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Durchleuchtet: Wie man mit Neutrinos die Erde wiegt

IceCube soll am Südpol Neutrinos finden. Nun haben spanische Forscher auf raffinierte Weise Daten aus den Jahren 2011 und 2012 ausgewertet und so mal eben die Erde gewogen.
Blick auf die Erde

Wie viel wiegt die Erde? Wissenschaftler kennen die Antwort: etwa sechs Trilliarden Tonnen. Dieser Wert ergibt sich allerdings aus Messungen der Schwerkraft und ist seit Langem bekannt. Spanische Forscher von den Universitäten Valencia und Barcelona war das nicht genug – sie haben jetzt in einer Forschungsarbeit, die in »Nature Physics« erschienen ist, die Erdmasse über ihren »Neutrinoschatten« bestimmt. Ihr Ergebnis liegt trotz großer Fehlerbereiche erstaunlich nah am Referenzwert.

Die Idee ist nicht neu. Bereits in den 1970er Jahren gab es Bestrebungen, mit den superleichten Elementarteilchen die Erde zu »röntgen«. Neutrinos sind so leicht, dass sie fast unbeeinflusst die Erde durchdringen können. Aber nur fast: Die Dichte im Inneren der Erde ist groß genug, um doch einen Bruchteil der Neutrinos zu absorbieren. Je dichter das Material, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass ein Neutrino zum Beispiel mit einem Atomkern wechselwirkt und seine Energie abgibt. Das macht sie zum perfekten Werkzeug, um in den Planeten zu blicken. Die geringe Bereitschaft von Neutrinos, in Wechselwirkung mit Materie zu treten, macht es gleichzeitig ziemlich schwer, diese nachzuweisen. Um ein Neutrino dazu zu bringen, sich zu zeigen, wird ein Detektormaterial mit hoher Dichte, und zwar möglichst viel davon, benötigt. Genau deshalb befindet sich IceCube in der Antarktis: Das Experiment nutzt rund einen Kubikkilometer Eis als Detektor. Einfallende Neutrinos produzieren im Eis Elementarteilchen, die sich durch ihre Tscherenkow-Strahlung verraten und sich so nachweisen lassen. Diese Strahlung entsteht, wenn ein Teilchen mit Überlichtgeschwindigkeit in einem Medium wie Eis oder Wasser unterwegs ist. Da die Lichtgeschwindigkeit in Eis langsamer ist als in Vakuum, ist das physikalisch möglich. Mittels dieses Verfahrens können die Wissenschaftler sowohl die ursprüngliche Energie als auch die Einfallsrichtung des Neutrinos rekonstruieren.

Mit diesen Informationen konnte das Team um Andrea Donini die Erde durchleuchten. Die von ihnen untersuchten Neutrinos entstehen, wenn kosmische Strahlen auf die Erdatmosphäre treffen; der Wert hierfür ist überall auf dem Planeten konstant, da es keine Vorzugsrichtung für diesen kosmischen Teilchenhagel gibt. Kommen diese Neutrinos also von »unten«, müssen sie erst einmal den sehr dichten Erdkern passieren. Treffen sie den Detektor von der Seite oder aus einem größeren Winkel aus dem Boden, verpassen sie die dichteren Schichten. Dabei wandte das Team einen Trick an: Je energiereicher die Neutrinos, desto eher wechselwirken sie mit Materie. Deshalb erwarteten die Forscher einen größeren Effekt bei Neutrinos mit höherer Energie. Tatsächlich wirft die Erde einen »dunkleren« Schatten bei höheren Neutrino-Energien und ist deshalb besser »sichtbar«.

Die Auswertung ergab einen Wert von sechs Trilliarden Tonnen, mit einer statistischen Ungenauigkeit von einer Trilliarde Tonnen. Der Wert, der den Wissenschaftlern schon aus Schwerkraftbestimmungen bekannt ist, beträgt 5,972 Trilliarden Tonnen. Die Autoren der Arbeit weisen daraufhin, dass durch die baldige Veröffentlichung von Daten aus zehn Jahren IceCube ein wesentlich genauerer Blick ins Erdinnere möglich sein wird.

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