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Klimaschutz: Die Welt braucht nasse Torfböden

In Schottland gräbt man Bäume aus, statt welche zu pflanzen. Das soll entwässerten Mooren helfen, sich zu erholen. Es klappt so gut, dass andere Länder sich ebenfalls in die Schlammschlacht stürzen.
Forsinard-Flows-Naturreservat in Schottland

An einem kühlen Septembermorgen in den nördlichen Highlands Schottlands rumpelt ein riesiger Bagger über die bis zum Horizont reichenden Moore. Während der Wind über das moosige Gelände peitscht, glättet der Fahrer der Maschine die Entwässerungsgräben, die die Landschaft verunstalten. Und behebt damit Schäden, die der Region jahrzehntelang zugesetzt haben.

Der Torf kann hier bis zu zehn Meter tief reichen und hat sich über Jahrtausende langsam entwickelt. Mitte des 20. Jahrhunderts dann wollten schottische Landbesitzer die Moore in Baumfarmen verwandeln. Sie pflügten Gräben, um Moore zu entwässern, und pflanzten Kiefern und Fichten, die oft nicht gediehen. Während man sich abmühte, begannen Forscher und die schottische Regierung, die Torfgebiete in einem neuen Licht zu sehen: Sie erkannten, dass Moore große Mengen an Kohlenstoff speichern. Und weiter: Wenn sie nicht gesund gehalten werden, könnten die Gebiete ihren gespeicherten Kohlenstoff freisetzen und die globale Erwärmung beschleunigen.

Deshalb gräbt ein Team von Forschern und Landmanagern in ehemaligen Plantagen südwestlich von Thurso nun Bäume aus und verflacht die Furchen. Die Anstrengungen sind Teil einer rund 50 Millionen Pfund teuren Initiative (umgerechnet rund 60 Millionen Euro), die die schottische Regierung und andere Organisationen zur Wiederherstellung der Deckenmoore des Landes gestartet haben – wellige Teppiche aus schwammigen Hügeln, die aus Sphagnum-Moos bestehen. Das weltweit größte Gebiet mit Flachmooren liegt im Flow Country, einer tief liegenden Fläche zwischen steilen Klippen im Norden und von Gletschern geformten Bergen im Südwesten des Landes.

Diese abgelegenen und exponierten Torfgebiete sind nach dem nordischen Begriff »floi« benannt, was so viel wie sumpfiger Boden bedeutet. Sie werden seit Langem als wertlose Einöden beschrieben. »Die Einheimischen nannten die Moore ›mamba‹ – meilenweit alles Mist«, sagt Roxane Andersen, Biogeochemikerin am Umweltforschungsinstitut der University of the Highlands and Islands in Thurso.

Waldpflanzungen im Forsinard-Flows-Naturreservat

Mehr als 80 Prozent der 1,7 Millionen Hektar Torfland in Schottland wurden für Treibstoff abgeholzt oder anderweitig abgebaut, etwa 500 000 Hektar wurden entwässert und mit nicht einheimischen Nadelbäumen bepflanzt. »Die Realität ist jedoch, dass es den Bäumen schlecht ging«, sagt Andersen.

Moore sind heute häufig Kohlenstoffquellen, keine Kohlenstoffsenken

Dabei sind Moore enorm wichtig, um Kohlenstoff zu speichern. Diese Gebiete enthalten mehr als ein Viertel des gesamten im Boden gespeicherten Kohlenstoffs, obwohl sie nur drei Prozent der Landfläche der Erde ausmachen. Weltweit bergen Moore mehr als doppelt so viel Kohlenstoff wie die Wälder der Welt, heißt es laut dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen.

Vielerorts haben die Menschen weite Teile dieser Flächen von langfristigen Kohlenstoffsenken in Kohlenstoffquellen verwandelt. Beschädigte oder entwässerte Torfgebiete weltweit stoßen jährlich mindestens zwei Milliarden Tonnen Kohlendioxid aus – etwa fünf Prozent der menschengemachten Treibhausgasemissionen –, und zwar hauptsächlich durch Torfbrände und die Oxidation des vergrabenen Kohlenstoffs. Und es wird erwartet, dass die Emissionen von Mooren noch stark ansteigen werden.

