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Ernährung: Wie Sport gegen Essstörungen hilft

Sport kann Menschen helfen, die Essstörungen haben. Allerdings löst das Training nicht alle Probleme und droht ebenfalls zur Sucht zu werden.
Symbolbild mit Fotomodell: Frau macht sich bereit fürs Training

Viele Menschen, die Essstörungen haben, treiben übermäßig oft Sport. Und zwar nicht nur, um abzunehmen: Ein Team um den Psychologen Ulrich Ebner-Priemer vom Karlsruher Institut für Technologie und die Psychosomatikerin Almut Zeeck von der Universität Freiburg glaubt, dass den psychisch Erkrankten die körperliche Betätigung dabei hilft, mit negativen Gefühlen und Gedanken fertigzuwerden. Die Forschergruppe beobachtete eine Woche lang die körperliche Aktivität und Stimmung essgestörter Probandinnen. Offenbar fühlten sie sich nach dem Sport deutlich besser als zuvor – die gute Stimmung hielt allerdings nur für relativ kurze Zeit an, schreibt das Team im Fachblatt »Psychotherapy and Psychosomatics«.

Das Forscherteam hatte 29 Frauen im Durchschnittsalter von 26 Jahren, die unter verschiedenen Essstörungen wie Magersucht oder Bulimie litten, sowie 35 gesunde, etwa gleichaltrige Probandinnen mit einem Bewegungssensor ausgestattet. Dieser zeichnete die täglichen Aktivitäten auf und schickte die Daten via Bluetooth zur Auswertung an eine Smartphone-App. Zudem trugen die Frauen regelmäßig in eine Art elektronisches Tagebuch ein, wie sie sich fühlten. Während die gesunden Probandinnen vor dem Sport besonders energiegeladen und positiv gestimmt waren, ging das Training bei den Erkrankten mit einem Stimmungsabfall einher: Sie waren dann besonders unzufrieden mit sich und ihrem Körper. Nach dem Sport hingegen fühlten sie sich entspannter und weniger unter Druck, schlank sein zu müssen.

»Aus den Ergebnissen schließen wir, dass Sport Menschen mit Essstörungen nicht nur schadet, sondern hilft«, sagt Sportwissenschaftler Markus Reichert, der an der Studie beteiligt war. Weil die Betroffenen aber oft keine andere Möglichkeit sehen, ihre Gefühle zu regulieren, könnten sie dazu neigen, es mit dem Sport zu übertreiben. Das hat wiederum negative Folgen für Körper und Psyche. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, müsse der Sport in einem kontrollierten Rahmen stattfinden, so Reichert. Ein Beispiel hierfür ist das Ambulante Freiburger Sporttherapie-Programm für Patienten mit Essstörungen, das die Arbeitsgruppe um Zeeck entwickelt hat. Beim Sport in Gruppen sollen die Betroffenen ein besseres Gefühl für ihren Körper und seine Grenzen gewinnen sowie problematische Seiten ihres Sporttreibens reflektieren.

Gleichzeitig sei es wichtig, den Menschen alternative Strategien an die Hand zu geben, um ihre Probleme zu lösen, sagt Reichert. Mittels einer Smartphone-App, wie sie in der Studie verwendet wurde, so der Sportwissenschaftler, könne man den Zeitpunkt ermitteln, zu dem sie Hilfe benötigen, und sie in ihrem Alltag erreichen. Damit, so hofft das Forscherteam, sei es möglich, ambulante Psychotherapien zu ergänzen und Patientinnen und Patienten eventuell auch Klinikaufenthalte zu ersparen. Die Forscher planen bereits eine Studie, die untersuchen soll, ob eine solche Smartphone-Intervention Menschen mit Essstörungen hilft. Laut Zahlen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung leiden drei bis fünf Prozent der Menschen in Deutschland an einer Essstörung. Mädchen und Frauen sind davon häufiger betroffen als Jungen und Männer.

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