Direkt zum Inhalt

Jahresrückblick: Wirbel um unsere Planeten

Einige Raumsonden leiden an Alters- oder Ausfallerscheinungen, andere scheinen schlichtweg keine Lust mehr auf Kommunikation zu haben. Dennoch leistet die Truppe im Weltraum ganze Arbeit und liefert tagtäglich Berge an Daten über ferne Welten, abenteuerliche Phänomene und nicht zuletzt über unsere Planeten und solche, die es einmal waren. Und an Nachschub mangelte es auch dieses Jahr nicht.
Zwölf Planeten umkreisen die Sonne - mindestens!
Über dreißig Jahre ist es her, dass eine Raumsonde letztmalig Gesteinsproben von auswärts – und zwar vom Mond – auf die Erde brachte. Dank der russischen Luna-Missionen und dem amerikanischen Apollo-Programm erleichterten wir unseren Trabanten um mehr als dreihundert Kilogramm. Trotz des enormen Fortschritts blieben es aber lange Zeit die einzigen Diebesgüter aus dem Weltall. Bis nun die Nasa-Mission Stardust sich hinter dem Marsorbit mit dem Kometen Wild 2 traf und raubte Staub aus seinem Schweif raubte. Am 13. Januar 2006 kehrte die Landekapsel mit der wertvollen Fracht auf die Erde zurück.

Teilchenspuren in Aerogel | Die größeren Partikel formten im Aerogel wurzelähnliche Löcher, während die kleineren Komponenten näher am oberen Ende gestoppt wurden und knollenförmige Hohlräume bildeten. Die größten Materialspuren sind zwei Zentimeter lang und einen halben Zentimeter breit.
Schon mit bloßen Augen zeigte sich, dass die Mission erfolgreich war. Erste Analysen erstaunten die Wissenschaftler zutiefst, stellten sie doch das bisherige Bild von Kometen auf den Kopf: Gestein in den Proben musste sich unter enorm hohen Temperaturen gebildet haben. Das widerspricht der bisherigen Theorie, wonach sich Kometen ausschließlich aus kalter Materie am äußeren Rande des solaren Urnebels bildeten. Es musste also eine Art Durchmischung im frühen Sonnensystem stattgefunden haben, die das im heißen Inneren entstandene Material nach außen transportierte. Die Analyse der Daten ist längst nicht abgeschlossen, sondern wird die Forscher sicherlich noch Jahre beschäftigen.

Der Blick zum Nachbarn ...

Auch vom Roten Planeten, der seit jeher die Fantasie der Menschen beflügelt, hielten die Wissenschaftler sicherlich gerne einige Gesteinsproben in den Händen. Doch bislang müssen sie sich vorrangig mit schönen Bildern begnügen. Im März erreichte nun auch der Mars Reconnaissance Orbiter (MRO), der seine Reise im vergangenen August antrat, sein Ziel. Das gefährliche Einschwenkmanöver in die Umlaufbahn des Planeten ist geglückt. Nicht selbstverständlich, denn in den letzten zwei Jahren verschollen dabei zwei Sonden. So kreisen nun insgesamt drei funktionstüchtige Späher um den Mars – kurzzeitig waren es sogar vier an der Zahl, doch Anfang November, nach fast zehn Jahren im All, brach der Funkkontakt zum Mars Global Surveyor ab.

In Bezug auf seine hoch auflösende Kamera ist der MRO allerdings weit überlegen. Mit dieser und fünf weiteren wissenschaftlichen Instrumenten soll er nach – wie sollte es anders sein – Wasser suchen. Aber auch nach Ländeplätzen für Mensch und Technik hält die Weltraumbehörde durch seine Augen Ausschau. Verstärkung ist schon geplant: Im kommenden Jahr wird voraussichtlich die Raumsonde Phoenix ihre einjährige Reise zum Mars antreten, und 2009 soll ein Marslaboratorium in Form eines Rovers folgen. Den ersten bemannten Raumflug mit sechs Astronauten sieht die Nasa ab 2025.

