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Sexuelle Orientierung: Wie Männer finden

Dass Männer auf dem Weg zur Venus schon mal auf dem Mars landen - wenn beifahrende Frauen die Karte halten -, überrascht niemanden mehr, der schlechten Populärwissenschaftlern schlechtgeschriebene Traktate abkauft. Nun stiftet besser fundiertes Futter endlich wieder die dringend nötige Verwirrung im Geschlechterzwielicht.
Rhesus-Affen beim Orientierungsversuch
Es muss sein. Also bringen wir den kontroversesten Satz schnell hinter uns: Auf manchen Gebieten sind Frauen Nieten, verglichen mit Männern. Das ist, bei aller Liebe, mittlerweile streng wissenschaftlich belegt: Allerlei Studien an menschlichen und äffischen Primaten lassen keinen anderen Schluss zu, wenn es etwa um gewisse simplere Formen der Mathematik oder die räumliche Orientierung geht. Derartiges scheinen, sorry liebe Damenwelt, die Herren der Schöpfung im Mittel einfach besser und schneller zu beherrschen. Und auch Agnes Lacreuse von der Emory Universität kann da mit ihren neuesten Erkenntnissen nichts Gegenteiliges liefern – auf den ersten Blick [1].

Die Forscherin und ihr Wissenschaftlerteam bestätigten an Rhesus-Affen-Versuchskaninchen zunächst Vertrautes. Sie sortierten die Mitglieder einer 90-köpfige Affenbande in alt, mittelalt sowie jung – und eben in Männchen und Weibchen – und exerzierten ein kleines Belohnungs-Versteckspielchen mit den Tieren. Dabei verbargen die Forscher saftige Affenleckereien an einer von 18 verschiedenen Positionen, verdeckt unter einer großflächigen Versuchsplattform. Hatten die Tiere die Belohnung gefunden, kam im nächsten Experiment zu dem ursprünglichen Versteck ein zweites hinzu – dann in der nächsten Runde ein Drittes und so weiter. Die Affen mussten alle Leckereien von der ersten bis zur letzten neu verborgenen dann immer in der richtigen Reihenfolge gezielt aufsuchen – bei einem Reihenfolgefehler wurde der Versuchsdurchgang beendet.

Neben gieriger Unersättlichkeit war also eine Kombination aus Zählen und Orientierung gefragt – also eindeutig ein Heimspiel für die Männer. Und tatsächlich fanden denn auch männliche Affen im Durchschnitt 2,6 Belohnungen in Folge bis zum ersten Fehler und Weibchen deutlich weniger, nur 2,2.

Das allerdings, so die Forscher weiter, galt durchaus nicht lebenslang. Denn eigentlich nur junge Männchen schneiden besonders gut ab, lassen im späteren Lebensalter dann aber stärker in ihren anfangs überlegenen Orientierungs- und Rechenkünsten nach als die Weibchen. Die insgesamt deutlich weniger guten Leistungen älterer Tiere waren denn auch ausschließlich auf die schwindenden Fähigkeiten der betagten Herren zurückzuführen. Kurz: Das Lebensalter war statistische gesehen ausschlaggebender für die Gesamtleistung als das Geschlecht.

Und Training, so zeigten die Wissenschaftler dann abschließend, beseitigt die geschlechtsbedingten Leistungsdifferenzen auch bei den Jungspunden vollends: Junge Weibchen waren einfach lernwilliger und aufnahmebereiter als alle anderen Gruppen und erreichten nach einigen Versteckspiel-Übungseinheiten bald das Niveau der zunächst überlegenen jungen Männchen, die selbst zwar auch, aber weniger schnell dazulernten. Eine Frage der Gene – oder des äffischen Lebensumfelds?

Womit wir zu Menschen kommen. Und an die Stelle, an der nun die womöglich wirklich Kontroverse auslösende Frage eingeschmuggelt werden müsste: Wie ist es eigentlich mit der Orientierungsfähigkeit von Homosexuellen bestellt? Qazi Rahman von der Universität von East London begab sich auf das verminte Feld zwischen Genen, Umwelteinflüssen sowie sexuellen Präferenzen und verglich die Fähigkeiten archetypischer Männern und Frauen in alttradierten Geschlechter-Kernkompetenzen mit denen von männerliebenden Männern und frauenliebenden Frauen [2]. Kurz: Er gab achtzig Schwulen, Lesben und Heterosexuellen eine typischerweise von den Geschlechtern unterschiedlich angepackte Aufgabe – in diesem Falle eine Orientierungsleistung, das Beschreiben einer zuvor memorierten Wegstrecke – und schaute ihnen dabei über die Schulter.

Ergebnis bei homosexuellen Frauen: keines. Lesbierinnen orientierten sich genauso wie Frauen normalerweise eher anhand von Wegzeichen im Gelände, nicht – wie Männer dies statistisch signifikant eher bevorzugen – anhand von Kompass und Karte. "Bieg beim Kirchturm rechts ab" könnte demnach eine für sie eher typisch Formulierung sein. Männer navigieren dagegen nach Kompasspunkten, haben ein stärker ausgeprägtes Gefühl für Himmelsrichtungen und nutzen häufig auch Entfernungsangaben. Heterosexuelle Männer, zumindest. Und Schwule?

Die, so die Erkenntnisse der Forscher, sind vielseitig: Sie nutzen die bevorzugten männlichen und weiblichen Orientierungstrategien gleichermaßen. Wegbeschreibungen erteilten sie typischerweise männlich-kompassnavigatorisch, streuten aber viel häufiger auch weibliche Wegmarken-Beschreibungen ein.

Das Gehirn der Schwulen reproduziere, so die Forscher, in dieser Hinsicht ein Mosaik aus weiblichen und männlichen Eigenschaften. Und irgendwie seien offenbar geschlechtspezifische Schulung des Geistes und sexuelle Orientierung bei homosexuellen Männern – nicht aber Frauen – auf eine noch unverstandene Art gekoppelt. Klar sollte aber eines geworden sein: Wenn weibliche Autofahrerin und männlicher Beifahrer sich bei der Fahrt ins Grüne einmal über den richtigen Weg streiten, könnte ein homosexueller Freund auf dem Rücksitz vielleicht nicht zu unterschätzende Dolmetscherdienste leisten.

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