Da die Bedrohung durch den Klimawandel immer größer geworden ist, haben Forscher und Regierungen Moore als ideale Ziele identifiziert, nicht nur um Emissionen einzudämmen, sondern auch um Kohlenstoff aufzunehmen. Obwohl Kanada, Russland und Indonesien die größten Torfgebiete der Welt besitzen, hat Schottland eine führende Rolle bei den Bemühungen um die Wiederherstellung jenes Lebensraums übernommen, welcher mehr als 20 Prozent des Landes ausmacht. Schottland wird sein Ziel für das Jahr 2020, 50 000 Hektar wiederherzustellen, wahrscheinlich erreichen, wenn nicht sogar übertreffen, vor allem auf staatseigenen Naturreservaten und Waldflächen. Bis 2030 will man die Gesamtfläche auf 250 000 Hektar erhöhen.

»Es ist so leicht, ein Ökosystem zu zerstören, und so schwer, es wieder in Stand zu setzen«

Schottland rief im April 2019 als erstes Land den Klimanotstand aus. Torfgebiete wiederherzustellen, ist eine der wichtigsten Maßnahmen, mit denen das Land bis zum Jahr 2045 einen Netto-null-Treibhausgasausstoß erreichen will. »Schottland hat sich durch gute Verbindungen zu Forschern und Regierung an die Spitze gesetzt«, sagt Jack Rieley, Tropenmoorökologe und Vorstandsmitglied der International Moatland Society mit Sitz in Jyväskylä, Finnland. Wissenschaftler aus der ganzen Welt sind nach Schottland geströmt, um Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie sich eine erfolgreiche nationale Strategie zur Wiederherstellung von Torfgebieten entwickeln lässt.

Der Zustand der Moore

Die größte Frage ist, ob die Wiederherstellung einfach die Kohlenstoffemissionen aus den Torfgebieten stoppen oder die Moore so weit wiederbeleben wird, dass sie mehr Kohlenstoff speichern können. Andere Länder, insbesondere Indonesien, bemühen sich ebenfalls, die Kohlenstoffverluste aus ihren Torfgebieten zu reduzieren. Um sicherzustellen, dass diese Projekte funktionieren, entwickeln die Forscher Satellitentechniken und andere Instrumente, um den Zustand der Areale zu überwachen.

Doch es gibt keine Garantie dafür, dass sich die Anstrengungen auszahlen. »Es ist so leicht, ein Ökosystem zu zerstören, und so schwer, es wieder in Stand zu setzen«, sagt Andersen. »Wir können etwas aus der Vergangenheit nicht neu erschaffen, aber wir können unser Bestes tun, um es widerstandsfähig zu machen.«

Die Ernte kostet mehr, als das Holz wert ist

Etwas mehr als 100 Kilometer südwestlich von Thurso ist der moorige Boden stellenweise so aufgeweicht, dass mancher Besucher bis zu den Knien einsinkt und fast einen Stiefel verliert. Aber der Schlamm kann zwei Bagger – jeder mehr als 13 Tonnen schwer – nicht aufhalten, sie sind mit extrabreiten Raupen zur Gewichtsverteilung ausgestattet. Als Teil der Bemühungen, die Region wieder in Moore umzuwandeln, rumpeln sie über den Torf, schneiden und stapeln Baumbestände, die dort seit 30 Jahren stehen.

Das Holz ist von geringer Qualität, von hungrigen Schädlingen pockennarbig und anfällig dafür, umgeweht zu werden; ein Kennzeichen von Bäumen, die auf saurem Torf wachsen. Neil McInnes und Tim Cockerill beaufsichtigen dieses und andere Restaurierungsprojekte, die von der Forestry and Land Scotland durchgeführt werden, einer staatlichen Landverwaltungsbehörde mit Sitz in Inverness. Die Ernte kostet mehr, als das Holz wert ist, und da die Bäume entweder zu Heizpellets verarbeitet oder vor Ort verbrannt werden, um Strom zu erzeugen, gelangt der Kohlenstoff aus den Bäumen zurück in die Atmosphäre.

