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Giftmüll: Wie umgehen mit Uranaltlasten?

Was der Uranbergbau zurücklässt, bleibt jahrhundertelang ein Umweltrisiko. Natürliche Feuchtgebiete nehmen das Schwermetall zwar auf, bleiben zur Sanierung aber umstritten.
Abraumhalden um Ronneburg

Der Bach enthält 100 Mikrogramm Uran pro Liter, sechsmal mehr, als die Weltgesundheitsorganisation für Trinkwasser empfiehlt. Bis heute ergießt sich dieses Wasser aus dem Bergwerk Königstein südöstlich von Dresden. 1967 begann die sowjetisch-deutsche Aktiengesellschaft Wismut, hier Uranerz abzubauen. Als sich der klassische Abbau mit Sprengungen und Presslufthämmern nicht rechnete, kamen härtere Bandagen. Tausende Tonnen eines Gemischs aus Wasser und Schwefelsäure verschwanden jedes Jahr in tiefen Bohrlöchern. Die Chemikalie zersetzte das Gestein in sonst unerreichbaren Tiefen, und Bergleute pumpten sie danach mit dem begehrten Uran zurück. Der Laugungsbergbau von Königstein gilt als eine der produktivsten Phasen des ostdeutschen Uranbergbaus – und als eine der schmutzigsten.

Schmirchauer Höhe in Ronneburg | Im Erzgebirge mussten nach der politischen Wende viele ehemalige Abraumhalden saniert werden – etwa bei Ronneburg in Thüringen. Unklar ist, ob die darin enthaltenen Uranerze für alle Zeiten fixiert wurden.

Der uranhaltige Bach aus dem Stollensystem fließt bis heute, und sein vergleichsweise geringer Metallgehalt ist Ergebnis einer jahrzehntelangen Sanierung. Nach dem Ende des Abbaus im Jahr 1990 nahm sich die mit Bundesmitteln ausgestattete Wismut GmbH der ostdeutschen Uranbergwerke an, um größere Umweltschäden zu verhindern. Arbeiter ebneten über 100 Meter hohe Halden aus uranhaltigem Gestein ein. Sie sicherten und fluteten die Stollen in der Tiefe. Sie legten in Thüringen und Sachsen neue Lager für mit Uran und anderen Schwermetallen belasteten Schlamm an – und sie kümmerten sich um das Bergwerk Königstein. Von den 5,8 Milliarden Euro, die die Sanierung bis heute gekostet hat, verschlang das erzgebirgische Laugungsbergwerk den Löwenanteil von rund einer Millarde Euro. Denn die vor Jahrzehnten in die Tiefe gepumpte Säure hat längst nicht aufgehört zu wirken. Bis heute fördern die Pumpen der Wismut GmbH uranhaltiges Wasser. Bisher reicht der Urangehalt sogar, um das radioaktive Schwermetall zu verkaufen. Allein im Jahr 2012 gewann die Wismut GmbH 38 Tonnen Uran, die ein Subunternehmen tschechischer Kernkraftbetreiber abnahm.

Giftiges Schwermetall

Mit seinem großen Anteil an Alphastrahlen kann aufgenommenes Uran Tiere und Pflanzen schädigen, ist aber zunächst gar nicht wegen seiner Radioaktivität gefährlich. Es besteht zu großen Teilen aus dem Isotop Uran-238, das mit einer Halbwertszeit von 4,5 Milliarden Jahren sehr langsam zerfällt. Was Natururan gesundheits- und umweltgefährlich macht, ist seine Rolle als Schwermetall. Ähnlich wie Kadmium oder Blei reichert es sich in der Leber an und erhöht dadurch das Risiko, an Krebs zu erkranken. Dazu zerfällt es mit der Zeit zu vergleichbar giftigen Schwermetallen und zu stärker radioaktiven Elementen wie Radium und Radongas.

