News: Wie wirkt die Sonne auf das Erdklima?
Wie die Wissenschaftler in Nature vom 23. November 2000 berichten, hat sich die Stärke des solaren Magnetfelds in den vergangenen hundert Jahren mehr als verdoppelt. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war das Feld recht schwach und vor 1700 sogar für einige Jahrzehnte nahezu verschwunden. Die drei Forscher schlagen vor, dass Veränderungen des Sonnenmagnetfelds für langfristige Klimaschwankungen und teilweise auch für die globale Erwärmung seit 1900 verantwortlich sein könnten.
Für ihre Studien untersuchten die Experten zunächst die Häufigkeit von Beryllium-10 im grönländischen Inlandeis. Dieses Radioisotop entsteht, wenn die energiereichen nuklearen Teilchen der kosmischen Strahlung in die Erdatmosphäre eindringen und dort Atomkerne von Stickstoff und Sauerstoff zerschlagen. In den Proben zeigte sich, dass Beryllium-10 in den vergangenen hundert Jahren abgenommen hat. Damit muss auch die Stärke der kosmischen Strahlung zurückgegangen sein. Den Wissenschaftlern zufolge bedeutet dies gleichzeitig eine Zunahme des Sonnenmagnetfelds, weil es wie ein Schirm wirkt und die kosmische Strahlung abfängt. Aus dieser Beobachtung sowie aus Satelliten-Messungen des erdnahen solaren Magnetfelds der vergangenen 35 Jahre konstruierten Solanki, Schüssler und Fligge ein Modell des Felds und brachten dabei die Sonnenflecken ins Spiel.
Schon die Chinesen entdeckten vor mehr als 2000 Jahren mit bloßem Auge schwarze "Tupfen" auf dem Tagesgestirn. Seit der Erfindung des Fernrohrs im frühen 17. Jahrhundert beobachten die Astronomen die Sonnenflecken regelmäßig. Es handelt sich um Regionen auf der Oberfläche, in denen die Energieversorgung aus dem Inneren des stellaren Gasballs aufgrund starker Magnetfelder nicht mehr richtig funktioniert. Die Gebiete kühlen um etwa 1500 Grad Celsius ab und erscheinen im Kontrast zu der rund 5500 Grad Celsius heißen Photosphäre dunkel. Die Zahl der Sonnenflecken schwankt in einem etwa elfjährigen Aktivitätszyklus. Mit dem Modell des deutsch-schweizerischen Teams kann die Stärke des solaren Magnetfelds aus der jeweiligen Zahl der Sonnenflecken bestimmt und so auch für Zeiten ermittelt werden, in denen es noch keine direkten Messungen gab. Dabei weisen viele Flecken auf ein starkes Magnetfeld hin.
Anhand historischer Aufzeichnungen über die Häufigkeit von Sonnenflecken verfolgten die Wissenschaftler die Schwankungen des solaren Magnetfelds in den vergangenen 300 Jahren. Dabei fanden sie neben dem Elf-Jahres-Rhythmus langfristige Veränderungen – und eine enge Korrelation mit der Entwicklung der mittleren Erdtemperatur: Nimmt das solare Magnetfeld ab, wächst die kosmische Strahlung. Die von ihr erzeugten Ionen wirken nach einem Modell dänischer Forscher als Kondensationskeime für größere Schwebeteilchen. Die Bewölkung nimmt zu, die Temperaturen auf der Erde sinken. Wird das Magnetfeld dagegen stärker, nehmen kosmische Strahlung und Wolkenbedeckung ab, und es wird wärmer.
Das Ergebnis der Wissenschaftler liefert eine mögliche Erklärung für den bisher rätselhaften statistischen Zusammenhang zwischen dem Verlauf der Erdtemperatur und der Länge der einzelnen Aktivitätszyklen der Sonne. Zu der Theorie würde auch die "kleine Eiszeit" zwischen 1645 und 1715 passen. In diesem Zeitraum von 70 Jahren hatte es praktisch keine Sonnenflecken gegeben (Maunder-Minimum). Das solare Magnetfeld war also gering, die kosmische Strahlung – und möglicherweise damit einhergehend die Bewölkung – entsprechend stark.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 16.3.2000
"Grummeln hinter dem Horizont"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 20.10.1999
"Helle Ringe um dunkle Flecken"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 10.6.1999
"Eine glatte Verdopplung der magnetischen Feldstärke"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Brennpunkt-Thema vom 24.4.1998
"Sonnenfleckzyklus 23" - Spektrum der Wissenschaft 10/96, Seite 48
"Magnetismus und die Aktivitätszyklen von Sternen"
(nur für Heft-Abonnenten online zugänglich)
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