung eines Satelliten? Welche Rolle spielen dabei die Sterne und wie verwertet ein Computer die noch unbekannten Sterne? Wie gesichert sind die Ergebnisse? Mit diesen Fragen beschäftigt sich der Bremer Wissenschaftler Hartmut Renken in seiner an der Universität Bremen angefertigten Doktorarbeit "Ein Verfahren der bildbearbeitenden Erkennung von unbekannten Sternmustern zur autonomen und 3axialen Lagebestimmung von Raumflugkörpern". Schwerpunkt der Arbeit ist die technische Realisierung der Erkennung von Sternmustern und die Bestimmung der Lageparameter. Die Dissertation basiert auf einer früheren Arbeit von Renken, die bereits während der Satellitenmission BREMSAT vor wenigen Jahren erfolgreich getestet wurde.

Der Wissenschaftler entwickelt in seiner Dissertation ein schnelles Verfahren zur Sternmustererkennung, das er bereits vollständig als Softwareprototyp realisiert hat. Anhand realer Himmelsaufnahmen und durch Simulation einer weltraumtauglichen Kamera zeigt er, daß eine eindeutige Erkennung von unbekannten Sternmustern mit einer Erfolgsquote von bis zu 99,7 Prozent möglich ist. Durch die Kombination des Verfahrens mit einer geeigneten Sternenkamera ergibt sich ein System, das auch die Bestimmung der vollständigen 3axialen Lageinformation zuläßt, nach dem Motto: Bild rein, Lagedaten raus.

Wie funktioniert das? Eine spezielle Sternenkamera übernimmt dabei die Aufgabe des menschlichen Auges. Dieses Bild von unbekannten und aus beliebigen Sternen bestehenden Sternmustern wird dann von einer speziellen Software zur Auswertung und Berechnung übernommen. Die Sternenkamera und der mit Software gefütterte Rechner bilden ein auch "Sternsensor" genanntes Bildverarbeitungssystem. Die ganze Intelligenz des Sternsensors steckt in der Software, die entsprechend 'schlau' programmiert wurde, um auch problematische Situationen handhaben zu können. Denn als Fehlerquellen sind zum Beispiel Kameradefekte oder helle Störobjekte, wie Sonne und Mond denkbar, die die Himmelsaufnahme schnell zur Überbelichtung bringen können. Auch müssen Mehrdeutigkeiten bei der Erkennung der Sternmuster abgefangen werden.

Der Kern des Verfahrens beruht auf dem Vergleich aller Winkelabstände eines Sternmusters auf der Bildvorlage mit den Winkelabständen von Sternen, die über einen Sternkatalog und einen schnellen Korrelationsalgorithmus ableitbar sind. Die Software findet dann das zu erkennende Sternmuster in einer nur aus Himmelskoordinaten bestehenden datenbankähnlich organisierten Datei in Bruchteilen einer Sekunde wieder, wobei im Maximalfall bis zu 4480 Sterne im Sternkatalog berücksichtigt werden. Dies entspricht in etwa der Anzahl der Sterne, die der Mensch mit dem bloßen Auge sehen kann. Die Datei beinhaltet alle mit der Sternenkamera erfaßbaren Sterne und repräsentiert damit ein Sollwissen, auf dessen Basis sich theoretisch Trillionen von Sternmustern bilden lassen.

Ein weitere Aufgabe, die Renken in seiner Dissertation gelöst hat, ist eine Software zu entwickeln, die mit einer sehr geringen Speicherkapazität auskommt. Denn die Bordrechner von Satelliten müssen mit begrenzter Energie auskommen und sind daher nur mit einem sehr kleinen Speicher ausgestattet. Dem Wissenschaftler ist es in seiner Dissertation gelungen, durch geschickte Programmierung mit einer Speicherkapazität von weniger als 256 Kilobyte auszukommen. Darin sind sogar die notwendige Betriebssystemumgebung und der Speicher für die Bilddaten und die Koordinaten der Sternendatenbank enthalten. Denn erst durch die speichersparende Ausführung, verbunden mit extrem kurzen Berechnungszeiten, wird die bildverarbeitende Lagebestimmung für Raumfahrtanwendungen interessant. Und genau dieses Ergebnis wurde von Hartmut Renken im Rahmen seiner Dissertation erreicht.

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