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Bestes Seeing: Wo man die weltbeste Sicht auf die Sterne hat

Irdische Großteleskope baut man heute auf Hawaii oder in Chile. Doch die beste Sicht hat man dort nicht. Um den Rang eins konkurrieren zwei Orte, die abgelegener kaum sein könnten.
Sternenhimmel - wo ist er am besten zu sehen?

Turbulenzen in der Atmosphäre lassen die Sterne hübsch funkeln, bereiten aber Sternbeobachtern sorgenvolle Mienen: Die Störungen in der Lufthülle der Erde verringern die Auflösung ihrer Teleskope. Darum werden optische Großteleskope heutzutage in Gegenden gebaut, in denen es nicht nur wenig Lichtverschmutzung durch Städte oder Flughäfen gibt, sondern über denen die Atmosphäre auch besonders ruhig ist. Das ist etwa auf dem Mauna Kea in Hawaii der Fall oder auf 2500 Meter Höhe in der chilenischen Atacama-Wüste.

Doch die beste Sicht, das wissen Astronominnen und Astronomen, gibt es in der Antarktis. Dort galt bislang eine Erhebung namens Dome C als Ort mit dem besten bekannten »Seeing«, wie Fachleute die Sichtbedingungen nennen. Nun jedoch bringt ein internationales Team um Bin Ma von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften eine andere Örtlichkeit ins Spiel: Dome A.

Das unbemannte Teleskop KL-DIMM auf dem Dome A | Mit diesem Instrument nahmen die Forscher ihre Messungen vor. Dome A liegt in dem Gebiet, das von Australien beansprucht wird.

Im Verlauf ihrer siebenmonatigen Messkampagne, während der ein automatisches Teleskop auf dem Gipfel die Sichtbedingungen erfasste, lag das Seeing im Mittel bei 0,31 Bogensekunden, und unter Idealbedingungen bei 0,13 Bogensekunden. Zum Vergleich: Das Seeing in Chile und Hawaii schwanke zwischen 0,6 und 0,8 Bogensekunden, schreiben die Forscher, die ihre Ergebnisse jetzt im Fachblatt »Nature« veröffentlichen.

Dome A protzt auch sonst mit Rekorden

Wer auf Dome C die gleichen Bedingungen erreichen wolle wie auf Dome A, müsse das Teleskop 20 Meter in die Höhe bauen. Auf Dome A genügten dagegen bereits acht Meter, so Ma und Kollegen. Grund dafür ist nach Auffassung der Wissenschaftler die dünnere atmosphärische Grenzschicht über Dome A. Dieser Bereich der irdischen Lufthülle wird durch Reibung mit der Erdoberfläche beeinflusst. Dass bislang meist Dome C als Ort mit den besseren Bedingungen galt, liege daran, dass die Messungen dort bei Tag durchgeführt worden seien.

Acht Meter hoch statt 20 Meter hoch, das klingt nach nicht besonders viel, könnte aber angesichts der phänomenalen Herausforderungen, die es bedeutet, auf einem Gipfel des antarktischen Plateaus ein Teleskop zu errichten, den entscheidenden Unterschied ausmachen. Allen voran prozt Dome A mit Extremwerten und Rekorden: Der Berg ist die höchste Erhebung der Antarktis mit 4093 Metern über dem Meeresspiegel. Davon bestehen allerdings fast zweieinhalb Kilometer aus Eis, das auf dem Gamburzew-Gebirge aufliegt. So ist der Gipfel auch nicht als solcher im Gelände erkennbar. Die Küste ist 1200 Kilometer entfernt, damit liegt Dome A fast im Zentrum des antarktischen Kontinents. Er gilt zudem als einer der kältesten Orte der Erde. Im Winter erreicht die Temperatur hier an die -90 Grad Celsius. Die Forscher, die ihre Experimente während der Polarnacht 2019 durchführten, geben deshalb auch zu Protokoll, Frost und Eis habe ihre Messungen gestört. Das Seeing könnte in Wahrheit noch um gut zehn Prozent besser sein.

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