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News: Wie Regenwald-Touristen das Zigeunerhuhn stören

Abseits des Massentourismus hat sich eine Form des Reisens entwickelt, die für sich selbst mit den Schlagworten 'sanfter Tourismus' oder 'Öko-Tourismus' wirbt. Doch auch diese Art, fremde Länder kennenzulernen, kann sich für die Natur vor Ort negativ auswirken, wie eine Zoologin herausgefunden hat. So wird zum Beispiel der Bruterfolg des Zigeunerhuhns oder Hoatzin dadurch deutlich beeinträchtigt.
Antje Müllner von der Universität Würzburg hat untersucht, wie der Kanu-Tourismus den Bruterfolg eines Vogels namens Hoatzin im Regenwald von Ecuador beeinflusst. Ins dortige Schutzgebiet Cuyabeno kommen Jahr für Jahr viele Touristen, um bei Bootsfahrten Tiere entlang der Flussufer zu beobachten. Der etwa hühnergroße, auf Grund seiner auffällig bunten Färbung auch Zigeunerhuhn genannte Hoatzin lebt in den Überschwemmungsbereichen der Regenwälder. Sein Nest, in dem er ein bis drei Junge großzieht, baut er in den Bäumen entlang der Ufer.

Die Zoologin, die am Würzburger Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie tätig ist, hat in touristisch genutzten Gewässern und in gesperrten Vergleichsgebieten den Bestand von Hoatzin-Nestern erfasst und den Bruterfolg der Vögel kontrolliert. Dabei ist sie zu dem Ergebnis gekommen, dass jegliche Annäherung von Menschen, sei sie nun gezielt oder unbeabsichtigt, die jungen Zigeunerhühner in die Flucht treibt.

Als natürliche Anpassung an Feinde wie Raubvögel oder Anakondas springen die kleinen Vögel nämlich schon ab ihrem dritten Lebenstag aus dem Nest ins Wasser, sobald ein Störenfried erscheint. Dort tauchen sie ab und klettern dann, wenn die Gefahr vorbei ist, mit Hilfe ihrer krallenbewehrten Flügel an anderer Stelle wieder auf einen Baum. Dieser Ort kann zehn bis dreißig Meter vom Nest entfernt sein. Wenn die Elterntiere ihre verschollenen Jungen wieder finden, dann versorgen sie diese an ihrem neuen Standort weiter. In ihr eigenes Nest kehren die Kleinen aber nie wieder zurück.

Kommt es allzu oft zu solchen Störungen – was laut Antje Müllner in Gewässern mit Bootsverkehr der Fall ist – sind die Überlebensaussichten der jungen Hoatzine deutlich verschlechtert. Zum einen sind sie im Wasser Gefahren durch Piranhas und durch Unterkühlung ausgesetzt. Zum anderen belegen Hormonmessungen, dass die Jungvögel in Gewässern mit Tourismus gestresster sind als ihre abseits lebenden Artgenossen. Um solche Störungen zu vermeiden, müsse ein ausreichender Mindestabstand zum Nest und zu den Jungvögeln eingehalten werden, so eine Forderung der Würzburger Biologin. Dazu sei es notwendig, die bisherige Beobachtungspraxis zu ändern, bei der sich die Urlauber mit ihren einheimischen Führern den Tieren in der Regel so weit nähern, bis diese flüchten: "Wilde Tiere müssen nicht unbedingt 'hautnah' erlebt werden, sondern können auch durch Ferngläser, die leider die wenigsten Touristen mitbringen, und von Beobachtungsständen aus betrachtet werden."

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