Dass die Bäume entfernt wurden, sorgte zunächst für Unmut. Viele Förster fühlten sich zu Unrecht dafür kritisiert, dass sie sie überhaupt gepflanzt hatten, obwohl es damals eine Regierungsanweisung war. Doch McInnes sagt, die Einstellung habe sich in den vergangenen Jahren geändert, da die Menschen das Kohlenstoffspeicher-Potenzial von Torfgebieten besser verstehen und die schottische Regierung es zu einer Priorität gemacht hat, die Emissionen zu reduzieren: »Es fühlt sich nicht mehr wie ein Kampf an.«

Moorlandrestaurierung im Loch-Lomond-Nationalpark

Im Flow Country begannen im Jahr 1995 erste Bemühungen zur Wiederherstellung von Torfgebieten. Sie konzentrierten sich mehr auf die Wiederherstellung von Vogellebensräumen. »Kohlenstoff stand damals kaum auf der Tagesordnung«, erzählt Norrie Russell, ehemaliger Manager des Forsinard-Flows-Reservats, das der Royal Society for the Protection of Birds gehört und in dem Andersen ihre Forschung betreibt.

Das Vorhaben gewann 2010 an Dynamik, als die International Union for Conservation of Nature die britische Untersuchungskommission für Moore ins Leben rief, um den Zustand der Ökosysteme zu bewerten. Diese Bemühungen – samt der breiten Unterstützung für die Bekämpfung des Klimawandels – haben das Interesse gesteigert, Moore gesund zu pflegen. Nun, sagt Russell, konzentriere sich der politische Druck zur Wiederherstellung von Torfgebieten hauptsächlich darauf, den Kohlenstoff unter Verschluss zu halten. In einer öffentlichen Umfrage im Jahr 2017 sprach sich die überwiegende Mehrheit der Befragten für die Wiederherstellung der Moore aus, um den Klimawandel abzuschwächen, die Wasserqualität und den Lebensraum für Wildtiere zu verbessern und diesen wichtigen Teil der schottischen Identität zu schützen.

Forscher überwachen Wärmefluss, Wasserstand, Bodentemperatur und Niederschlag

Andersen arbeitet mit McInnes und Cockerill sowie verschiedenen Organisationen zusammen, um zu ermitteln, wie das Land am besten für die Kohlenstoffspeicherung genutzt werden kann. Um Beweise zu sammeln, haben sie und ihre Kollegen seit 2008 vier Türme im Flow Country installiert, um unter anderem den Gasfluss und die Temperatur zu überwachen. Sensoren in der Nähe der Türme messen Wärmefluss, Wasserstand, Bodentemperatur und Niederschlag. Auf der Grundlage vorhandener Daten hat Andersen im Jahr 2019 von der in London ansässigen Wohltätigkeitsorganisation Leverhulme Trust eine Auszeichnung in Höhe von 986 088 Pfund erhalten, um zu ermitteln, wie sich Torfgebiete widerstandsfähig machen lassen.

In den bisher gesammelten Daten haben Andersen und ihre Kollegen einige viel versprechende Veränderungen entdeckt. Sie stellten fest, dass die ersten Gebiete wiederhergestellter Moore, in denen Bäume einfach gefällt und in die verstopften Entwässerungsgräben gerollt wurden, nach 16 Jahren von einer Kohlenstoffquelle zu einer Kohlenstoffsenke geworden sind. Die Arbeiten zeigten, dass die Rückführung von Wald in Moor ein wirksames Mittel zur Wiederherstellung einer Kohlenstoffsenke sein kann, allerdings fanden die Forscher auch heraus, dass sie mit einer intensiveren Bewirtschaftung schneller Ergebnisse erzielen könnten – etwa kohlenstoffreiche Bäume und Äste abzuholzen und den Boden abzuflachen. Zwar können derlei Eingriffe zunächst zu Treibhausgasemissionen führen, doch sobald der Boden gleichmäßiger nass ist, könne das den Wechsel von der Kohlenstoffquelle zur -senke auch beschleunigen und ihn auf nur noch zehn Jahre verkürzen, sagt Andersen.

