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Rosetta-Mission: Wie Komet Tschuri seine Gummientengestalt bekam

Irgendwann wurde aus zwei Felsbrocken im All einer: der Komet Tschurjumow-Gerasimenko. Die Details sind umstritten.
Komet 67P am 30. April 2015 mit Gasausbrüchen

Seit einem Jahr kreist die Sonde Rosetta jetzt im Orbit von 67P/Tschurjumow-Gerasimenko – einem Kometen, dem Beobachter mit Vorstellungsvermögen die äußerliche Gestalt einer Quietscheente für die Badewanne attestieren. Warum Tschuri so bizarr geformt ist, wird in Fachkreisen noch intensiv diskutiert.

Offenbar haben sich einst zwei Brocken zu einem größeren Körper mit kleinerem Kopfaufsatz zusammengefunden, meinen Experten nun in einer Publikation, die in "Astronomy and Astrophysics" veröffentlicht wird und auf ArXiv vorab einsehbar ist. Eine Alternativhypothese – nach der ein einzelner Ursprungskörper ungleichmäßig durch Erosionsprozesse zur Gummiente wurde – gilt nun als weniger wahrscheinlich.

Die Entstehung der Tschuri-Gestalt | Wissenschaftler diskutieren zwei Hypothesen, welche die bizarr zweigeteilte Gestalt des Kometen erklären könnten.

Nicht im Detail beantwortet bleibt die Frage, wie die beiden Einzelteile des Kometen zueinanderfanden. Vermutlich, so eine Hypothese in der neuen Studie, waren die beiden Brocken Teil eines noch größeren Kometen, der aber bei einer Kollision in seine Einzelteile zerlegt worden war. Es bleibt indes auch nicht ausgeschlossen, dass sich zwei kleine Protokometen auf eher sanfte Weise angenähert und schließlich zusammengefunden haben, nachdem sie das Sonnensystem zunächst wenige Millionen Jahre nach dessen Entstehung allein durchreist hatten.

"Eine Menge Daten legen jedenfalls nahe, dass der Komet wohl aus zwei Teilen besteht. Wie diese beiden zusammenfanden, ist aber die große Frage", erklärt Jean-Baptiste Vincent, der als Planetenforscher vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen an der Studie selbst nicht beteiligt war.

Geschichten aus der Krippe

Hinter dieser Frage nach dem Ursprung der Gummientengestalt des Kometen steckt mehr: Womöglich hilft sie, die Evolutionsprozesse des Sonnensystems besser zu verstehen, vermutet Planetenforscher und Studienautor Simone Marchi vom Southwest Research Institute in Boulder im US-Bundesstaat Colorado. Wenn das gängige Modell des frühen Sonnensystems realistisch gezeichnet ist, dann dürften Kollisionen darin an der Tagesordnung gewesen sein, zeigen Marchi und seine Kollegen in ihrer Studie. Auch der Ursprung von 67P war diesbezüglich wohl kaum eine Ausnahme – sollte sich also herausstellen, dass Tschuri doch aus zwei kleineren Protokometen entstanden ist, so müsste man überlegen, ob nicht eher die Modellvorstellungen über das frühe Sonnensystem kritisch hinterfragt werden müssen.

Denn, so Marchi: "Die beiden denkbaren Szenarien sind fundamental unterschiedlich und verlangen nach ebenso fundamental verschiedenen strukturellen Ausgangsbedingungen im frühen Sonnensystem." Klar scheint immerhin, dass der Komet aus zwei Teilen besteht. So sind etwa die terrassenartigen Oberflächenstrukturen auf den Kometensphären jeweils einheitlich ausgerichtet, aber nicht übergreifend von Kometenkopf zu -körper zueinanderpassend. Das müsste der Fall sein, wenn Erosionsprozesse den Kometen geformt hätten. Ein auffällig parallel verlaufendes Risssystem auf dem Kometenkopf könnte zudem als Folge der Kollision der zwei Brocken gedeutet werden, meinen die Autoren. Überhaupt hatte auch schon eine frühere Publikation stark angezweifelt, dass allein die Strahlungswirkung der Sonne, die Gas freisetzt und Staub verbläst, einen Kometenbrocken zur Gummiente erodieren kann.

Die beiden Kometensphären sind recht ähnlich aufgebaut und daher womöglich auch in einem ähnlichen Umfeld entstanden. Dies stützt beide konkurrierenden Zwei-Körper-Theorien gleichermaßen. Wenn aber tatsächlich Kollisionen so häufig waren wie angenommen, spricht mehr für die Hypothese, dass aus zwei Kollisionsfragmenten eines zerschlagenen großen Kometen wieder ein neuer entstanden ist. Dies könnte durch Proben und Daten von Tschuri allerdings noch widerlegt werde, so Vincent. Denn ein Komet, der aus einer Kollision hervorging, sollte kompakter sein und mehr Hohlräume aufweisen als ein jungfräulicher Urkomet: Also "sehen wir unsere Daten nun erst einmal durch und versuchen so zu erkennen, welches Modell am besten dazu passt".

Der Artikel ist im Original "How the rubber-duck comet got its shape" in "Nature" erschienen.

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