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News: Winzige Zeitkapseln aus der antarktischen Eiskappe

Ein altes Sprichwort sagt, daß die Vergangenheit der Schlüssel zur Gegenwart sei. Dies trifft besonders für die Wissenschaftsbereiche zu, die sich mit klimatischen Veränderungen beschäftigen. Die Erwärmung unseres Planeten im vergangenen Jahrhundert wurde zumindest zu einem Teil durch die Treibhausgase 'angeheizt', insbesondere durch Kohlendioxid, das durch menschliche Aktivitäten, wie das Verbrennen von Kohle, Öl, Gas und Biomasse, in die Atmosphäre gelangt. Kohlenstoffverbindungen in der Atmosphäre werden jedoch durch natürliche Prozesse, wie das Pflanzenwachstum, ständig wieder in den Kreislauf aufgenommen. Daher hängen Vorhersagen über zukünftige Umweltveränderungen von einem detaillierten Verständnis dieses Kohlenstoffkreislaufs ab.
In einem Bericht der Zeitschrift Nature vom 11. März 1999 berichtet Thomas Stocker mit seinen Kollegen von der Universität Bern, wie der Kohlenstoffkreislauf in den elftausend Jahren seit dem Ende der letzten Eiszeit gewissermaßen einen Gang zugelegt hat.

Daß die Kohlenstoffmenge in der Atmosphäre eng mit klimatischen Veränderungen zusammenhängt, wird durch die tiefgreifende Veränderung verdeutlicht, die stattfand, als sich die Eisdecke zurückzog. Während sich die Welt erwärmte, stieg die Menge an Kohlendioxid in der Luft um fast 50 Prozent an. Da Kohlendioxid ein Treibhausgas ist, steht eine Erwärmung der Welt zu erwarten, je mehr Kohlendioxid sich in der Luft befindet.

Die Frage, die sich Stockers Gruppe jedoch stellte, lautete: Wie wirkte sich die Kohlendioxidkonzentration aus, nachdem das Eis geschmolzen war und die Welt in die bis heute andauernde relative Wärmeperiode eintrat?

Zur Beantwortung dieser Frage analysierten sie uralte Luftbläschen, die im Eis der antarktischen Eiskappe eingeschlossen sind. Da der Schnee auf der antarktischen Eisdecke unter frisch gefallenem Schnee begraben und zusammengepreßt wird, werden winzige Lufttaschen zwischen den Schneekörnern eingeschlossen. Diese Taschen erzeugen Bläschen, wenn die Körner zu festem Eis gepreßt werden. Diese Bläschen enthalten winzige Proben der Atmosphäre aus jener Zeit, als der Schnee fiel. Je tiefer man also in die Eisdecke vordringt, desto älter ist das Eis, auf das man trifft, und desto älter ist demnach auch die Luft in den Bläschen. In einer Tiefe von 350 m ist das Eis an der Stelle, an der Stockers Team bohrte, etwa 10  000 Jahre alt.

Die Wissenschaftler entdeckten, daß die Konzentration an Kohlenstoffdioxid, die auf ein Niveau angestiegen war, das ein bis eineinhalb Mal über dem der Eiszeit lag, bis in die heutige Zeit nicht immer konstant war. Stattdessen fiel die Konzentration bis vor ungefähr 8200 Jahren und ist seither ständig gestiegen. Irgendetwas hat also den Kohlenstoff aus der Atmosphäre für drei Jahrtausend nach dem Ende der letzten Eiszeit aufgesaugt. Aber was?

Um festzustellen, wohin der Kohlenstoff verschwand suchten die Forscher nach winzigen Hinweisen in der Zusammensetzung des Kohlendioxids in den Bläschen. In der Natur kommt Kohlenstoff in zwei Isotopen vor, die aus Kohlenstoffatomen mit geringfügig unterschiedlichen Gewichten bestehen. Das gängigste Isotop ist Kohlenstoff-12, etwa ein Prozent des natürlichen Kohlenstoffs ist der schwerere Kohlenstoff-13.

Obwohl die beiden Isotope in ihrem Verhalten nahezu identisch sind, weisen die natürlichen Prozesse des Kohlenstoffzyklus (wie die Photosynthese, die Kohlenstoff in Pflanzen fixiert) dennoch geringe Vorlieben für die eine oder andere Form auf. Durch Messung der Schwankungen bei den Isotopenverhältnissen im Verlaufe der Zeit waren die Forscher in der Lage, einige Schlußfolgerungen darüber anzustellen, wie Komponenten des Kohlenstoffzyklus die Veränderungen verursachten.

Sie kamen zu dem Schluß, daß zwei Prozesse primär für Rückgang und Anstieg verantwortlich sind: das Wachstum von Landpflanzen und Veränderungen der Meerestemperatur. Kohlendioxid löst sich im Meer auf, genau wie Salz oder Zucker ist es jedoch in wärmerem Wasser besser löslich. Als sich das Meer erwärmte, wurde also mehr Kohlendioxid aufgenommen.

Die Wirkung durch das Pflanzenwachstum trat wie erwartet auf, als die Vegetation wieder das Land zurückeroberte, das während der Eiszeit unter einer Eisdecke begraben lag. Wie Art und Ausmaß der Vegetation angesichts zukünftiger klimatischer Veränderungen schwanken werden, ist eine wichtige Frage für Umweltwissenschaftler. Stocker und Kollegen glauben, daß die Veränderungen in den letzten 11  000 Jahren , die sie in den Eisproben entdeckt haben, als Prüfstand für Modelle dienen könnten, mit denen vorhergesagt werden soll, was die Zukunft bringen wird.

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