Diese Ergebnisse stützen Forschungsergebnisse aus Kanada. Dort haben Teams festgestellt, dass es ein bis zwei Jahrzehnte dauert, bis sich Torfgebiete nach den Wiederherstellungsmaßnahmen wieder erholen. Der Trick zur Wiederherstellung der natürlichen Hydrologie, also der Art und Weise, wie Wasser durch das System fließt und vom Torf gespeichert wird, besteht darin, Standorte zu wählen, die nicht zu stark degradiert sind und an denen noch genügend Resttorf und Pflanzenvegetation vorhanden sind, weiß Nigel Roulet, Wissenschaftler an der McGill University in Montreal, Kanada. »Wenn man die Systeme anstößt und sie in den ersten Jahren der Erholung verwöhnt, regenerieren sie sich selbst«, sagt Roulet, »und die Kohlenstoffdynamik kehrt innerhalb von ein oder zwei Jahrzehnten zu einem natürlichen System zurück.«

Aber das ist eine komplizierte Geschichte, die es zu vermitteln gilt – vor allem wenn sich Menschen weltweit dafür einsetzen, Bäume zur Bekämpfung der globalen Erwärmung zu pflanzen. Im Jahr 2019 schlugen die Autoren einer Studie vor, dass die Ökosysteme der Erde eine Milliarde Hektar Wald mehr vertragen und 25 Prozent des atmosphärischen Kohlenstoffs speichern könnten. Die Politiker in vielen Ländern, darunter Großbritannien, haben sich eifrig für mehr Bäume eingesetzt. Schottland pflanzte 2018 11 200 Hektar neue Wälder an. Und im Vorfeld der Parlamentswahlen in Großbritannien im Dezember 2019 versprachen sowohl die Labour-Partei als auch die Konservativen, jedes Jahr Millionen von Bäumen zu pflanzen. Diese neuen Ambitionen könnten es für Forscher und Beamte schwieriger machen, zu argumentieren, dass Moore die falschen Orte für Bäume sind. »Wenn Landbesitzer und Manager nicht alle gemeinsam an einer vereinbarten Strategie arbeiten, wird es Druck geben«, sagt McInnes. »Das haben wir schon mal gesehen.«

Mit InSAR ist detailliert zu verfolgen, wie Moore sich verändern

Die Schlüsselfrage bei den Wiederherstellungsmaßnahmen auf der ganzen Welt ist, wie gut sie die Treibhausgasemissionen von Mooren verlangsamen können. Um das zu beantworten, brauchen die Forscher billigere und schnellere Instrumente, damit sie bewerten können, wie es um Moore in großen Gebieten bestellt ist. Andersen will gemeinsam mit dem Geowissenschaftler David Large an der University of Nottingham, Großbritannien, eine Methode zur Überwachung der Mooratmung mit Hilfe von Satellitenmessungen entwickeln – insbesondere die Radarinterferometrie (InSAR). Da gut funktionierende Torfgebiete mit dem Niveau des Grundwasserspiegels auf- und absteigen, können die Kohlenstoffemissionen aus dem Verhalten des Torfs abgeleitet werden, erklärt Large.

Das Team hat die Methode an 22 Standorten im Flow Country über einen Zeitraum von 18 Monaten getestet und festgestellt, dass nasser, moosiger Torf in gutem Zustand – der am unwahrscheinlichsten eine Kohlenstoffquelle ist – im mittleren Winter aufsteigt und im Hochsommer abfällt. Trockener, strauchartiger Torf, der eher Kohlenstoff ausstößt, steigt im späten Frühjahr und fällt im Spätsommer. In einem nächsten Schritt planen die Forscher, ihre InSAR-Ergebnisse mit Messungen von Kohlenstoffemissionen abzugleichen.

Mit InSAR werden Geldgeber und Regierungsbeamte Erfolg messen können, sagt Large. »An welchem Punkt wird der Torf wiederhergestellt? Wir haben Millionen ausgegeben und noch nicht wirklich darüber nachgedacht, was Erfolg bedeutet«, sagt er, zumindest in Form von Zahlen. Large testet das Werkzeug jetzt in tropischen Torfgebieten, die seiner Meinung nach eine Herausforderung darstellen, da sich der Torf in Gebieten wie Südostasien nur unter einer Waldbedeckung aufbaut und die Bäume InSAR stören. Sollte sich die Methodik für alle Moorlandtypen und -bedingungen validieren lassen, könnten Regierungen damit wiederherzustellende Gebiete auswählen und überwachen, wie wirksam die Eingriffe sind, sagt Susan Page von der University of Leicester, Großbritannien, die Torfgebiete in Südostasien untersucht.

Andere Teams arbeiten ebenfalls an Methoden, um Torfablagerungen zu überwachen. In den Tropen zum Beispiel verfolgen Forscher die Entwaldung, die oft den Bemühungen um die Trockenlegung der Moore vorausgeht. Jedes Land wird sein eigenes Überwachungssystem entwickeln müssen, sagt Hans Joosten, Moorökologe an der Universität Greifswald.

