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Klimawandel: Wie sich ein Bach über vier Jahrzehnte veränderte

Kaum ein Bach ist so gut erforscht wie der Breitenbach nördlich von Fulda. Messungen aus vier Jahrzehnten zeigen, wie der Klimawandel den Insekten zusetzt.
Ein Bachlauf in Thüringen

Mit 34 Gewässern, die denselben Namen tragen, ist der Breitenbach rund zehn Kilometer nördlich von Fulda schon dem Namen nach ein ganz typischer deutscher Bach. Aber auch in seinen Eigenschaften entspricht er dem häufigsten Typus von Fließgewässer in Deutschland, dem »kleinen Mittelgebirgsbach«. Durch schleichende Erwärmung seiner mittleren Wassertemperatur um 1,8 Grad zwischen 1969 und 2010 hat sich allerdings seine Fauna stark verändert. Wie Peter Haase vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt und Kollegen berichten, hat die Individuenzahl dort lebender Wasserinsekten im gleichen Zeitraum um 81 Prozent abgenommen.

Die Forscher können sich dabei auf eine einzigartige Datensammlung stützen. Seit dem Januar 1969 wird der Breitenbach, der durch das seit 1990 bestehende Naturschutzgebiet »Breitenbachtal bei Michelsrombach« fließt, intensiv vermessen. Erfasst wurden nicht nur die Fließgeschwindigkeit, Wassertemperatur und Wassermenge, sondern auch Zahl und Art seiner Bewohner – Woche für Woche über mehr als 40 Jahre.

Im Fachblatt »Conservation Biology« schildern die Wissenschaftler um Haase nun, wie sich die Zahl und Vielfalt der wasserlebenden Insekten verändert hat. Dem dramatischen Schwund in der Gesamtzahl der Insekten steht dabei ein leichter, achtprozentiger Zuwachs in der biologischen Vielfalt gegenüber, der vor allem auf Veränderungen in der ersten Hälfte des Untersuchungszeitraums zurückgehe. Denn seit den 1990er Jahren verringere sich zusehends auch die Artenvielfalt.

Hinter den Veränderungen stecke primär der Klimawandel, folgern die Wissenschaftler in ihrer Studie, da der Breitenbach von anderen schädlichen Einflüssen wie Überdüngung, Pestizidverunreinigung oder Begradigung verschont geblieben sei. Stattdessen führten die höheren Wassertemperaturen dazu, dass sich neben Spezialisten für kalte Gebirgsbäche auch Arten etablierten, die eher an den Mittellauf von Bächen angepasst sind. Die Folge war zunächst ein Zuwachs in der Biodiversität. Durch häufige Trockenheit und untypische Flutereignisse in den letzten Jahrzehnten würden sich die Eigenschaften des Bachs jedoch weiter verändern – auf eine für Insekten ungünstige Weise.

Den Forschern zufolge zeige ihre Studie, wie wichtig Langzeitmessungen sind. Würde man nur die erste Hälfte oder nur die zweite Hälfte des Untersuchungszeitraums isoliert betrachten, käme man jeweils zu ganz anderen, konträren Ergebnissen.

Zuletzt hatte eine Metastudie des weltweiten Insektenschwunds eigentlich gute Nachrichten für Süßwasserbewohner gebracht: Sie bildeten die einzige Tiergruppe, bei der sich ein Zuwachs in der Individuenzahl feststellen ließ. Allerdings könnte auch hier das gewählte Zeitfenster in die Irre geführt haben: Viele Studien, die in den Überblick einflossen, begannen zu einer Zeit, als Kläranlagen noch weniger weit verbreitet waren als heute. Demnach könnte es sich statt um einen echten Zuwachs um eine Erholung der Bestände von einem historischen Tiefstand handeln.

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