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News: Wie kommt das Gen ins Chromosom?

Um ein defektes Gen zu ersetzen, muß eine funktionsfähige Kopie in die Zelle eingebracht und in die Chromosomen eingebaut werden. Bisher war gerade dieser Schritt mit vielen Schwierigkeiten verbunden. Nun haben Wissenschaftler einen neuen vielversprechenden Weg gefunden.
Man kann die Kunst der Gentherapie ohne weiteres damit vergleichen, einem Kind Medizin zu verabreichen. In beiden Fällen ist die Vorbereitung der Medizin ein Kinderspiel im Vergleich zu den Anstrengungen, die erforderlich sind, um einen Patienten dazu zu bewegen, sie tatsächlich zu sich zu nehmen. Bei Kindern reicht oft ein Stück Zucker aus, damit die Medizin besser schmeckt. Wie aber überzeugt man eine Zelle, ein repariertes Gen aufzunehmen und in ein Chromosom einzubauen? Derzeit gibt es zwei Methoden des Gentransports. Die erste ist die Injektion von DNA in die Zellen oder ihre Vermischung mit Substanzen, die in Zellen eindringen können. Diese Methode erzielt im allgemeinen schlechte Ergebnisse. Es wird nur wenig DNA in die Chromosomen integriert und die dann tatsächlich eingebauten Gene besitzen eine sehr unterschiedliche Aktivität. Die zweite, weiter verbreitete Methode beinhaltet die Bindung der Gene an Viren. Diese Viren sind ein gutes Mittel für den Transport der DNA in die Zellen (virale Vektoren). Sie werden jedoch oft vom Immunsystem des Patienten zerstört. Gelangen sie dennoch in die Zellen, so können sie möglicherweise Krankheiten hervorrufen. Darüberhinaus können die am häufigsten verwendeten Viren oft nur in den Zellkern eindringen, wenn die Zelle vor der Teilung steht.

Jetzt haben Forscher der University of Minnesota eine neue Methode des Gentransports entwickelt. Als sie mit beweglichen Teilen der DNA experimentierten, den sogenannten Transposons, fanden sie einen Weg, wie man eine beliebige DNA-Sequenz in die Chromosomen der Wirbeltier-Zellen integrieren kann. Die Erfolgsrate war höher als bei herkömmlichen Techniken. So können vielleicht leichter funktionsfähige Kopien von Genen in die Chromosomen von Zellen eingeschleust werden, um Störungen zu beheben, die durch anomale Gene verursacht wurden. In der Ausgabe vom 14. November des Magazins Cell wurde diese Arbeit veröffentlicht.

„Wir benötigen ein System für den Transport der Gene in die Zellen,” sagte Perry Hackett, Professor für Genetik und Zellbiologie an der University of Minnesota. „Wir glauben, daß wir ein System ohne virale Vektoren entwickelt haben, das die Integration fremder Gene (Transgene) in menschliche Chromosomen erlaubt. Vielleicht ist dies eine Alternative zum Einsatz von Viren.” Hacketts Mitarbeiter waren Zsuzsanna Izsvk und Zoltn Ivics vom Netherlands Cancer Institute. Sie waren verantwortlich für die Konstruktion des neuen Gen-Transportsystems.

Als er mit der Arbeit begann, fragte sich Hackett, ob Wirbeltiere etwas ähnliches wie die Transposons der Fruchtfliegen besitzen. Ein Transposon ist im Grunde einfach nur ein Gen, welches für das Enzym Transposase codiert. Die Transposase hat nur eine Aufgabe: das eigene Gen aus einem Chromosom herauszuschneiden und es in andere Chromosomen, oder an einer anderen Stelle auf demselben Chromosom, einzufügen. Die Transposase erkennt das eigene Gen an speziellen Abschnitten der DNA – die bezeichnenderweise Erkennungssequenzen genannt werden – auf beiden Seiten des Gens. Die Transposase schneidet das Gen mitsamt den Erkennungssequenzen aus und transportiert das gesamte Paket an eine neue Position.

Hacketts Gruppe untersuchte das genetische Material verschiedener Lachsarten. Die Wissenschaftler entdeckten wiederkehrende Muster in der DNA, die darauf hindeuten, daß Vorfahren der Fische Transposons besaßen. Sowohl das Transposase-Gen als auch ihre Erkennungssequenz waren soweit mutiert, daß sie nicht mehr funktionsfähig waren. Nach Hacketts Schätzung ist es mindestens 15 Millionen Jahre her, seit die letzte Veränderung in den Chromosomen dieser Fische durch Transposons auftrat.

Nach intensiven Studien der betreffenden DNA-Sequenzen bedienten sich Hackett und sein Team statistischer Methoden, um herauszufinden, welche davon in dem „Ur”-Transposonsystem wahrscheinlich vorhanden waren. So rekonstruierten sie ein Transposase-Gen und die zugehörigen Erkennungssequenzen. Das Gen wurde dann zur Herstellung des Transposase-Enzyms genutzt. Damit standen sowohl ein Gen als auch ein Enzym, welches das Gen in die Chromosomen einfügen konnte, zur Verfügung. Weil sie das Transposonsystem nach einem 15 Millionen Jahre dauernden Schlaf wieder zum Leben erweckten, taufte Izsvk das neue System „Sleeping Beauty”.

Um Sleeping Beauty zu testen, ersetzen die Forscher das Transposase-Gen durch Gene für Proteine, die sich schnell erkennen ließen – zum Beispiel Gene für ein fluoreszierendes Protein oder für antibiotische Resistenz. Als sie die Zellen von Zebrafischen und Menschen behandelten, entdeckten sie, daß die Zellen prompt die fremden Gene integrierten. Diese Ergebnisse beweisen nach Hacketts Meinung, daß Sleeping Beauty bei den meisten Wirbeltieren ein gutes System für den Gentransfer darstellt.

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