Eine Überwachung ist in vielen Regionen dringend erforderlich, auch in Indonesien. Das Land wird von saisonalen Bränden geplagt, die sich über trockene Moore ausbreiten und Rauchschwaden über weite Teile des Landes schicken. Die Brandgefahr hat in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen, weil Dämme installiert wurden, um den Torf des Landes zu entwässern und Pflanzen anzubauen – insbesondere Ölpalmen, die am besten gedeihen, wenn der Wasserspiegel etwa 80 Zentimeter unter der Oberfläche liegt. Nach den verheerenden Torfbränden im Jahr 2015 hat sich Indonesien das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2020 zwei Millionen Hektar, etwa zehn Prozent der etwa 20 Millionen Hektar der ursprünglichen Torfsumpfwälder des Landes, wiederherzustellen, um Brände zu verhindern und die Luftqualität zu verbessern.

Bis Ende 2019 wurden daher etwa 788 000 Hektar neu befeuchtet, wobei der Grundwasserspiegel bis auf 40 Zentimeter angehoben wurde. Laut Nazir Foead, dem Leiter der indonesischen Agentur für die Wiederherstellung von Torfmooren, ergaben Untersuchungen im Land, dass »die Brandvorfälle erheblich zunahmen, als der Spiegel unter 40 Zentimeter fiel«. Indonesien plant, mehr als die Hälfte seiner Kohlenstoffreduktionsziele durch den Schutz von Torfgebieten zu erreichen und so das Pariser Klimaabkommen zu unterstützen.

Theoretisch sollten diese Pläne die Emissionen Indonesiens senken, aber sie werden wahrscheinlich nicht die Fähigkeit des Torfs wiederherstellen, neuen Kohlenstoff zu speichern, urteilen mehrere Forscher. »Moore wieder nass zu machen, ist die erste Stufe der Sanierung, allerdings ist das keine Wunderwaffe«, so Rieley. Anders als in Schottland, wo Moose Torf bilden, werden in tropischen Systemen Bäume benötigt, um Torfschichten anzulagern. Wo soll der Torf in Indonesien herkommen?, fragt Rieley. Wie viele Bäume tatsächlich wieder gepflanzt wurden, könne seine Behörde noch nicht beziffern, sagt Leiter Foead.

Selbst wenn Indonesien seine Torfgebiete nicht wieder in eine Kohlenstoffsenke verwandelt, würde die Wiedervernässung auf 40 Zentimeter unter der Torfoberfläche aus Klimaperspektive große Vorteile bringen, argumentiert Joosten. Dies würde die Emissionen von wiederbefeuchteten Flächen um 50 Prozent reduzieren, da die Menge des Torfs, die oxidierenden Bedingungen ausgesetzt ist, halbiert wird. Und es würde die globalen Emissionen viel stärker reduzieren als die Bemühungen Schottlands, sagt Joosten, der Teil eines internationalen Teams war, das 2018 den Indonesien-Torf-Preis gewann, der von der Regierung und der David and Lucile Packard Foundation mit Sitz in Los Altos, Kalifornien, verliehen wird. Das Team entwickelte eine Methode zur Kartierung der Ausdehnung und Tiefe von Torf.

Sind Moore wieder nass, soll das einen Nettovorteil für das Klima bieten

Ein grundlegendes Problem ist, dass Moorgebiete nur an wenigen Orten großflächig wiederhergestellt werden, sagen Forscher. Tatsächlich nimmt die globale Gesamttorffläche ab, weil die Moore in den Tropen weiterhin entwässert werden und das Land für andere Nutzungen umgewandelt wird. Wenn das so weitergeht, wird der aus den Mooren freigesetzte Kohlenstoff dazu beitragen, die globale Temperatur um mehr als 1,5 Grad Celsius bis 2 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau anzuheben. Damit wäre das Ziel des Pariser Abkommens verfehlt.

