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Klimawandel: Wie schmelzende Gletscher Fingerabdrücke im Meer hinterlassen

Kein Gletscher schmilzt wie der andere. Forscherinnen und Forscher konnten erstmals zeigen, wie der Grönländische Eisschild den Meeresspiegel individuell beeinflusst.
Ein Eisberg vor Grönland
Die Folgen des Klimawandels zeigen sich im grönländischen Eisfjord Ilulissat.

Wenn Eisschilde oder Gletscher schmelzen, steigt der Meeresspiegel – jedoch anders als man vielleicht denken könnte nicht in unmittelbarer Nähe, sondern tausende Kilometer entfernt. Im direkten Umfeld der schmelzenden Eismassen dagegen sinkt der Meeresspiegel sogar. Diese Veränderung ist je nach Gletscher oder Eisschild so individuell, dass sie sich wie bei Fingerabdrücken zum Ursprung zurückverfolgen lässt. Das Phänomen nennt sich deshalb »sea level fingerprint« oder auch »Fingerabdruck des Meeresspiegels«. Einer Forschungsgruppe um Sophie Coulson, ehemalige Harvard-Doktorandin und nun Postdoc am Los Alamos National Lab in New Mexico, und Jerry Mitrovica, Professor für Umweltwissenschaften an der Harvard University, gelang es nun erstmals, einen solchen Fingerabdruck des Grönländischen Eisschilds ausfindig zu machen. Ihre Erkenntnisse veröffentlichten sie im Fachmagazin »Science«.

Dass der Meeresspiegel im direkten Umfeld des Gletschers sinkt, lässt sich mit der Anziehungskraft des Eisschilds erklären: Ist das Eis intakt, zieht es das Wasser zu sich heran, schmilzt es, lässt die Anziehung nach und das Wasser breitet sich aus.

Um nachzuweisen, dass solche Fingerabdrücke tatsächlich existieren, versuchten die Forscherinnen und Forscher millimetergenaue Veränderungen des Wasserspiegels zu erkennen und diese mit umliegenden schmelzenden Gletschern in Verbindung zu bringen. Da der Meeresspiegel jedoch auch durch Gezeiten, Strömungen und Winde stark schwankt, sind diese minimalen Veränderungen oft nur sehr schwer auszumachen. In neuen Satellitendaten, die über einen Zeitraum von 30 Jahren dokumentieren, wie sich die Gegend um den Grönländischen Eisschild und ein Großteil des Ozeans nahe Grönland entwickelt hat, fand Mitrovica auffällige Veränderungen des Meeresspiegels – ein Hinweis auf einen Gletscher-Fingerabdruck. Um diesen eindeutig zuzuordnen, fertigte Sophie Coulson eine Simulation an, in der sie vorhersagte, wie sich der Meeresspiegel in der Region zwischen 1993 und 2019 verändern würde. Dabei stützte sie sich unter anderem auf Daten, die dokumentierten, wie sich die Eisdicke des Grönländischen Eisschilds über drei Jahrzehnte verändert hat.

Ihre Prognose und die aktuellen Satellitendaten stimmten überein – die vom Satelliten aufgezeichneten Muster sind mit 99,9-prozentiger Sicherheit ein Fingerabdruck des schmelzenden Grönländischen Eisschilds. »Berechnungen zum Anstieg des Meeresspiegels, die Stadt- und Küstenplanung, all das basiert auf der Idee von Fingerabdrücken«, erklärt Mitrovica. Werden noch weitere davon entdeckt und die Methode so verfeinert, könnte sie helfen, die Veränderungen des Meeresspiegels für das nächste Jahrzehnt, Jahrhundert und darüber hinaus zu prognostizieren.

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