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Sonnensystem: Wie Monde entstehen

Die Monde um die Gasriesen unseres Sonnensystems könnten aus ehemaligen Ringen entstanden sein, die demjenigen von Saturn ähnelten. Damit lässt sich erklären, weshalb die Trabanten eines Planeten in einer ordentlichen Reihenfolge auftauchen. Ein französisches Forscherteam hat sich eingehend mit dieser Idee beschäftigt und konnte damit den Aufbau der Mondsysteme zufriedenstellend erklären.
Saturnmond Titan

Die Gasriesen unseres Sonnensystems sind von einer Heerschar an Monden umgeben: Manche dieser Trabanten fingen die Planeten aus dem Weltall ein, wobei sich Umlaufbahnen mit einer zufälligen Lage im Raum ergaben. Die größten Monde der Gasriesen befinden sich aber in einem System mit einer geordneten Struktur: Die Masse der Monde nimmt nach außen hin zu und sie umlaufen ihre Planeten alle in einer gemeinsamen Ebene. Diese Ordnung weist bereits darauf hin, dass die Monde durch einen gemeinsamen Mechanismus entstanden sind. Französische Astrophysiker haben nun einen plausiblen Kandidaten hierfür entwickelt.

Die Mondsysteme der Gasriesen | Diese künstlerische Darstellung zeigt die Monde der vier Gasriesen und ihre Abstände. Die Masse der Monde nimmt nach außen hin zu, was durch ihre Größe angedeutet ist. Die Roche-Grenze ist ebenfalls eingezeichnet. Sie entspricht demjenigen Abstand, innerhalb dessen ein Mond durch die Gezeitenkräfte des Planeten zerissen wird.
In der Frühphase unseres Sonnensystems könnten die Gasriesen von massereichen Ringen umgeben gewesen sein, die dem Saturnring ähnelten. Gründe dafür gibt es genug: Prallt ein großes Objekt auf einen Planeten, so kann es bei dieser Kollision zerrissen werden. Gelangen die Trümmer in eine Umlaufbahn um den Planeten, so bildet sich aus ihnen ein Ring. Aber auch Kometen oder Asteroiden, die von der Gezeitenkraft eines Planeten zermalmt wurden, können Material für einen Ring liefern.

Die Gezeitenkraft entsteht, weil die Anziehung, die ein Planet auf einen anderen Körper ausübt, mit dem Abstand abfällt. Gelangt ein Körper nahe an einen Planeten, dann wird die dem Planeten zugewandte Seite stärker angezogen als die abgewandte. Dadurch entsteht ein Zug im Inneren des Körpers, der zu seiner Zerstörung führen kann, wenn die Zugkräfte den inneren Zusammenhalt des Körpers übersteigen. Der Abstand zu einem Planeten, innerhalb dessen die Gezeitenkraft zur Zerstörung eines felsigen Körpers führt, wird Roche-Grenze genannt.

Das Ringsystem von Saturn liegt innerhalb seiner Roche-Grenze. Deswegen kann sich dieses lose Material aus Eis und Staub nicht zu einem Mond zusammenballen. Solche Ringe neigen aber dazu, sich mit der Zeit immer weiter zu verbreitern. Ihr äußerer Rand kann sich dadurch über die Roche-Grenze hinausschieben – und damit in eine Region vordringen, in dem sich sein Material wieder zu einem festen Körper zusammenfügen kann. Dadurch könnten die Mondsysteme um unsere Gasriesen entstanden sein.

Aurelién Crida von der Universität Nizza und Sebastién Charnoz von der Universität Paris-Diderot haben diesen Mechanismus ausgearbeitet: Schiebt sich der äußere Rand eines Rings über die Roche-Grenze hinaus, so kann dort ein kleiner Mond entstehen, der immer mehr von dem Material aufsammelt, das vom sich verbreiternden Ring über die Roche-Grenze geschoben wird. Durch seine Schwerkraft wechselwirkt er jedoch mit dem Ring und tauscht insbesondere Drehimpuls mit ihm aus. Der Drehimpuls ist für Monde die entscheidende Größe, die festlegt, in welchem Abstand sie den Planeten umrunden. Der Austausch von Drehimpuls mit dem Ring führt nun dazu, dass der Mond immer weiter nach außen wandert. Seine Schwerkraft beeinflusst damit den Ring immer weniger, und ein neuer Mond kann sich an dessen Rand ausbilden. Auch dieser Mond wandert wieder nach außen, worauf neue Trabanten am Rande des Rings entstehen können. Hierdurch entsteht mit der Zeit eine Vielzahl von Monden, die alle in der Ebene des Rings um den Planeten laufen. Kommen sich auf ihrer Wanderung zwei Monde zu nahe, so ziehen sie sich an und kollidieren miteinander. Crida und Charnoz errechneten, dass solche Kollisionen dazu führen, dass die Monde in einem System nach außen hin immer massereicher werden. An der Roche-Grenze selbst bleiben dann nur kleine Körper zurück.

Die Ergebnisse des Modells von Crida und Charnoz, nämlich dass die Monde immer massereicher werden, je weiter sie von ihrem Planeten entfernt sind, und eine Ansammlung kleiner Objekte an der Roche-Grenze, stimmen mit den Beobachtungen der Mondsysteme von Saturn, Uranus und Neptun überein. Das Mondsystem von Jupiter konnte mit diesem Modell nicht erklärt werden – allerdings existieren hierfür bereits seit 2002 Theorien, nach denen die Jupitermonde gleichzeitig mit dem Gasriesen entstanden.

Wie viele Monde aus einem Ring entstehen, hängt laut Crida und Charnoz nur davon ab, wie schnell sich der Ring verbreitert. Ein einzelner großer Mond, so wie unser Erdtrabant, oder auch Charon, der größte Begleiter des Zwergplaneten Pluto, entsteht, wenn der Ring besonders schnell auseinander läuft. Dahingegen entstehen viele einzelne Monde, wenn sich das Material eines Ringes langsam über die Roche-Grenze hinausschiebt, und sich einzelne Monde weit vom Ring abkoppeln können, bevor ein neuer Mond nachwächst.

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  • Quellen
Originalarbeit: Crida, A. und Charnoz, S.: "Formation of regular satellites from ancient massive rings in the solar system". In: Science 338, 1196–1199, 2012

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