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Soziales Lernen: Willkommen in der Räuberhöhle

Eigentlich ist ihre Aufgabe klar definiert: Blüten anfliegen, Nektar sammeln - und nebenbei ein wenig Bestäuben. Manche Hummel jedoch stibitzt den Nektar lieber und verzichtet auf die befruchtende Gegenleistung. Wie das geht, lernen die Brummer durch ein wenig Anschauungsunterricht.
Die Sache mit den Bienchen und Blümchen ist eine von Geben und Nehmen. Die Pflanze lockt mit betörenden Düften und Farben, die schmackhafte Pollen und Nektar versprechen. Die Vielflieger bestäuben dafür als Gegenleistung die Blüten. Soweit die Theorie.

Die Praxis jedoch sieht oft anders aus: Statt mit fairem Handel organisieren sich manche Insekten ihr Futter lieber auf die räuberische Art: Ein geschickter Biss in den unteren Bereich des Blütenkelches, und der Weg ist frei zu Nektar und Ambrosia – ganz ohne das mühevolle Entlanghangeln an klebrigen Narben.

Auch Hummeln schlagen so Mutter Natur ein Schnippchen. Sie profitieren dabei von den kriminellen Ideen anderer Insekten. Dies entdeckten Ellouise Leadbeater und Lars Chittka von der Queen Mary University of London.

Die Forscher ließen 30 Erdhummeln (Bombus terrestris) im Labor auf die länglichen weißen Blüten der Ackerbohne los, die durch eine kleine Nadel mit ein wenig zusätzlichem Nektar versehen worden waren. Die Hälfte der Insekten wurde mit Blüten konfrontiert, in deren unteren Blütenkelch die Forscher ein Loch gestanzt hatten, so dass die Hummeln den Nektar ohne Bestäubung abgreifen konnten. Die anderen 15 Hautflügler trafen nur auf unverletzte Blüten. Nach einer 30-minütigen Übungsphase wurden die Hummeln dann mit unpräparierten Blüten konfrontiert.

Erdhummel im Labor | Mit einem Biss in den unteren Bereich der Blütenkelches gelangt diese Erdhummel an den Nektar der Ackerbohnenblüte, ohne den Stempel zu bestäuben.
Bei den folgenden Besuchen der Ackerbohnen neigten beide Gruppen dazu, in die Blüten hinein zu beißen. Doch nur die Hummeln, die vorher an Blüten mit Loch ihren Hunger gestillt hatten, traktierten mit ihren Beißwerkzeugen auch gezielt den unteren Blütenkelch: Von den elf Insekten dieser Gruppe knabberten sieben erfolgreich die Blütenbasis an. In der Vergleichsgruppe ohne Diebstahl-Erfahrung bissen zwar auch sieben Insekten zu. Sie gruben ihre Mundwerkzeuge aber nur in das Kronenblatt.

Der Kontakt mit den durchlöcherten Blüten hatte bei den Hummeln also einen Lerneffekt hervorgerufen. Sind die Insekten also fähig zu sozialem Lernen? Das ermittelten die Forscher in einem zweiten Versuch: Sie brachten bislang wenig beißwütige Hummeln in Kontakt mit anderen Artgenossen, die jeweils trainiert worden waren, entweder nur auf normalem Wege zu ihrem Nektar zu gelangen – oder aber durch vorgestanzte Löcher in den Blüten. Ein signifikanter Unterschied im Lernerfolg blieb allerdings aus. Die noch unbedarften Hummeln erkundeten in beiden Gruppen in etwa gleichem Umfang die Räuberhöhle.

Direktes soziales Lernen, wie man es von Wirbeltieren kennt, müssen Leadbeater und Chittka darum erst einmal ausschließen. Die Tatsache jedoch, dass die Hummeln durch die bloße Anschauung lernen, sei aber eine wichtige Vorform des sozialen Lernens: "Unsere Erkenntnisse zeigen, dass das Raubverhalten eines Individuums die räuberischen Aktivitäten anderer begünstigen", erklären die Forscher in ihrem Bericht. Schade nur, dass die Lernbereitschaft der Insekten ihren Geschäftspartnern so wenig nutzt.

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