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Neolithikum: Wild gemischte Jungsteinzeitsippen

Eine sitzende Frau aus Çatal Höyük
Die Bewohner der Steinzeitsiedlung Çatal Hüyük in der heutigen Türkei scheinen sich einst nicht in Familienclans, sondern in überraschend bunt gemischten sozialen Gruppen organisiert zu haben. Das vermuten Forscher nach einer systematischen Untersuchung von Zahnüberresten aus den Grabstätten der frühen Stadt.

Clark Spencer Larsen von der Ohio University und die Forensikerin Marin Pilloud von den Central Identification Laboratory haben die Zähne aus den typischen Hausgräbern geborgen, in denen wahrscheinlich die jeweiligen Bewohner der Behausung über Generationen hinweg ihre letzte Ruhestätte gefunden hatten. Eigentlich vermuteten die Forscher, dass die Zähne eines solchen Hausgrabes sich äußerlich in bestimmten anatomischen Merkmalen ähneln würden, weil die Bewohner nahe miteinander verwandt waren; viele prähistorische Gräber spiegeln diesen Zusammenhang tatsächlich wieder. In Çatal Hüyük ist das aber nicht der Fall: In einem Grab und Haus sind demnach offenbar meist nichtverwandte Personen beerdigt worden.

Dies lasse Rückschlüsse auf die gesellschaftliche Organisation der frühen Jungsteinzeit zu, meinen Larsen und Pilloud: In einer Wohneinheit lebten nicht Blutsverwandte, sondern "funktionelle soziale Einheiten". Dies ähnele einer Sozialstruktur, wie sie etwa für steinzeitliche Wildbeutergemeinschaften angenommen wird. Männer und Frauen verließen hier wahrscheinlich immer recht früh ihren biologischen Clan und schlossen sich neuen, fremden Kleingruppen an. Forscher hatten allerdings vermutet, dass diese Sozialstruktur im Zuge der neolithischen Revolution verschwand, als Menschen in Landwirtschaftszentren sesshaft wurden und eine eher hierarchische Schichtung der Gesellschaft entstand.

Çatal Hüyük, lange gehandelt als Vorzeigebeispiel der ersten Jungsteinzeitzentren, liegt etwa 40 Kilometer südöstlich der heutigen Stadt Kony und wurde Ende der 1950er Jahre entdeckt. Die Siedlung bestand im Neolithikum aus Tausenden dicht gedrängten Häuser und beherbergte wohl rund 5000 bis 6000 Menschen. Straßen und Plätze fehlten, die fenster- und türlosen Häuser waren nur über das Dach zugänglich. Unterhalb der Häuser legten die Bewohner die jetzt untersuchten Hausgräber an.

Genetische Untersuchungen über die Verwandtschaft der Bestatteten haben Larsen und Pilloud nicht durchgeführt, wie Kritiker bemängeln; womöglich weil die Extraktion von ausreichend gut konservierten DNA-Sequenzen methodisch sehr aufwändig und vielleicht sogar unmöglich ist. Ein rein phänotypischer Vergleich der Zähne zur Verwandtschaftsbestimmung der Bestatteten gilt allerdings als fehleranfällig. So werden erst weitere Untersuchungen endgültigen Aufschluss darüber geben können, wie die neolithische Bevölkerung der prähistorischen Stadt zusammen gelebt haben. (jo)

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