Wasserflecken am Kraterrand | Auf der Südhalbkugel des Mars, am Rand eines namenlosen Kraters der Centauri-Montes-Region, tauchten auf Bildern des Mars Global Surveyor plötzlich helle Ausschüttungen auf. Im August 1999 waren sie noch nicht zu erkennen gewesen.
Laut Wissenschaftlern der Universität von Kalifornien in Berkeley könnte ein Spaziergang auf dem Mars aber alles andere als angenehm sein. Anfang August spekulierten sie über heftige Orkane an der Planetenoberfläche, die letztendlich zur Produktion von hochreaktivem Wasserstoffperoxid beitragen. Somit könnte sich die Marsoberfläche als noch lebensfeindlicher erweisen, als man bisher schon dachte. Als diese Enttäuschung von allen Marsfreunden fast vergessen (oder verdrängt) war, gab es aber Anfang Dezember sogar neue Hoffnung: Aufnahmen des Mars Global Surveyor aus den Jahren 2004 und 2005 zeigen eine Kraterwand mit mehr als einen Kilometer langen Spuren, die an Wasserrinnsaale erinnern. Auf vier Jahre zuvor aufgenommenen Bildern fielen den Wissenschaftlern dort nur uninterpretierbare hellere Bereiche auf. Gibt es also doch Wasser auf dem Mars und damit vielleicht Leben? Kritiker bremsen den Enthusiasmus – es handele sich womöglich um abgerutschtes Geröll oder fließendes Kohlendioxid. Zur Klärung der Frage setzen die Forscher auf das SHARAD-Radar an Bord des MROs – es soll zumindest theoretisch Wasseradern unter der Marsoberfläche aufspüren können.

... und zur Nachbarin

Auch die Venus empfing am 11. April dieses Jahres einen neuen Gast: Venus Express. Zuletzt hatte sie vor 16 Jahren die US-amerikanische Sonde Magellan besucht. Für die Europäer ist der Flug zu unserem Nachbarplaneten eine Premiere. Zwei Venustage, also 486 Erdentage, soll der Satellit den Planeten umrunden, der in Größe, Masse und Beschaffenheit der Erde ähnelt. Ziel der Mission ist, die Eigenschaften, wie etwa Temperatur, Dichte und Zusammensetzung, der Atmosphäre und Oberfläche besser zu verstehen.

Wirbel über dem Südpol der Venus | Aus etwa 200 000 Kilometer Entfernung sieht die Esa-Raumsonde Venus Express erstmals die Wolkenstrukturen nahe dem Südpol unseres Nachbarplaneten.
Schon wenige Tage nach seiner Ankunft fotografierte die Sonde erstmals die Wolkenformationen über dem Südpol der Venus. Mitte Dezember gab die Europäische Raumfahrtbehörde Esa bekannt, dass es auf der Venus im Durchschnitt etwa 460 Grad Celsius heiß ist. In den Bergen sei es dabei allerdings bis zu dreißig Grad kälter als im Tiefland. Die hohe Durchschnittstemperatur werde durch einen starken Treibhauseffekt verursacht, der durch die Sonne zugeführte Energie nicht mehr aus Atmosphäre entweichen lässt.

Ausgestoßener Zwerg

Nicht um die Erforschung, sondern um die Definition der Planeten ging es in einer hitzigen Diskussion, die im August für Aufsehen sorgte. Anstoß dazu gaben die unzähligen Himmelskörper mit planetenähnlichen Massen, die Wissenschaftler in den äußeren Regionen des Sonnensystems entdeckten. Dem ersten Vorschlag zufolge, der sich nach der Masse des Himmelskörpers richtet, hätten wir plötzlich zwölf Planeten. So wäre beispielsweise dem Asteroid Ceres und Pluto-Mond Charon der Planetenstatus zugesprochen worden. Allerdings musste die Hauptversammlung der Internationalen Astronomischen Union (IAU) dem Entwurf zustimmen.