Ein mögliches Problem wiederhergestellter Torfgebiete: Sie könnten eine gewisse Menge des starken Treibhausgases Methan produzieren. Aber Joosten sagt, diese würde durch die Reduzierung der Emissionen von Kohlendioxid und Lachgas mehr als ausgeglichen. Insgesamt bietet die Wiedervernässung einen Nettovorteil für das Klima. Anstatt sich darauf zu konzentrieren, Moore weltweit in Senken zu verwandeln, sagt er, sei es kurzfristig realistischer, sie kohlenstoffneutral zu machen.

Wären alle Moore kohlenstoffneutral, hätte das eine große Auswirkung. 2019 stellten Page und ihre Kollegen fest, dass bis 2015 etwa 80 Milliarden Tonnen Kohlendioxid aus entwässerten Torfgebieten ausgestoßen wurden und dass sich diese kumulierte Menge bis 2100 ungefähr verdreifachen würde. Schätzungen zufolge müssen die Nationen die künftigen Kohlendioxidemissionen auf etwa 400 bis 1600 Milliarden Tonnen begrenzen, um zu verhindern, dass die Temperaturen über das Pariser Ziel hinaus ansteigen. Die Moore sind laut Page und Kollegen jedoch auf dem besten Weg, etwa 10 bis 40 Prozent zur Gesamtmenge beizutragen, es sei denn, die Länder würden Maßnahmen zum Schutz und zur Wiederherstellung ergreifen.

Joosten betont, es »müssen alle trockengelegten Torfgebiete der Welt wieder vernässt werden. Kein Rosinenpicken mehr, wo es am einfachsten, billigsten und effektivsten geht.« Tatsächlich hat die Umweltversammlung der Vereinten Nationen im Jahr 2019 ihre erste Moorland-Resolution verabschiedet, in der die Mitgliedstaaten aufgefordert werden, diese kohlenstoffreichen Ökosysteme zu erhalten und wiederherzustellen.

Dennoch sagen die Forscher, man müsse dokumentieren, wie viel Kohlenstoff in den verschiedenen Torfgebieten verloren geht oder gespeichert wird, damit die Länder ihre Ziele für das Pariser Klimaabkommen und zukünftige Vereinbarungen erfüllen können. Und grundlegende Informationen über Moore – einschließlich ihrer Ausdehnung und Tiefe – fehlen in vielen Regionen noch immer. Erst vor drei Jahren entdeckten Wissenschaftler im zentralafrikanischen Kongobecken das größte zusammenhängende tropische Torfgebiet der Welt.

»Es ist in der Praxis unmöglich, die Treibhausgasemissionen über so großen Gebieten direkt zu überwachen – das macht kein Land der Welt«, konstatiert Joosten. In Indonesien haben Nichtregierungsorganisationen betont, dass niemand die Wirksamkeit der Wiedervernässung unabhängig überwacht, sagt er.

Und trotz der Bemühungen, den Wasserspiegel in weiten Teilen der indonesischen Moore zu erhöhen, erlebte das Land im Jahr 2019 eine seiner schlimmsten Feuersaisons. »Die verbrannten Gebiete waren Orte, die wiederhergestellt wurden«, sagt Lahiru Wijedasa, ein Ökologe an der Nationalen Universität Singapur, der die Torfgebiete Indonesiens untersucht. »Wir beginnen erst zu verstehen, wie diese Ökosysteme als Ganzes funktionieren«, berichtet er. Durch die Brände ist fraglich, ob sich die gestörten Torfgebiete Indonesiens wiederherstellen lassen und wie sie in Zukunft reagieren werden.

Andersen stimmt dem zu. »Wenn der Verfall zu weit geht, laufen wir dann Gefahr, Moorgebiete zu verlieren, bevor wir etwas dagegen tun können?«

Die Wiederherstellung schützt vor starken Feuerschäden

Am 12. Mai 2019 brach ein Feuer in einer von Andersens Restaurierungsstätten in Schottland aus. Sie erinnert sich an die schlaflosen Nächte, in denen sie die schnell fortschreitende Feuersbrunst verfolgte, die mehr als 50 Quadratkilometer niederbrannte. »Es sah apokalyptisch aus mit einem orangefarbenen Himmel und dunklen Rauchwolken«, erzählt sie. »Man konnte kaum atmen oder sehen.« Doch die Geschwindigkeit des Feuers sei beeindruckend gewesen. »Es legte fast 15 Kilometer an einem Tag zurück.«

Andersen sagt, dass dem Feuer ungewöhnlich heiße, trockene Bedingungen vorausgingen, die das Sphagnum-Moos spröde machten. »Die Flüsse waren auf ihrem niedrigsten Stand seit 1976.« Zufälligerweise waren einige der trockensten Standorte Teil der InSAR-Validierungsstudie. Die Forscher stellten fest, dass die Oberfläche des von der Dürre am stärksten betroffenen Torfs zusammengebrochen war und sich nicht mehr erholt hatte, als es vor dem Brand wieder zu regnen begann. »Die Folgen überdauerten die Dürre für eine lange Zeit«, sagt sie.

