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Ausnahmefund bei Wien: Massengrab mit 150 römischen Soldaten entdeckt

Auf die Spuren einer Schlacht mit »katastrophalem Ende« sind Wiener Archäologen im Stadtgebiet gestoßen. Sie sprechen von einem Sensationsfund für die Römerzeit.
Luftaufnahme einer archäologischen Ausgrabungsstätte, auf der mehrere Personen in Arbeitskleidung und mit Werkzeugen Knochen freilegen. Die Szene zeigt eine Vielzahl von Skelettresten im Boden. Links sind Planen und Ausrüstungsgegenstände zu sehen. Die Personen arbeiten konzentriert an der Freilegung der Funde.
Am Anfang ein Gemetzel: Eine herbe Niederlage römischer Truppen könnte nicht nur hinter diesem Massengrab stecken, sondern auch hinter der Gründung des Legionslagers Vindobona, aus dem schließlich Wien hervorging.

150 Individuen, alle ohne erkennbare Ordnung verscharrt, allesamt männlich, Sterbealter 20 bis 30 Jahre und alle mit mindestens einer Verletzung, die ihnen zum Todeszeitpunkt zugefügt wurde. Deutlicher können die Indizien kaum sein, dass es sich bei den Toten, die Wiener Archäologen Ende 2024 entdeckten, um Soldaten handelt, die bei einem einzigen verlustreichen Kampf ums Leben kamen.

Von einem Sensationsfund sprechen die Wissenschaftler der städtischen Denkmalbehörde in einer Pressemitteilung. Denn die militärische Auseinandersetzung mit ihrem »katastrophalen Ende« könnte gar den Startschuss für die eigentliche Stadtgeschichte gegeben haben.

Fündig wurde das Team um Kristina Adler-Wölfl, Leiterin der Stadtarchäologie Wien, bei einer Routinegrabung in der Hasenleitengasse im 11. Gemeindebezirk Simmering. Bei der Sanierung eines Sportplatzes kamen zahlreiche wild durcheinandergewürfelte Gebeine zum Vorschein und erregten die Aufmerksamkeit der städtischen Archäologen.

Seltene Skelette | Weil die Römer in jener Zeit Feuerbestattungen präferierten, sind Skelettfunde selten. Der Fund von 150 Individuen sei ein unglaublicher Schatz an Informationen, erklären Wiener Archäologen.

Mittels der Radiokarbonmethode ließ sich der Fund nur relativ grob datieren, erst die Entdeckung eines römischen Militärdolches erlaubte es den Fachleuten, das Massengrab zeitlich enger zu fassen. Dolche dieser Art seien ab der Mitte des 1. Jahrhunderts bis in die ersten Jahrzehnte des 2. Jahrhunderts hergestellt worden, erläutern die Archäologen. Auch die Wangenklappe eines Helms (in Gebrauch ab etwa 50 n. Chr.) und Teile eines Schuppenpanzers (verbreitet ab 100 n. Chr.) weisen in dieses Zeitfenster.

Insgesamt aber wurden bei den Toten nur wenige Gegenstände gefunden, was dafür spricht, dass sie ihrer Rüstung und Habseligkeiten beraubt worden waren. Auch das gibt Anlass zur Vermutung, dass die römische Seite nicht als Sieger aus der Auseinandersetzung hervorging. Nur im Notfall bestatteten Römer ihre Toten in Massengräbern – und ein solcher Notfall scheint hier bestanden zu haben.

Ende des 1. Jahrhunderts äscherten die Römer zumeist ihre Verstorbenen ein, weshalb nur sehr wenige Körperbestattungen aus jener Zeit bekannt sind. Der Fund von mehr als 100 Skeletten auf einmal bietet nun einzigartige Möglichkeiten, mehr über die Menschen der römischen Kaiserzeit zu erfahren. Isotope in den Knochen und Reste genetischen Materials könnten beispielsweise verraten, woher die Soldaten stammten, die an der Grenze Dienst schoben. Noch stehe die Forschung an den Skeletten jedoch ganz am Anfang.

In der Grube | Die Toten wurden wahllos in ein ovales Erdloch von knapp fünf auf fünf Metern gelegt. Mindestens 129 zusammenhängende Individuen fanden die Ausgräber, doch die Gesamtzahl der Bestatteten schätzen sie anhand einzelner Knochen auf mehr als 150. Bei Baggerarbeiten wurden Teile der Bestattung zerstört.

Der Fund von der äußersten Grenze des Römischen Reichs passt in eine Phase, die auch antike Autoren als unruhig charakterisieren. »So viele Heere gingen … durch Unbesonnenheit oder Feigheit der Feldherren verloren; so viele kriegserfahrene Männer mussten sich mit zahlreichen Kohorten ergeben und gefangen nehmen lassen«, schrieb der römische Geschichtsschreiber Tacitus ausgangs des 1. Jahrhunderts. Die Konflikte mündeten schließlich in den Ausbau des Donaulimes als Grenzbefestigung.

Die Wiener Forscherinnen und Forscher spekulieren nun sogar, dass die Niederlage, deren Ergebnis sie ausgruben, den entscheidenden Anlass dazu gegeben haben könnte, die militärische Präsenz in Vindobona deutlich auszubauen. Seit den späten 80er Jahren des 1. Jahrhunderts bestand hier ein Hilfstruppenlager. Die Gründung des Legionslagers in den Jahren 97/98 könnte eine Reaktion auf die Niederlage gewesen sein, nach der das Massengrab in Simmering angelegt wurde. Mit der Stationierung der Legion in Vindobona beginnt die städtische Geschichte Wiens.

  • Quellen
Pressemitteilung der Stadtarchäologie Wien vom 2. April 2025

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