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News: Wo ist die Mitte?

Eine Bakterienzelle kann sich in jeder Stunde einmal verdoppeln. Dabei steht sie allerdings vor einem geometrischen Problem: Denn nicht nur das Erbgut will gerecht verteilt sein, auch die Zelle selbst muss ziemlich genau in der Mitte gespalten werden, damit die beiden resultierenden Tochterzellen lebensfähig sind. Doch wie bestimmt man die Mitte einer Zelle? Das Bakterium löst dieses Problem durch ein elegantes Wechselspiel dreier Proteine, die ständig von einem zum anderen Ende der Zelle hin und her oszillieren.
Geht es dem Bakterium Escherichia coli gut, dann kennt es nur eins: wachsen und sich vermehren. Innerhalb einer Stunde verdoppelt sich jede Zelle, sodass nach kurzer Zeit aus einem einzigen Bakterium eine riesige Anzahl von Nachkommen entstehen kann. Dies erfordert jedoch eine ausgeklügelte biochemische Choreographie, damit die entstehenden Tochterzellen auch lebensfähig sind und sich weiter vermehren können. So muss zunächst eine vollständige Kopie des ringförmigen Bakterienchromosoms hergestellt werden. Dann wächst die Zelle in die Länge, sodass es die beiden an der Zellmembran anheftenden Tochterchromosomen auseinanderzieht. Daraufhin schnürt sich die Zellmembran in der Mitte der angewachsenen Zelle ein, bildet hier eine neue Zellwand und spaltet damit die Zelle in zwei gleich große Hälften.

Bei dieser Spaltung spielt eine bestimmte Proteinfamilie eine entscheidende Rolle. Fehlen die Proteine MinC, MinD und MinE, dann kann sich das Bakterienchromosom zwar verdoppeln, die Zellteilung findet jedoch nicht statt. Jetzt haben sich Martin Howard von der Simon Fraser University sowie Andrew Rutenberg und Simon de Vet von der Dalhousie University das Zusammenspiel dieser Proteine näher angeschaut.

Die drei Proteine wirken untereinander gegensätzlich: MinC und MinD binden an die Zellmembran und verhindern hier die Bildung des so genannten Z-Rings, der die Einschnürung der Zelle vorbereitet. MinE fördert dagegen diesen Z-Ring, verdrängt jedoch MinC und MinD. Ohne MinE entsteht kein Z-Ring, und die Zellen wachsen ungeteilt weiter. Ohne MinC entsteht dagegen der Z-Ring wahllos in der Zelle, sodass sich nicht-lebensfähige Mini-Zellen abschnüren. Ohne MinD können sich MinC und MinE nicht an die Zellmembran anheften, eine geordnete Teilung ist nicht möglich.

Entscheidend für die Wirksamkeit der drei Proteine ist ihre Diffusion durch die Zelle. Die Wissenschaftler konnten ein mathematisches Diffusionsmodell für die Proteine aufstellen, nach dem die Moleküle mit einer Periodendauer von ein bis zwei Minuten durch die Zelle oszillieren. Dabei verdichten sich MinC und MinD wie bei einer stehenden Welle an den beiden Zellenden, während sich MinE in der Zellmitte ansammelt.

Ein ähnliches Modell ziehen Wissenschaftler schon lange für die Erklärung charakteristischer Farbstreifen bei manchen Tierarten heran: Auch sie entstehen vermutlich durch ein sich selbst organisierendes Wechselspiel zwischen Diffusion und Interaktion bestimmter Moleküle.

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