Unser Sonnensystem ohne Pluto als Planeten | Die acht Planeten sind Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun: Pluto gehört nun zu den Zwergplaneten.
Und genau das tat sie nicht. Am 24. August entschied die IAU, Pluto zum Zwergplaneten zu degradieren. Demnach besteht unser Sonnensystem nun aus den acht Planeten Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun. Pluto rangiert nun unter der offiziellen Nummer "134340" und ist nur noch einer von vielen. Doch es regt sich Widerstand, denn längst nicht alle Astronomen und Planetenforscher sind mit der neuen Definition einverstanden. Sie wollen die Neuerung bis zum nächsten Jahr ignorieren und versuchen, die Ehre von Pluto in einer weiteren IAU-Vollversammlung wiederherzustellen – bislang ist die aber erst für 2009 angesetzt.

Vielleicht tröstet sie, dass am 19. Januar erstmals in der Geschichte der Raumfahrt eine Expedition zum Pluto aufbrach. Die Nasa-Raumsonde New Horizons soll etwa neun Jahre später in einer Entfernung von rund 10 000 Kilometern an dem Planeten, pardon Zwergplaneten, und dessen Mond Charon vorbeifliegen und beide aus der Nähe studieren.

Eisiger Mangel ...

Trotz oder gerade wegen seiner direkten Nähe zur Erde ist auch unser Mond noch Ziel vieler Missionen. Die europäischen Sonde Smart-1 stürzte nach ihrer knapp dreijährigen Forschungsreise am 3. September auf den Erdtrabanten. Der Aufprall der 366 Kilogramm schweren Sonde hinterließ einen bis zu zehn Meter breiten Krater und wirbelte dabei viel Staub auf. Vorrangig diente die Mission allerdings der Erprobung neuer Technologien, wie etwa einem solarelektrischen Ionentriebwerk. Die Europäer wollen diese Antriebstechnik auch für einen geplanten Flug zum Merkur sowie für weitere Weltraumexpeditionen einsetzen.

So könnte es aussehen: Smart-1 am Mond | Smart-1 bewegte sich auf einem polaren Orbit, der ihn bis zu 300 Kilometer nah an die Mondoberfläche heranführte. Im fernsten Punkt war er etwa 3000 Kilometern entfernt.
Aber auch die Erforschung der Mondoberfläche stand auf dem Plan von Smart-1. Erstmals gelangen Aufnahmen der erdabgewandten Seite des Mondes. Darauf zeigte sich ein Gebiet am Nordpol, das niemals im Schatten liegt. Die Forscher der Cornell-Universität richteten ihr bodengestütztes Teleskop hingegen auf die dauerhaft dunklen Krater am Südpol des Mondes. Mit Hilfe von hoch aufgelösten Radarmessungen wiesen sie nach, dass es dort entgegen der bisherigen Vermutung keine Spuren von gefrorenem Wasser gibt.

Vor etwa sieben Jahren glaubten die Forscher mit der Sonde Lunar Prospector Hinweise auf hohe Konzentrationen von Wasserstoff gefunden zu haben. Die ernüchternde Erkenntnis dürfte sich auf die Pläne der Nasa auswirken, die eine erneute Mondlandung und die Errichtung einer Mondbasis vorsehen. Und auch der US-Präsident mag darüber enttäuscht sein – vor knapp drei Jahren verkündete er der Welt sein neu entdecktes Interesse am Mond als Sprungbrett zum Mars.

