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Atomwaffen-Kontrolle: Das Netz der Bomben-Lauscher

Wie ein globales Überwachungsnetz Atomtests an jedem Punkt der Welt aufspürt - und an radioaktiven Spuren erkennen kann, welcher Typ Bombe in Nordkorea explodierte.
Intensitätskarte des vom Atomtest ausgelösten Bebens

Magnitude 6,3 hatte der Erdstoß, der am Wochenende den stärksten unterirdischen Atomtest seit 40 Jahren anzeigte. Sogar in Südkorea waren die Erschütterungen spürbar. Mit der Sprengkraft von 300 Kilotonnen TNT – so die ersten Schätzungen – war die Explosion weit stärker als jene 2016, die beide Magnituden zwischen 5 und 6 erreichten. Und schon jene bezog ihre Energie aus der Fusion der Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium. Nur so erreichen solche Bomben ein Vielfaches der Sprengkraft einer normalen Atombombe.

Erdbeben dieser Stärke treten jedes Jahr weltweit zu Dutzenden auf, doch die Signatur der Erschütterungen unterscheidet sich je nach Ursache. Auch eine Atombombenexplosion hat ihr charakteristisches Muster: Sie erzeugt wesentlich stärkere P-Wellen, die als Stoßwellen durch das Gestein wandern. Für Erdbeben dagegen sind S-Wellen typischer, bei denen das Gestein senkrecht zur Ausbreitungsrichtung schwingt. Zusätzlich stammten die seismischen Wellen aus der Umgebung eines von früheren Versuchen bekannten Atomtestgeländes.

Wie weit ist Nordkorea wirklich?

Mit der Explosion hat Nordkorea wieder einmal die Nachbarn in Aufruhr versetzt – doch eine zentrale Frage kann man bisher nicht mit letzter Sicherheit beantworten: Explodierte in Nordkorea eine Wasserstoffbombe? Schon kurz nach der Erfolgsmeldung kamen erste Zweifel an den Angaben Nordkoreas auf. Fachleute vermuten vielmehr, dass das Land wie schon 2016 eine Zwischenstufe auf dem Weg zur "echten" zweistufigen Fusionsbombe testete.

Was in Nordkorea tatsächlich explodiert ist, soll nun jene Organisation feststellen, die das 1996 beschlossene Testverbot für nukleare Waffen überwacht. Die nach dem Vertragsschluss gegründete Vorbereitungskommission der Organisation des Vertrags über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CBTBO Preparatory Commission) baute seit Ende der 1990er Jahre ein globales Sensornetzwerk auf, dessen Aufgabe es ist, die verbotenen Tests aufzuspüren und zu enttarnen.

Dieses so genannte International Monitoring System (IMS) ist ein weltumspannendes Netz von Sensoren, die verräterische Signale der Tests auffangen und zur Analyse in ein zentrales Datenzentrum weiterleiten. Drei Sensornetze lauschen nach Stoßwellen: Infraschallsensoren detektieren die Stoßwellen einer atmosphärischen Explosion, Hydrophone alarmieren die Welt, wenn unter Wasser eine Bombe gezündet wird. Von praktischer Relevanz sind heutzutage allerdings vor allem die Seismometer des IMS, denn selbst ein designierter Schurkenstaat wie Nordkorea testet seine Bomben heutzutage unterirdisch.

Verräterische Radionuklide

Die Daten dieser Sensoren geben Auskunft über die genaue Sprengkraft der Bombe und den Ort des Tests. Die entscheidenden Informationen kommen, mit etwas Verzögerung, vom vierten Sensornetzwerk des IMS. Das spürt radioaktiven Staub und Gase auf, die auch bei unterirdischen Explosionen fast immer in die Atmosphäre gelangen. Die genaue Zusammensetzung der enthaltenen Radionuklide gibt Aufschluss darüber, welche Art von Bombe tatsächlich explodierte. Die japanische Regierung hat bereits Aufklärungsflugzeuge ausgesandt, um möglichst schnell Gewissheit zu erlangen – bis diese Daten vorliegen, kann es allerdings noch mehrere Tage dauern.

Tatsächlich zeigen die seismischen Daten bereits, dass die nordkoreanischen Bombenbauer auf dem Weg zur vollwertigen Wasserstoffbombe vorangekommen sind: Die aktuelle Explosion setzte wesentlich mehr Energie frei als der letzte nordkoreanische Atomtest von 2016. Möglicherweise handelte es sich diesmal um eine klassische Atombombe, umgeben von einer Schicht festen Fusionsmaterials. 2016 spekulierten Fachleute dagegen, es könnte sich um eine Atombombe mit "Boosting" durch Fusionsbrennstoff in ihrem Zentrum gehandelt haben – dieser Zusatz erhöht den Anteil des in der Explosion gespaltenen Brennstoffs und damit auch die freigesetzte Energie. Eine solche Bombe setzt weit weniger Energie frei als Bomben im Schicht-Design, wie sie vermutlich nun im Nordkorea explodierte.

Dieser Artikel ist eine aktualisierte Version eines Beitrags vom Januar 2016.

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