Dennoch schienen die Restaurierungsarbeiten zu helfen. Gebiete, die gut mit Sphagnum bedeckt waren und trotz der Dürre nass blieben, wiesen nur geringe oder mittlere Brandschäden auf, verglichen mit Bereichen, die noch aktiv entwässert wurden und lückenhaft waren. Diese hatten laut Andersen die tiefsten Verbrennungen und Schäden erlitten.

Drei Wochen nach dem Brand reichten sie und ihre Kollegen mit Erfolg einen Zuschussantrag beim britischen Forschungsrat für natürliche Umwelt ein, um die Auswirkungen der Brände zu untersuchen. Das Team wird Bodenmessungen, Bilder von unbemannten Fluggeräten und InSAR-Daten nutzen, um verschiedene Arten der Bewirtschaftung zu vergleichen – einige Moore wurden intensiver wiederhergestellt, andere mit weniger Eingriffen zurückgelassen. Die Forscher wollen beurteilen, wie stark der Torf in jedem Gebiet verbrannt ist, wie er sich erholt hat und wie viel Kohlenstoff verloren ging. Sie haben auch einen fünften Turm im verbrannten Bereich installiert, der messen soll, wie sich die Brände auf die Kohlenstoffemissionen auswirken. Diese Daten werden nützlich sein, um herauszufinden, wie die Standorte am besten wiederhergestellt werden können, damit diese künftigen Klimabelastungen widerstehen, sagt Andersen.

Schottland hat bei seinem Bestreben, Moore wiederherzustellen, mehrere Vorteile gegenüber anderen Regionen. Beispielsweise können die Landbesitzer im dünn besiedelten Flow Country noch immer von wiederhergestellten Mooren leben, typischerweise durch den mit Jagd und Fischerei verbundenen Tourismus. In Indonesien jedoch haben die Menschen Mühe, Pflanzen zu finden, die auf feuchten, torfigen Böden wachsen und ihnen eine Lebensgrundlage bieten.

Früher wertloses Land, künftig womöglich Weltkulturerbe

Während starker Regenfälle im Jahr 2019 ließ sich auf dem Landgut Braemore and Langwell vor Ort sehen, wie sich die schottischen Bemühungen auswirken. Rund 6000 neu installierte Dämme haben die Erosion in den für die Hirschjagd und den Fischfang genutzten Gebieten gestoppt. Zwischen den Dämmen hat sich das Wasser gesammelt und ist mit schillernden Moosen übersät. Anson MacAuslan war einer der ersten Gutsverwalter, der die Finanzierung von Peatland Action sicherte, einem von der schottischen Regierung finanzierten Projekt zur Wiederherstellung von Torfgebieten. Er hat etwa 185 000 Pfund ausgegeben, um sieben Prozent des 19 000 Hektar großen Anwesens zu restaurieren, und konnte sehen, wie die Dämme das Überschwemmungsrisiko verringert und die Wasserqualität in den Flüssen, in denen Lachse schwimmen, verbessert haben.

Mehrere der benachbarten Landgüter beginnen mit eigenen Restaurierungsprojekten. Für Andersen zeigt sich damit, dass die Öffentlichkeit Moore dank des Flow-Country-Restaurierungsprojekts anders wahrnimmt. Es gibt sogar Bestrebungen, die Region als Weltkulturerbe der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) zu nominieren – was für ein Moorland ein Novum wäre. Früher haben die Menschen diese Landschaft als wertlos bezeichnet, doch »das hören wir nicht mehr«, betont Andersen.

Die Autorin hat den Artikel mit Hilfe der European Geosciences Union recherchiert. Der Text ist im Original »How peat could protect the planet« in »Nature« erschienen und für die deutsche Fassung von der Redaktion angepasst worden. Spektrum.de, 18.02.2020

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