... und glühende Einsichten

In anderen Bereichen sieht es für die Nasa allerdings besser aus: Nach fast zweimonatiger Verspätung startete das Raumsondenpaar Stereo in der Nacht zum 26. Oktober. Es wird die Sonne und ihre zerstörerischen Eruptionen untersuchen, die in nur wenigen Minuten die Energie von Milliarden Atombomben freisetzen. Dabei werden mehrere Milliarden Tonnen Materie aus der Sonnenatmosphäre ins Weltall geschleudert. Als Sonnenwind treffen die geladenen Teilchen auf das Erdmagnetfeld und verursachen die schönen Polarlichter, beeinträchtigen oder beschädigen aber auch Satelliten und stören Telekommunikation und Energieversorgung.

Von den beiden Sonden aus verschiedenen Blickwinkeln geschossene Aufnahmen sollen zusammengefügt ein dreidimensionales Bild der Sonneneruptionen ergeben. Auf diese Weise lassen sich die Ausbrüche in Zukunft besser vorhersehen. Die japanische Raumfahrtbehörde sendete für diesen Zweck Ende September ihre Raumsonde Solar-B ins All. Der Orbit ist mit der Erdumlaufbahn so synchronisiert, dass sich der Satellit über mindestens neun Monate pro Jahr im Sonnenlicht aufhält. So soll er den Zusammenhang zwischen den Magnetfeldern der Sonne und der Aktivität auf deren Oberfläche erforschen. Bald könnte es dann schon verlässlichere Prognosen für das Weltraumwetter geben.

Hubble darf hoffen ...

Das Hubble Space Telescope vom der ISS aus gesehen | Seit April 1990 befindet sich das Weltraumteleskop Hubble in seiner Umlaufbahn und schießt Bilder von fernen Galaxien.
Ob die kosmische Strahlung im vergangenen Juni die Hauptkamera vom Weltraumteleskop Hubble beschädigte oder schlichtweg die Elektronik versagte, darüber spekulieren die Forscher nur. Ende Oktober gab die Nasa nun bekannt, dass Hubble in einer vierten und letzten Service-Mission mit neuen Instrumenten, Gyroskopen, Ersatzteilen und Batterien ausgestattet wird. Ingesamt seien dafür vier bis fünf bemannte Außenbordeinsätze nötig. Eigentlich waren schon für das Jahr 2004 Wartungsarbeiten für das Teleskop angesetzt, diese wurden nach dem Absturz der Raumfähre Columbia jedoch vorerst gestrichen. Dank erfolgreicher Shuttle-Flüge soll es nun Mitte des Jahres 2008 erneut zum Weltraumveteranen gehen, damit er uns schon bald wieder gestochen scharfe Bilder vom Universum liefert.

Dabei blickt er allerdings nicht so weit zurück, wie die diesjährigen Physik-Nobelpreisträger John Mather und George Smoot mit dem 1989 gestarteten Satelliten Cobe. Mit seiner Hilfe erforschten sie die kosmische Hintergrundstrahlung, die das Universum als Relikt des Urknalls seit nahezu 14 Milliarden Jahren durchreist. Erstmals gelang es ihnen in der sonst gleichförmig auf die Erde treffende Strahlung Strukturen nachzuweisen. Außerdem zeigten sie, dass es sich um Wärmestrahlung handelt. Damit bestätigten sie bislang hypothetische Konzepte, insbesondere die Urknalltheorie, und weckten das Interesse der Physik an diesem Thema. In Stockholm nahmen sie im Dezember ihre Auszeichnung entgegen.

... und Thomas Reiter nachhause

Aus dieser Stadt stammt auch der erst Schwede im All: Christer Fuglesang. Am 10. Dezember brach er mit sechs Kollegen in Richtung ISS auf, um dort Außeneinsätze für Reparatur- und Wartungsarbeiten durchzuführen. Nach der zwölftägigen Mission bringt das Shuttle Discovery auch den deutschen Astronauten Thomas Reiter zurück zur Erde, der sich schon seit Anfang Juli an Bord der Raumstation aufhält. Pünktlich zu Weihnachten landete er in Cape Canaveral und kommt nun – nach Monaten in der Schwerelosigkeit – langsam wieder auf die Beine.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.