Aus der Sicht von Umweltschützern und Behörden ist eine weitere Eigenschaft von Uran besonders kritisch. Es ist unter allen bekannten radioaktiven Elementen besonders mobil, weil sich seine oxidierte Form Uran (VI) spielend in Wasser löst. Was für Laugungsbergbau und die Erzaufbereitung ein Segen ist, wird bei der Sanierung alter Bergbaulandschaften zum Fluch. Denn nun soll das Uran nicht mehr heraussprudeln, sondern möglichst zurückgehalten werden. Deshalb versuchen Sanierer wie die Wismut GmbH alles, um das Element weniger mobil zu machen. Dafür muss Uran (VI) zu kaum löslichem Uran (IV) reduziert werden.

Abraumhalden um Ronneburg | Riesige Abraumhalden des Uranbergbaus kennzeichneten bis zur Wende 1990 die Region um Ronneburg (hier eine historische Aufnahme aus dem Jahr 1990). Vor allem die Sickerwässer aus dem Abraum bereiteten den Geologen und Geochemikern Sorgen. Sie enthalten unter anderem das Schwermetall Uran, dessen Zerfallsprodukte und andere giftige Stoffe, die bis zur Sanierung unkontrolliert aussickerten.

Was bisher vor allem in Klärwerken mit aufwändigen chemischen Trennverfahren passierte, lässt sich heute zunehmend noch billiger realisieren. 1991 entdeckten US-Mikrobiologen, dass bestimmte Uranbakterien Elektronentransportprozesse zur Energiegewinnung verwenden – und dabei das mobile Uran (VI) reduzieren. Ihr Fund deckte sich mit einer weiteren Einsicht: Sickert nämlich uranbelastetes Abwasser aus einem Bergwerk durch ein Feuchtgebiet mit reichlich organischem Material, nimmt das Sediment mobiles Uran auf und verhindert, dass es sich fortbewegt. Offenbar sind hier nicht nur das reduzierende chemische Milieu, sondern auch winzige Organismen am Werk.

Biologische Entsorgung

Die reinigende Wirkung der Natur hätte das Potenzial, die Hinterlassenschaften des Bergbaus deutlich günstiger zu sichern, als dies bisher gemacht wird. Von einigen Mikroben abgegebene Polymere binden das Schwermetall sehr gut. Diverse Pflanzen- und Algenarten ziehen Uran aus dem Boden und bauen es in ihre Zellstruktur ein, während es andere fest in winzige Bläschen einschließen und damit binden [1]. Zwar ist die bodenreinigende Wirkung von tropischen Senfarten oder Sonnenblumen gegenüber Uran schon länger bekannt. Aber diese Pflanzen gedeihen im eher rauen Klima der ostdeutschen Mittelgebirge nur schlecht. Forscher der TU Dresden und der Universität Jena konnten aber kürzlich zeigen, dass auch eine heimische Kulturpflanze Uran aus dem Boden ziehen könnte: das durch Kreuzung von Roggen und Weizen gezüchtete Triticale, dem der Winter auf mitteldeutschen Uranhalden nichts ausmacht [2]. Regelmäßig geerntet und zu Bioenergie verarbeitet, ließe sich aus solchen Pflanzen sogar noch ein Gewinn erzielen.

Altlasten mit biologischer Hilfe zu beseitigen, besticht nicht nur wegen des Preises: Die Methoden versprechen, mit weniger menschlicher Hilfe zu funktionieren. Die mit Planen abgedeckten Halden der Wismut GmbH bleiben für Jahrzehnte und Jahrhunderte ein Risiko. Reißt eine Schutzabdeckung – wie zuletzt 2008 nahe dem erzgebirgischen Aue – können gesundheitsschädliches Radongas oder Uranstaub austreten. Um das unter den Halden liegende Grundwasser zu schützen, müssen Pumpen bis in alle Ewigkeit laufen und belastetes Sickerwasser zunächst in Kläranlagen leiten. "Bis jetzt haben wir nur Ingenieurslösungen, die für die nächsten 50 Jahre reichen, aber kaum für 500 oder 1000 Jahre", bestätigt Broder Merkel. Er hält den Lehrstuhl für Hydrogeologie an der TU Bergakademie Freiberg, der regelmäßig eine Konferenz über Folgen des Uranbergbaus ausrichtet. Wird belastetes Wasser aber durch ein natürliches Feuchtgebiet geleitet, würde daraus wie von selbst ein großer Teil des Urans gebunden – selbst wenn eines Tages einige Pumpen versagen sollten.

