Direkt zum Inhalt

News: Wiedererwecktes Verlangen

Kokain macht sogar Ratten süchtig. Aber auch sie können durch einen Entzug von ihrer Abhängigkeit geheilt werden - bis in einem bestimmten Bereich des Gehirns die Erinnerung an die Euphorie durch die Droge wieder auflebt. Mit Hilfe von Tierversuchen entdeckten amerikanische Forscher, wo sich in der komplexen Topografie des Gehirns das Zentrum für das unstillbare Verlangen verbirgt.
Die Droge Kokain erzeugt nicht nur Hochgefühl, sondern auch eine starke seelische Abhängigkeit und körperlichen Verfall. Ohne medizinische Hilfe gelingt kaum einem Abhängigen der Entzug von diesem Psychostimulans. Die Suche nach wirkungsvollen Behandlungsmethoden ist daher nach wie vor ein wichtiges Forschungsanliegen. Bisher verfolgten die Wissenschaftler die Spur des Botenstoffes Dopamin, der über das Belohnungszentrum im Gehirn ein Hochgefühl hervorruft. Dopamin leitet Reize von einer Nervenzelle zur nächsten weiter. Doch Kokain blockiert die Transportmoleküle für Dopamin, sodass es sich in den Synapsen anhäuft. Als Folge fühlen sich Mensch und Tier praktisch unschlagbar.

Stanislav Vorel und seine Kollegen vom Albert Einstein College of Medicine in New York analysierten die Vorgänge der Kokain-Abhängigkeit bei Ratten. Wenn die Tiere einen Hebel drückten, kamen sie jedesmal über einen Dauerkatheter in den Genuss von Kokain. Hatten sich die Ratten daran gewöhnt, erhielten sie jedoch nur noch eine Kochsalzlösung. Nach wenigen Tagen hatten die zuvor süchtigen Ratten kein Interesse mehr am Hebeldrücken, der Entzug war gelungen.

Was Vorels Team aber eigentlich interessierte, war: Welcher Bereich im Gehirn ist für das unstillbare Verlangen zuständig und macht einen dauerhaften Entzug so schwierig? Daher stimulierten die Wissenschaftler bei den Ratten verschiedene Areale des Gehirns und wurden in einem unerwarteten Bereich fündig. Zunächst konzentrierten sie sich auf das Belohnungszentrum – doch es ließ die Ratten ziemlich kalt, wenn die Forscher mit Elektroschocks diese Hirnregion erregten.

Vorel und seine Kollegen stimulierten daraufhin das ventrale Subiculum, einen Bereich im Hippocampus, der auch bei Lernprozessen und für das Gedächtnis eine Rolle spielt. Und plötzlich erinnerten sich die Ratten wieder an ihre frühere Quelle. Sie betätigten verzweifelt den entsprechenden Hebel, bis sie endlich akzeptieren mussten, dass kein Kokain fließen würde.

Sucht beruht demnach auf zwei Prozessen: der direkten Wirkung der Droge und der Erinnerung daran. Alan Leshner vom National Institute on Drug Abuse (NIDA) in Bethesda vermutet, dass Kokain im Subiculum seine Spuren hinterlasse. Da diese Region reich an dem Botenstoff Glutamat ist, könnte die Untersuchung von Glutamat-abhängigen Prozessen im Subiculum bei der Suche nach Medikamenten gegen die verhängnisvolle Gier helfen.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Quellen
Science 292: 1175–1178 (2001)

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.