Pechblende | Um den begehrten Rohstoff Uran aus dem Mineral Uraninit – auch Pechblende genannt – zu gewinnen, pumpten die Bergleute Säure in den Stollen. Sie sollte das Metall herauslösen, so dass es heraufgepumpt und extrahiert werden konnte.

Bei aller Euphorie über mikrobiologische und pflanzliche Uranbindung rät Broder Merkel trotzdem zur Vorsicht: "Die Feuchtgebietsanierung von Bergbauabwässern ist zwar eher günstiger, aber in vielen Abbauländern für Uran wegen der dortigen Temperaturen und Trockenheit gar nicht möglich." Hinzu kommen Erfahrungen, die Ingenieure der Wismut GmbH am Bergwerk von Pöhla machten: Im westlichen Erzgebirge testeten sie seit 2004 ein experimentelles Verfahren, bei dem uranbelastete Abwässer biologisch gereinigt werden sollten. Sie stellten den Versuch schon im letzten Jahr wieder ein, weil die Anlage deutlich weniger Uran filterte als erhofft. Das Abwasser aus dem Bergwerk Pöhla reinigt nun weiter eine technische Anlage.

Weitere Zweifel an der biologischen Uransanierung sät jetzt ein Team um Yuheng Wang von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne [3]. Die Forscher hatten einen Bach aus einem ehemaligen Uranbergwerk untersucht, der durch ein Feuchtgebiet in der mittelfranzösischen Region Limousin fließt. Sie entdeckten im Wasser winzige Feststoffpartikel, die zu erhöhten Urankonzentrationen im Bach führten. Überraschenderweise haftete diesen so genannten Kolloiden sogar das bereits reduzierte Uran (IV) an, das eigentlich fest im Sediment gebunden sein sollte, um das Gewässer zu schützen. Die Wissenschaftler fordern jetzt, solche Feuchtgebiete noch genauer auf austretendes Uran und die zu Grunde liegenden Prozesse zu untersuchen.

Uranbergbau boomt

Trotz der mäßigen Erfahrungen mit biologischen Verfahren gibt sich der Ökologe Gert Dudel von der TU Dresden überzeugt davon, dass sie in Zukunft häufiger eingesetzt werden könnten. Er untersucht seit Jahren, wie Uranhalden und Feuchtgebiete zusammenspielen. Laut ihm dürften solche Methoden weniger in dicht besiedelten Gebiete wie Deutschland eingesetzt werden als vielmehr in Entwicklungsländern: "Wenn man die Möglichkeit hat, Bergbauwasser durch ein Feuchtgebiet zu filtern, ist das besser, als die Bevölkerung dem auszusetzen", sagt Dudel.

Längst hat sich der Uranbergbau heute fernab industrialisierter Staaten etabliert. Seit Beginn des letzten Jahrzehnts gibt es einen weltweiten Uranboom, weil Schwellenländer wie Indien und China Dutzende neue Kernkraftwerke gebaut und noch deutlich mehr geplant haben. Zu den wichtigsten Förderländern gehören Kasachstan, Niger und Namibia. Ihnen dürften schlicht die Mittel fehlen, die gefährlichen Bergbaureste wie in Ostdeutschland mit aufwändigen technischen Anlagen zu sichern und dauerhaft zu überwachen. Das Uran mit natürlichen Mitteln zu fixieren, ist hier vielleicht der einzige Ausweg.

Broder Merkel bezweifelt aber, dass natürliche Feuchtgebiete überall das Uran zurückhalten können. "Die Methode ist eher günstig, aber in trockenen Ländern schon wegen der dortigen Temperaturen gar nicht möglich." Der Ökologe Gert Dudel ist optimistischer – immerhin müsse bei jeder Form von Bergbau viel Wasser abgepumpt und ohnehin entsorgt werden. Überwachung dürfe bei solchen Flächen aber keinesfalls fehlen: "Eine Freifläche ist kein Bioreaktor", sagt Dudel. "Pflanzen und Bakterien gilt es für Klima und Wasserverhältnisse zu optimieren." Und dafür müssten natürliche Feuchtgebiete erst einmal im großen Maßstab als Senke für uranbelastetes Wasser getestet werden – bisher wurde das nirgends versucht.

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